# taz.de -- Dänische Malerei in Hamburg: Tanz der Staubkörnchen | |
> Als das Licht die Süße des Südens ablegte: Die Hamburger Kunsthalle zeigt | |
> dänische Malerei des 19. Jahrhunderts. | |
Bild: Johan Thomas Lundbye, „Eine Wiese nahe des Arresø-Sees“ (1838) | |
Es ist schnell zu erreichen, vom deutschen Norden aus, es hat ein reiches | |
kulturelles Angebot – trotzdem steht Dänemark selten besonders im | |
Blickpunkt. Im derzeitigen Jubiläumsjahr der noch bis Sommer | |
direktorenlosen Hamburger Kunsthalle sind aber nun gleich zwei | |
Ausstellungen aus den Beständen eines dänischen Museums zu sehen. | |
Der sehr erfolgreiche Banker und Versicherungsdirektor Wilhelm Hansen | |
(1868–1936) hat für das wenige Kilometer nördlich von Kopenhagen in | |
Charlottenlund gelegene Ordrupgaard seit den 1890er-Jahren eine beachtliche | |
Sammlung aufgebaut, die seine Witwe Henny dem Staat vermachte. [1][Das 1953 | |
eröffnete Museum] in einem Park umfasst ein Herrenhaus mit Galeriegebäude, | |
Wintergarten und Stallungen sowie seit 2005 einen modernen Erweiterungsbau | |
der Star-Architektin Zaha Hadid. Da es zurzeit geschlossen ist, weil es | |
einen weiteren, größtenteils unterirdischen Anbau erhält, touren die | |
Sammlungen durch die Welt – und machen auch in Hamburg Station. | |
Noch bis September wird hier „Im Licht des Nordens“, eine Auswahl aus 100 | |
Jahren dänischer Kunst, gezeigt. Wilhelm Hansen hatte in 25 Jahren bis zu | |
140 Werke der dänischen Malerei des 19. Jahrhunderts zusammengestellt. Dazu | |
überkam ihn aufgrund vieler Reisen nach Paris auch ein Faible für | |
französische Malerei, von der er seit 1916 (Dänemark war im Ersten | |
Weltkrieg neutral) eine der besten Impressionisten-Sammlungen im Norden | |
aufbaute – [2][auch diesen Teil wird die Hamburger Kunsthalle | |
präsentieren]: ab November. | |
Mit viel schriftlichen Informationen in drei Sprachen werden die Besucher | |
nun nach Dänemark entführt und kommen zum Einstieg hinter der Wand mit | |
einem Großfoto der historischen Einrichtung der Villa des Sammlers | |
vielleicht etwas überraschend in Italien an. Denn die Malerei des dänischen | |
„Goldenen Zeitalters“ (etwa 1816 bis 1848) geht auf den Klassizismus | |
zurück, so wie auch das deutsche „Biedermeier“. Bildhauer wie Bertel | |
Thorvaldsen und Maler wie Christoffer Wilhelm Eckersberg – den die | |
Kunsthalle [3][vor drei Jahren] mit einer großen Ausstellung würdigte – | |
hatten sich nicht nur an der schon 1754 im Schloss Charlottenburg | |
gegründeten königlichen Akademie der Künste ausgebildet, sondern auch in | |
Rom. | |
Und so bilden die Kolonaden von St. Peter oder katholische Feste hier den | |
Einstieg in das bei der Rückkehr aus dem Süden von den Künstlern wieder neu | |
empfundene Licht des Nordens. Das fast quadratische Großbild von Peter | |
Christian Skovgaard ist ein gutes Beispiel: Hier ist über den Mauern des | |
bedeutenden königlichen Renaissanceschlosses Frederiksborg und dem Ausblick | |
in das landschaftliche Grün fast die Hälfte des Bildes einem blass | |
leuchtenden Himmel gewidmet. | |
Das einst fast ganz Skandinavien beherrschende Dänemark musste sich seit | |
dem 18. Jahrhundert immer weiter auf seine Kernlande zurückziehen. Und so | |
wurden speziell dänische Motive gesucht und gefunden. Nationalromantische | |
Perspektiven prägen das sogar heute noch wiedererkennbare und auch | |
touristisch vermarktete „typische“ und irgendwie „gemütliche“ („hygg… | |
Bild der dänischen Landschaft: Sommeridyllen in hügeligen, lichten | |
Landschaften, Buchenwälder und Küsten … Aber, es könnte auch | |
Schleswig-Holstein sein. | |
Immerhin begann Dänemark gleich hinter Hamburgs Stadtgrenzen – und die | |
Zeiten wurden konfliktreicher. Noch wurde Dänemark, ebenso das einst zum | |
dänischen Gesamtreich gehörende Norwegen, ganz selbstverständlich auch von | |
den Künstlern aus Hamburg bereist; die noch bis Mitte Juli im | |
Hubertus-Wald-Forum der Kunsthalle laufende Ausstellung zur „Hamburger | |
Schule“ des 19. Jahrhunderts zeigt auch das auf. Aber die | |
österreichisch-deutsch-preußischen Kriege gegen Dänemark von 1864 und 1866 | |
führten auch zur kulturellen Konfrontation. | |
## Nationalromantische Perspektiven | |
Ein weiterer Raum der fünf grauen Kabinette, in denen die nur 48 Bilder | |
umfassende Ausstellung inszeniert ist, präsentiert die Freilichtmaler von | |
der Insel Fünen. Sammler Wilhelm Hansen kannte einige der Künstler, die am | |
Ende des Jahrhunderts das ländliche Leben suchten, schon aus Schultagen. | |
Doch Landromantik und der Danebrog im Sommerwind waren nicht alles, | |
Kopenhagen pflegte den kulturellen Austausch. | |
1884/85 lebte Paul Gaugin in Kopenhagen, was dem mit ihm befreundeten | |
Theodor Philipsen in seiner besonderen Facette des dänischen | |
Impressionismus bestärkte. Vilhelm Hammershøis „Nähendes Mädchen“, das | |
Plakatmotiv der Ausstellung, wurde auf der Pariser Weltausstellung von 1889 | |
prämiert. Und die „Schellenten in einem Eisloch“ von Johannes Larsen | |
scheinen von Jugendstil und Japonismus beeinflusst. | |
Lauritz Andersen Ring dagegen ist am ehesten mit der Stil-Kategorie der | |
„Neuen Sachlichkeit“ zu fassen. Fensterbilder wie das, in dem sein Sohn | |
1925 sinnend auf den Dom von Roskilde, die Grablege der dänischen Könige, | |
blickt, bereiten auf den Höhepunkt der Ausstellung vor: neun Werke von | |
Vilhelm Hammershøi. Denn nun, knapp 90 Jahre nach dem ersten Bild der | |
Ausstellung, stimmt das Motto der Ausstellung wieder. | |
## Beinahe wissenschaftlich präzise | |
Aber das Licht des Nordens hat bei Hammershøis fast metaphysischen Ein- und | |
Ausblicken nicht nur die Süße des italienischen Südens abgelegt, sondern | |
auch die Klarheit des langen nördlichen Abends. Es ist mit dem neuen | |
Jahrhundert einerseits zu fast wissenschaftlicher Präzision erkaltet, wie | |
auch zu einem geradezu abweisenden Vorhang vor der Welt verdichtet. So wird | |
das pure Licht im Tanz der Staubkörnchen eingefangen. | |
Aber leicht kühl überschleierte Bilder führen auch die Räume mit | |
morandihaft matten Farbwerten in eine Vorform von Abstraktion. Und | |
Hammershøis Landschaftsbild vom „Dienstag-Wald“ ist gleichzeitig | |
erschreckend unspektakulär wie doch geheimnisvoll, so ein bisschen wie die | |
historisch aufgeladenen Alltagsorte beim aktuellen belgischen Maler-Star | |
Luc Tuymans. Ein Dänemark, das von mattem Licht wie überpudert ins Surreale | |
enthoben ist. | |
1 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ordrupgaard.dk | |
[2] https://www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/impressionismus | |
[3] /!5277269/ | |
## AUTOREN | |
hajo schiff | |
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