# taz.de -- Kolumne Eier: Gewicht, Größe, … Punkt! | |
> Ein Neugeborenes braucht so einiges – ein Geschlecht ist dabei am | |
> wenigsten dringend. Trotzdem wollen alle erst mal nur das wissen. | |
Bild: Das Geschlecht ist ab Tag 1 hochbedeutsam. Die Schnullerfarbe muss schlie… | |
Man fragt sich, warum eine Horde Erwachsener monatelang Lätzchen, Söckchen, | |
Deckchen und Bärchen gesammelt und gestrickt hat, als wäre das die | |
prioritäre Ausstattung für ein neues Baby. Im Säuglingshauptquartier, | |
wenige Tage nach der Niederkunft, liegen vor allem hygienische Unterlagen, | |
Verbände, Knabberzeugs, kanisterweise Wasser und Tuppertürme gefüllt mit | |
hochwertigen Kohlehydraten. Und ein hoffentlich zufriedenes Menschlein. | |
Sie erraten es, hier kommt schon wieder [1][ein Kindertext]. An Ostern habe | |
ich ein Patenkind bekommen und natürlich schreibe auch ich mein Glück | |
sofort in die Zeitung. Herzlich willkommen, Mausebaby! | |
Mausebaby ist nämlich für’s Erste der Name des Kindes. Sie könnten daraus | |
jetzt ein Geschlecht schließen – oder daraus schließen, dass ich Sie in | |
Sachen Geschlecht auf die falsche Fährte locken will. Das hat seinen Grund. | |
Die Eltern haben das Geschlecht des Babys während der Schwangerschaft | |
nämlich nicht verraten, die Mutter selbst wusste es auch nicht. Und als | |
Mausebaby dann da war, haben sie glücklich verkündet: Gewicht, Größe, alle | |
gesund … Punkt. Und da fing bei vielen die Irritation an. Ja, was denn nun? | |
Bei einigen anderen im Freundeskreis hatte das Unverständnis schon früher | |
angefangen: Wie, du kennst das Geschlecht nicht? Woher wisst ihr denn, was | |
ihr einkaufen sollt? Stimmt, die Frage, ob Drachen- oder Feentapete, ist | |
natürlich die drängendste, wenn man gerade einen Mensch in sich herstellt. | |
Ein bisschen dezenter und auch nicht weniger aussagekräftig die Frage: Und, | |
was wird’s? Klar, das ist auch so eine Ritualfrage wie „Und, wie geht’s?�… | |
Irgendwas muss man ja fragen. Ist schon okay. Aber warum eigentlich? | |
[2][Der ganze Genderkram] geht doch ohnehin erst viel später los. Natürlich | |
will niemand der Beteiligten das Kind „geschlechtslos“ erziehen, denn so | |
viel Macht hat man als Eltern nicht. Aber die binären Stereotype werden | |
früh genug auf Mausebaby einprasseln, muss man damit schon vor, während | |
oder unmittelbar nach der Geburt anfangen? So ein Neugeborenes braucht eine | |
Menge Zeug, und eine Menge Dinge sind wichtig und müssen beachtet werden, | |
damit es Kind und Mutter gut geht. Das Geschlecht gehört nicht dazu. | |
Und trotzdem konnte ich meine eigene und die Frustration der anderen | |
Freund*innen spüren, als uns diese Eltern doch tatsächlich auch nach der | |
Geburt noch verweigerten, ihr Kind endlich in unsere ganz persönlichen | |
Gedankenkistchen von Männlein und Weiblein einkuscheln zu können. Größe, | |
Gewicht, alle gesund. Wäre ein Grund zur Freude. War es auch. Und doch | |
blieb das Gefühl: Menno, da fehlt doch noch was. | |
Mittlerweile hat das Kind einen Geschlechtseintrag und einen binär | |
eindeutigen Namen bekommen. Für’s Erste. Vielleicht ändert es sich ja mal. | |
Bleiben werden die wirklich wichtigen Dinge. | |
Herzlich willkommen, Mausebaby! | |
28 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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