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# taz.de -- Bericht zu Fälschungen beim „Spiegel“: Das Relotius-Ressort so…
> Die hausinterne Kommission zum „Spiegel“-Skandal hat ihren Bericht
> vorgelegt. Sie hält das Gesellschaftsressort des Magazins für ein
> Kernproblem.
Bild: Laut Bericht schottet sich das Gesellschaftsressort gegen jede Kritik ab …
Fünf Monate nach dem [1][Skandal um die gefälschten Relotius-Reportagen]
hat der Spiegel seine eigene Erklärung zum Fall vorgelegt. Am Freitagmittag
veröffentlichte das Medienhaus den 17-seitigen [2][Bericht der
Untersuchungskommission] auf Spiegel Online. Der Bericht wird auch im
Spiegel-Magazin erscheinen.
Die Kommission sieht ein wesentliches Problem in der Struktur des
Spiegel-Gesellschaftsressorts und führt daher einige Überlegungen auf, wie
mit dem Ressort umzugehen sei. Diese Überlegungen sind keine Forderungen
der Kommission selbst, sondern existierten teils schon vor dem Skandal. Die
Kommission greift sie auf und stellt sie in dem Papier erneut zur Debatte.
Der radikalste der vier Vorschläge: „Das Gesellschaftsressort wird
aufgelöst, die Reporter wandern in die Ressorts und schreiben dort
Reportagen. Die Seiten des Gesellschaftsressorts werden den übrigen
Ressorts zugeschlagen.“ Die anderen Vorschläge beinhalten, das Ressort zu
schrumpfen, ihm die eigenen Seiten wegzunehmen oder die Leitung
auszuwechseln.
In der Struktur des Ressorts Gesellschaft – das de facto das
Reportageressort ist – sieht die Kommission einen systemischen Fehler, der
den Fall Relotius begünstigt habe. „Das Gesellschaftsressort hat im Haus
den Ruf, sich abzuschotten, auch gegenüber Kritik“, steht im Bericht. Das
passt zu bisherigen Veröffentlichungen, aus denen hervorging, dass das von
Matthias Geyer geleitete Ressort Relotius lange verteidigt habe, auch als
die Belege für seine Fälschungen sich häuften.
Die Kommission bezeichnet diese Vorschläge als „Überlegungen“, nicht als
Forderungen und betont: „Wir verzichten auf Zuweisung der einzelnen Ideen
auf bestimmte Personen.“
## Der Glaube an den „tollen Schreiber“
Das Papier ist der Abschlussbericht der offiziell eingesetzten
Untersuchungskommission Relotius. Aufgabe der Kommission war eine
schmerzhafte: die Arbeitsprozesse und die Personalstruktur im Spiegel
intern abzuklopfen auf so etwas wie systemische Fehler. Also alles, das zur
Fälschung ermutigen könnte, beziehungsweise verhindern könnte, das diese
erkannt werden. Die Kommission bestand aus Blattmacher Clemens Höges,
Nachrichtenchef Stefan Weigel und der früheren Chefredakteurin der Berliner
Zeitung Brigitte Fehrle. Höges rückte im April in die Chefredaktion des
Spiegel auf und wirkte daher nicht mehr in der Kommission mit. Weigel und
Fehrle setzten die Arbeit zu zweit fort.
Der Bericht rekonstruiert akribisch die Hintergründe des Falls und die
Abfolge seiner Enthüllung. Der Spiegel hat alle Texte Relotius' überprüfen
lassen sowie nach weiteren Fälschungen gesucht, hat Mitarbeiter*innen
befragt und Mailverkehr ausgewertet. Das Papier zeichnet eine Kette von
Versäumnissen und illustriert, wie der Glaube an den „tollen Schreiber“
Relotius stärker war als die Zweifel an seiner Arbeit. Es seien allerdings
keine Hinweise darauf gefunden worden, dass jemand im Haus von den
Fälschungen wusste, sie gedeckt habe oder an ihnen beteiligt gewesen sei.
Der „Fall Relotius“, wie der Fälschungsskandal beim Spiegel inzwischen
geläufig heißt, kam kurz vor Weihnachten ans Licht. Der mehrfach
preisgekrönte Spiegel-Reporter Claas Relotius hatte zugegeben, über Jahre
Geschichten mit erfundenen Fakten, Beobachtungen und sogar Personen
angereichert zu haben. Relotius' Spiegel-Kollege Juan Moreno war zuvor
misstrauisch geworden. Rekonstruktionen ergaben, dass es sich um wesentlich
mehr handelte als Ausschmückungen hie und da. Viele von Relotius'
Geschichten waren im Wesentlichen ausgedacht.
Das stieß zum einen [3][eine Debatte über die journalistische Textform
Reportage] im Allgemeinen an, zum anderen stürzte der Fall den Spiegel in
die Krise. Der Skandal beschädigte die berühmte Dokumentation, also die
Faktencheck-Abteilung des Magazins. Der Dokumentar, der für die
Relotius-Faktenchecks zuständig war, ist mittlerweile in den Vorruhestand
gegangen. Zudem gab es mehrere Personen in dem Hamburger Medienhaus, die
Relotius gefördert hatten – darunter Ullrich Fichtner, der eigentlich ab
diesem Jahr die Position als einer von drei Chefredakteur*innen besetzen
sollte.
Dazu kam es nicht. [4][Im März wurde bekannt], dass Ullrich Fichtner nicht
neuer Chefredakteur werden würde, sowie dass Matthias Geyer, ein weiterer
Relotius-Förderer, die Leitung des Gesellschaftsressorts abgibt.
Chefredakteur an Fichtners Stelle wird der schon angesprochene Clemens
Höges, der zusammen mit Barbara Hans und Steffen Klusmann den Spiegel
leitet.
24 May 2019
## LINKS
[1] /Faelschungsskandal-beim-Spiegel/!5560301
[2] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-relotius-abschlussber…
[3] /Der-Fall-Claas-Relotius-und-Journalismus/!5557396
[4] /Spiegel-nach-Relotius-Affaere/!5581335
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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