Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Eier: Märchen von männlicher Mehrheit
> Kinder kritzeln gern ihre HeldInnen auf Papier. Aber wie erschafft man
> eine Gruppe, die nicht nach dem Anführerprinzip organisiert ist?
Bild: Wenn Kinder malen, lassen sie ihrer Fantasie freien Lauf, oder?
Mit dem Plagiieren hatte ich als Kind kein Problem. Ich saß für gewöhnlich
inmitten aller Kugelschreiber, die ich hatte finden können und kritzelte
die Heldinnen und Helden meiner Fantasie auf Altpapier. Diese waren
schamlose, kaum abgewandelte Kopien der Zeichentrickfiguren, die ich im
Fernsehen sah. Meine ganz eigenen Traumwelten waren gezogen und geklaut,
aber das hat mich damals nicht gestört. Hauptsache ich hatte mein
Paralleluniversum aus PokéDigimonHarryPotterSailorMoon-Ideenklau. „Das Kind
hat so viel Fantasie“, sagten die Erwachsenen, die meine Zeichnungen sahen,
aber nicht mein Kinderprogramm. Die Armen.
Was ich dabei nebenbei gelernt habe ist, die erzählerischen Strukturen
meiner Kinderprogramme zu reproduzieren. Ich lernte, dass ein Team von
Zeichentrickfiguren immer einen Anführer braucht, einen Helden. Der ist als
Person ein bisschen langweilig, weil er sich für gewöhnlich über die
langweiligsten menschlichen Charaktereigenschaften definiert. Meistens Mut.
Drumherum agieren Figuren, die aber in der Charakterentwicklung etwas flach
bleiben.
Da ist der Ängstliche, die Eitle, der mit den Wutanfällen, und so weiter.
Das ist bei den X-Men so, in der Pokémon-Zeichentrickserie, bei Harry
Potter, bei den Digimon machten sie es sogar explizit. Meine gekritzelten
Abklatsche übernahmen diese Struktur. Und zwar ausnahmslos. Ich habe mich
nie die Bohne für den langweiligen, mutigen, männlichen Anführer
interessiert. Aber ich habe immer einen entworfen.
Und was ich natürlich auch übernommen habe, quasi als Naturgesetz der
Kinderserie: dass es unbedingt eine männliche Mehrheit im [1][Team] geben
muss. Ich kannte keine Serie, wo männliche und weibliche Hauptfiguren auch
nur gleichauf waren. Immer gab es zumindest eine Person männlichen
Überhang, meistens mehr. Ausnahme waren allein „Mädchenserien“ mit dann
rein weiblichen Teams (gerne dann mit dreimal unterstrichener Weiblichkeit
wie bei Sailor Moon oder Xena).
## Galaxien voll Geschichten
Ich habe von Mitte der Neunziger bis Mitte der 2000er wahrscheinlich
dreieinhalb Galaxien voll Geschichten und Figuren entworfen. Manche sind
auf Zetteln festgehalten, die überwiegende Mehrheit bloß noch in
Erinnerungsfetzen. Ich hab mich mit dem Entwerfen ganzer Städte befasst, in
denen meine Figuren agieren können, Fahrzeuge und Waffen gemalt, einmal
sogar eine Sprache erfunden.
Aber ich habe es nie hingekriegt, einen Handlungsstrang zu entwerfen, in
dem gleich viele oder gar mehr Frauen als Männer agieren. Oder eine Gruppe
von Figuren, die nicht nach dem Anführerprinzip organisiert ist. Es ist
schwierig, selbst für ein Kind mit überlaufender Fantasie, sich aus den
eingespielten Mustern des Geschichtenerzählens zu lösen.
Und weil man sich im realen Leben manchmal auch von Fantasien leiten lässt,
ging es außerhalb meiner Zettel weiter. Ich war längst in meinen
Zwanzigern, da fand ich es immer noch verdächtig, wenn mein Freundeskreis
nicht mehrheitlich aus Männern bestand.
Warum das ein Problem sein sollte, das wusste ich natürlich auch nicht.
Aber irgendetwas daran fühlte sich falsch an. Hätte ich mal ein bisschen
Fantasie gehabt.
18 May 2019
## LINKS
[1] http://www.nickjr.de/paw-patrol/videos/108-Der-beste-Feuerwehrhund/
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Kinder
Pokemon
Eier
Eier
Eier
Eier
Eier
Eier
Aufräumen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Angebliche Männerfeindlichkeit: Die Zahnrädchen drehen sich weiter
Ein paar Politikerinnen auf prominenten Posten bedeuten noch keine
Frauenherrschaft. Wir müssen uns um die Männer wirklich keine Sorgen
machen.
Oben ohne: Kleine Brustwarzenkunde, Teil 2
Badekleidung muss die Nippel nicht bedecken. Das entscheidet der Münchner
Stadtrat auf Antrag der CSU-Fraktion. Gilt aber nur an der Isar.
Kolumne Eier: Nippleplay für Anfänger
Die weibliche Brustwarze gilt weiterhin als anstößig. Die männliche
hingegen wird vernachlässigt. Fünf Tipps zu Verwendung und Präsentation.
Kolumne Eier: Gewicht, Größe, … Punkt!
Ein Neugeborenes braucht so einiges – ein Geschlecht ist dabei am wenigsten
dringend. Trotzdem wollen alle erst mal nur das wissen.
Kolumne Eier: Liebe dich selbst, Mann
Männer haben Angst davor, dass durch Quoten ihre Leistungen und Verdienste
aberkannt werden. Diese Furcht vergiftet die Diskussion.
Kolumne Eier: Männlichkeit aufräumen
Wer aufräumt, stellt seine innere und äußere Ordnung wieder her. Hier sind
fünf Schritte, wie Sie Ihre Männlichkeit aufräumen können.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.