Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar USA und Nato: Trump ist doch kein Trottel
> In der Nato häufen die Deutschen Exportüberschüsse an und kassieren
> Dollar. Kritik daran gab es schon von JFK – Trump ist also in bester
> Gesellschaft.
Bild: Meist ist es angemessen, dem US-Präsidenten Verachtung entgegenzubringen
US-Präsident Donald Trump war bei seinem [1][Staatsbesuch in
Großbritannien] schwer beschäftigt. Er musste die scheidende
Premierministerin Theresa May demütigen, sich in die Tory-Nachfolge
einmischen und Demonstranten ignorieren. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn
er nicht ein paar Sekunden Zeit gefunden hätte, um sich einem seiner
Lieblingsthemen zu widmen: der Nato.
Bei einer Pressekonferenz in London klagte Trump einmal mehr, dass die
Lasten im Bündnis nicht fair verteilt seien: „Alle Mitglieder müssen ihre
Verpflichtungen erfüllen.“ Doch einige Länder würden sich entziehen. Trump
nannte zwar keine Namen, aber es war klar, wen er meinte: die
Bundesrepublik.
In Deutschland hält man Trump gerne für einen Trottel. Diese Verachtung ist
meist angemessen, aber ausgerechnet beim Thema Nato ist Trump in bester
Gesellschaft. Auch seine Vorgänger Eisenhower, Kennedy und Johnson waren
geradezu besessen von der bundesdeutschen Eigenwilligkeit, [2][ständig
Exportüberschüsse anzuhäufen und Dollar zu kassieren], die Verteidigung der
westlichen Welt aber lieber den USA zu überlassen.
Dieser Konflikt währte von 1960 bis 1976 und ging unter dem Titel
„Truppendollar“ in die Geschichte ein. Heute ist diese Episode weitgehend
vergessen, aber sie war für die Bundesrepublik sehr kostspielig. Die
Truppendollar-Affäre kann als Lehrstück dienen, warum Exportüberschüsse
kein Segen sind und Deutschland schaden.
## Akribisch nachberechnet
Die Amerikaner verzeichneten damals wie heute ein riesiges Defizit in ihrer
Zahlungsbilanz, weswegen sie sehr empfindlich registrierten, wie ungleich
die Nato-Lasten verteilt waren. 1960 gaben die USA 8,9 Prozent ihrer
Wirtschaftsleistung fürs Militär aus, während die Westdeutschen nur auf 4
Prozent kamen.
Besonders bitter stieß den US-Präsidenten auf, dass die Westdeutschen
gleichzeitig die größten Profiteure der amerikanischen Militärausgaben im
Ausland waren: 1960 unterhielten die USA sechs Divisionen mit 233.000
Soldaten in der Bundesrepublik. Die ließ sich also von den Amerikanern
verteidigen – und kassierte dafür auch noch Dollar!
Akribisch hatte man in Washington nämlich nachgerechnet, wie viele Dollar
pro Jahr in der Bundesrepublik hängen blieben, weil die US-Kasernen
westdeutsche Zivilangestellte beschäftigten und sich die GIs in den
umliegenden Bars vergnügten. Ergebnis: 1956 hatte die Bundesrepublik dank
der US-Army 316 Millionen Dollar zusätzlich eingenommen, 1959 waren es
schon 686 Millionen.
Diese westdeutschen „Truppendollar“ wollten Eisenhower und Kennedy wieder
nach Hause holen. Trump erscheint daher geradezu als Reinkarnation
Kennedys: Derzeit sind zwar nur noch 35.000 US-Soldaten in Deutschland
stationiert, aber auch Trump droht gern damit, das amerikanische Militär zu
verlegen, falls die Bundesrepublik nicht bald zahlt.
## „Truppendollar“-Konzept von Anfang an absurd
Kanzler Adenauer konnte es sich damals nicht leisten, die Amerikaner
dauerhaft zu verärgern, denn der Kalte Krieg erhitzte sich wieder: Der
sowjetische Präsident Chruschtschow forderte, dass Westberlin zu einer
„freien Stadt“ werden und die Westalliierten dort abziehen sollten. Wenig
später, am 13. August 1961, wurde die Berliner Mauer gebaut.
Die Bundesrepublik erklärte sich daher widerwillig bereit, Waffen im Wert
von etwa 650 Millionen Dollar pro Jahr zu bestellen. Verteidigungsminister
Franz Josef Strauß (CSU) wusste auch schon genau, was er gern haben wollte:
nicht nur die modernsten Trägerraketen, sondern auch die dazugehörigen
Nuklearsprengköpfe. Sein US-Kollege Robert McNamara war zuvor Ford-Manager
gewesen und organisierte nun auch den amerikanischen Militärverkauf nach
kommerziellen Kriterien.
Dem amerikanischen Verteidigungsminister gelang eine bemerkenswerte
Expansion: Von 1961 bis 1966 stiegen die US-Waffenexporte von 630
Millionen auf 1,9 Milliarden Dollar jährlich, wovon die Westdeutschen fast
ein Drittel abnahmen. Die begehrten Nuklearsprengköpfe bekamen sie
allerdings nicht, weil die USA diese gefährliche Technik allein
kontrollieren wollten.
Das „Truppendollar“-Konzept war von Anfang an absurd, denn die
Westdeutschen konnten weitere Waffen gar nicht gebrauchen. Die Bundeswehr
war damals eine hochmoderne Armee, der es nicht an Ausrüstung fehlte,
sondern an qualifiziertem Personal. Zudem wurden die Lagerhallen knapp,
sodass ältere Modelle schon wieder ausrangiert und an Nato-Partner wie
Griechenland oder die Türkei weitergereicht werden mussten.
## Die USA hielten die Westdeutschen für reich
In ihrer Not ging die Bundesrepublik dazu über, im Voraus zu bezahlen – und
das Militärgerät erst Jahre später zu bestellen. 1967 summierten sich diese
westdeutschen Vorauszahlungen bereits auf fast 1 Milliarde Dollar. Die
Bundesregierung hatte also umgerechnet 4 Milliarden D-Mark für Waffen
ausgegeben, die sie gar nicht benötigte.
Die USA bestanden dennoch auf den Bestellungen. Wichtig war allein, dass
die „Truppendollar“ wieder in die Heimat flossen und das Defizit in der
amerikanischen Zahlungsbilanz reduzierten. Erst 1976 lief das Abkommen aus
– nachdem die Bundesrepublik insgesamt rund 11 Milliarden D-Mark nach
Washington überwiesen hatte.
Exportüberschüsse sind gefährlich, denn sie wecken Begehrlichkeiten im
Ausland. Die USA hielten die Westdeutschen für reich, weil sie Devisen
anhäuften. Doch diese Debatten beruhten auf einem Irrtum: Im Bundeshaushalt
landete keine einzige Steuermark mehr, nur weil es Exportüberschüsse gab.
Im Gegenteil. Das permanente Plus im Außenhandel signalisierte, dass die
meisten Westdeutschen ärmer waren, als sie es hätten sein müssen. Denn die
Exportüberschüsse hatten damals die gleiche Ursache wie heute: Die
westdeutschen Löhne stiegen nicht so schnell wie die Gehälter im Ausland.
Statt „Truppendollar“ zu zahlen, wäre es besser gewesen, sich selbst höhe…
Gehälter zu gönnen. Vielleicht braucht es ausgerechnet Trump, damit die
Deutschen dies endlich verstehen.
8 Jun 2019
## LINKS
[1] /US-Praesident-Trump-in-London/!5600911
[2] /Deutschland-erhoeht-Ruestungsausgaben/!5596209
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Nato
John F. Kennedy
Exportüberschuss
Deutschland
Verteidigung
Türkei
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Bundesregierung
Donald Trump
Haushalt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Türkei kauft russisches Abwehrsystem: Die Angst der USA vor Spionage
Trotz US-Sanktionsdrohungen hat die Türkei das russische System S-400
angeschafft. Damit verabschiedet sie sich praktisch aus der
Nato-Luftabwehr.
Informationen ausländischer Stellen: Trump würde Auskünfte nutzen
US-Präsident Trump könnte sich vorstellen, Infos aus dem Ausland zu nutzen,
um dem politischen Gegner zu schaden. „Das machen alle“, sagte er.
Deutschland erhöht Rüstungsausgaben: Höchster Anstieg seit dem Kalten Krieg
Deutschland wird wegen seiner vergleichsweise niedrigen Rüstungsausgaben
von Nato-Partnern kritisiert. Nun meldet die Regierung stark gestiegene
Zahlen.
US- Präsident trifft Amtskollege Bolsonaro: Trump will Brasilien in der Nato s…
Donald Trump und Jair Bolsonaro sind zum ersten Mal zusammengekommen. Und
was kam dabei raus? Das südamerikanische Land soll ins nordatlantische
Bündnis.
Eckpunkte für den Haushalt ab 2020: Kein Geld für die Grundrente geplant
Finanzminister Scholz und die große Koalition wollen weitere vier Jahre
ohne Schulden auskommen. Das gefährdet Ziele etwa bei Sozialem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.