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# taz.de -- „Roads“ von Sebastian Schipper: Buddys auf Sinnsuche
> Straßen als Lebenswege: Sebastian Schippers „Roads“ ist ein politischer
> Film über zwei ungleiche Freunde, die unterwegs ihre Traumata überwinden.
Bild: Gyllen (Fionn Whitehead, r.) und William (Stéphane Bak) finden unterwegs…
Für Gyllen (Fionn Whitehead) aus London, der nach einem Familienstreit beim
Urlaub in Marokko das Wohnmobil des Stiefvaters klemmt, riecht die Nacht
nach Abenteuer: Der knapp 18-Jährige beabsichtigt, das stattliche Fahrzeug
nach Frankreich zu steuern, um dort seinen leiblichen Vater zu besuchen.
Für William (Stéphane Bak) aus dem Kongo, der sich illegal in Marokko
aufhält, geht es um etwas anderes: Der junge Mann sucht nach seinem Bruder,
der es als Geflüchteter angeblich bis Europa geschafft hat.
„Roads“ sind neben Straßen auch Lebenswege. Und meint die unterschiedlichen
Hintergründe der beiden, den touristisch-freien des jungen Europäers, und
den „illegalen“ des Afrikaners. Dabei wirkt es zunächst, als sei Gyllens
Tour zu Ende, bevor sie losgeht: In der ersten, nächtlichen Szene steht er
in wachsender Panik vor dem Vehikel und ruft Freunde an, um sich Tipps zum
Wohnmobilstarten geben zu lassen – er kriegt es nicht mehr an. William
dagegen, der ihn beobachtete, braucht nur einen Griff.
Auf dem Roadtrip, der sie von Marokko über Spanien bis nach Frankreich
führt, freunden sich die beiden an. Sie fahren, reden, feiern, und (nach
der Begegnung mit einem zwielichtigen, von Moritz Bleibtreu überspielten
Hippiekurier) kiffen, sie finden peu à peu heraus, was sie eint, was sie
trennt und was sie umtreibt.
Geschickt bedient sich Regisseur und – mit Oliver Ziegenbalg –
Co-Drehbuchautor Sebastian Schipper des Roadmovies, der Handelnde
traditionell in eine Fahrerkabine einsperrt, ihre Aktionen so konzentriert
und dennoch, aufgrund des wortwörtlichen „Drives“, nie steckenbleibt. Denn
es rollt weiter, Land für Land, Freundschaftsstufe für Freundschaftsstufe,
und Wahrheit für Wahrheit.
## Eine Freundschaft, die Sinnlichkeit zulässt
Dass die Protagonisten Traumata überwinden, zu persönlichen Einsichten
gelangen müssen, verwebt der Film mit der zurückgelegten Strecke. Doch
während Gyllen sich selbst etwas vorgemacht hat, hängt bei William die
Erfahrung mit den Verhältnissen zusammen. Folgerichtig, denn William, und
das ist die gesellschaftlich relevante Ebene der Buddy-Konstruktion, wurde
eben im Kongo geboren – und hat somit keine Vollmacht, für seine Suche nach
der Erkenntnis (oder einem verschollenen Bruder) nach Gutdünken auf den
Straßen Europas zu wandeln.
So wird „Roads“ zudem ein politischer Film, der in den Beschreibungen der
Freundschaft sogar Sinnlichkeit zulässt. Und dessen dramaturgisches Gerüst
an manchen Stellen dennoch etwas konstruiert wirkt, weil Motive nicht klar
sind – wer wann, wo und mit wem gerade die „große Aussprache“ oder den
„großen Streit“ sucht, das erschließt sich nicht immer aus den
Entwicklungen, die William und Gyllen durchlaufen. Andererseits: Was junge
Menschen anstellen, muss auch nicht immer hundertprozentig Sinn ergeben.
2 Jun 2019
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
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