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# taz.de -- Pride-Monat in New York: Es brennt in Harlem
> Vor der New Yorker Bar „Alibi“ wurden Regenbogenflaggen angezündet.
> Plötzlich ist Homophobie in der LGBT-freundlichen Stadt wieder ein Thema.
Bild: Ganz New York ist im Juni im Gay-Pride-Fieber, wie hier bei der Parade 20…
New York taz | „Alles in Ordnung?“, fragt der Polizist in den kleinen
dunklen Raum mit der Diskobeleuchtung hinein. Er hebt eine Jacke vom Boden,
die einer Dame vom Barhocker gerutscht ist. Er zwinkert einem Kunden zu,
der seinen „Manhattan“ hebt, und tuschelt vertraut mit dem Barmann. Dann
verabschieden er und sein Kollege sich mit den Worten „wir kommen wieder“
und verlassen die „Alibi Lounge“. Vorbei an der nagelneuen Regenbogenfahne,
die ein unbekannter Gönner per Post geschickt hat. Es ist die erste Gay-Bar
im historischen schwarzen Stadtteil Harlem.
Ganz New York ist im Juni im Gay-Pride-Fieber. Die Stadt feiert das erste
halbe Jahrhundert der modernen LGBT-Bewegung, die vor einem halben
Jahrhundert mit Protesten gegen eine Polizeirazzia in Greenwich Village
begann. Doch wenige Stunden bevor in diesem Jahr die öffentlichen Gebäude
am 1. Juni die LGBT-Fahnen für den Monat hochzogen, zündete in Harlem
jemand die beiden kleinen Regenbogenfahnen an, die den Eingang zur „Alibi
Lounge“ flankierten.
Zum Glück regnete es und das Feuer konnte sich nicht ausbreiten. Die Gäste
im Inneren der Bar kamen mit dem Schrecken davon. Aber Barchef Alexi Minko
nahm die Sache ernst: „Bei dem gegenwärtigen Klima in diesem Land weiß man
nie.“
[1][Minko twitterte die Brandstiftung] vor der Schwulenbar in die Welt. Die
„Hate-Crime-Einheit“ der New Yorker Polizei nahm Ermittlungen wegen einer
mutmaßlich homophoben Straftat auf. Und die örtlichen politischen
WürdenträgerInnen erklärten ihr Entsetzen. Vom Bürgermeister über den
Gouverneur bis hin zu PräsidentschaftskandidatInnen. Die Fernsehsender
schickten Reporter nach Harlem. Und in der Stadt mit der weltweit größten
LGBT-Bevölkerung war Homophobie plötzlich wieder ein Medienthema.
## Ein normalisiertes Leben
„Hate Crime“ – Hassverbrechen ist ein großes Wort für zwei angekokelte
Fahnen. Und Barbesitzer Minko sagt, dass er sich in New York „völlig
sicher“ fühlt und dass er „nie“ in seinem Leben Homophobie erfahren habe.
Im letzten halben Jahrhundert hat sich das Leben für LGBTQ in New York
normalisiert. Mehr als eine Viertel Million New YorkerInnen nennen sich
heute stolz LGBTQ.
Aber Barbesitzer Minko weiß auch, was es bedeuten kann, wenn Minderheiten
attackiert werden. In seiner früheren Karriere hat er als
Menschenrechtsanwalt unter anderem in seinem Geburtsort im Gabun
gearbeitet. Dann setzte Ernüchterung ein und Ermüdung über einen
„200-Stunden-die-Woche-Job“.
Weil er mit dem Job auch sein Einkommen verlor, zog er aus dem Süden in den
billigeren Norden von Manhattan um, nach Harlem. Bei seinen Erkundungen
dort stellte er überrascht fest, dass es zwar „viele Schwule auf den
Straßen, aber keine einzige Schwulenbar“ gab.
Kurz vor der Eröffnung des „Alibi“ in Harlem im Juni 2016 richtete ein Mann
[2][in der Schwulendisko „Pulse“ in Orlando in Florida ein Massaker an]. 49
Menschen kamen ums Leben. Minko verschob seine Eröffnung um eine Woche.
Seither steht er sieben Tage die Woche im „Alibi“ und plaudert auf
Englisch, Französisch und Deutsch mit seinen Gästen. Am späten Abend hat er
manchmal halbnackte Tänzer. Sein Publikum ist gemischt. Männer und Frauen.
LGBT- und Straight People. Alteingesessene schwarze Harlemites und weiße
New Yorker.
„Ich bin so enttäuscht“, sagt die 42-jährige Lydia Dones. Normalerweise
meidet sie den Trubel im New Yorker Gay-Pride-Monat. So wollte sie es auch
in diesem Jahr halten, in dem New York die „Global Pride“ organisiert. Aber
als sie die Nachricht von dem Brandanschlag hörte, musste sie kommen: „Um
zu zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen.“
Sie ist in New York aufgewachsen. Ihr eigenes Coming-Out Anfang der 90er
Jahre war bitter. Zwei Mitschüler verprügelten sie. Dones, die später
Türsteherin, dann Barfrau in der Lesbenkneipe „Henrietta“ wurde, ist bis
heute überzeugt, dass die beiden Jungen unterdrückte Schwule waren.
Ähnliche Motive vermutet sie auch bei dem bislang Unbekannten, der vor dem
„Alibi“ gezündelt hat. Sie nennt es „Sachbeschädigung“ und sie glaubt…
der Täter vor allem Hilfe braucht, um sich selbst zu akzeptieren.
4 Jun 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/aleximinkoshow
[2] /Eindruecke-aus-Orlando/!5309250
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
New York
Pride Parade
Schwerpunkt LGBTQIA
Harlem
Gay Pride
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Christopher Street Day (CSD)
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