| # taz.de -- Kommunalwahlen in Spanien: Madrid, du wunderbare | |
| > Madrids linksalternative Bürgermeisterin kämpft um Wiederwahl. Ein | |
| > Bündnis aus Konservativen und Rechtsextremen steht ihr entgegen. | |
| Bild: Hoffen auf „Mehr Madrid“: Manuela Carmena und Iñigo Errejón | |
| Madrid taz | In Spanien redet kaum jemand über die Europawahlen. Und doch | |
| erwarten die MeinungsforscherInnen eine Wahlbeteiligung, die weit über | |
| EU-Schnitt liegt. Der Grund ist nicht etwa die Europabegeisterung der | |
| Spanier. Sie hat nach Jahren der Austeritätspolitik deutlich gelitten. | |
| Schuld ist vielmehr der „Superwahlsonntag“. | |
| Denn am 26. Mai werden nicht nur die 54 Abgeordneten für Straßburg gewählt, | |
| sondern in großen Teilen des Landes die Regionalregierungen und in den über | |
| 8.000 Kommunen Spaniens die Gemeinde- und Stadträte und damit die | |
| BürgermeisterInnen. Letzteres mobilisiert die Menschen an die Urnen, vor | |
| allem in den großen Städten. | |
| Viele von ihnen zählen seit 2015 zu den sogenannten „Rathäusern des | |
| Wandels“. Damit sind die Stadtoberhäupter linksalternativer | |
| BürgerInnenlisten rund um Podemos gemeint, [1][allen voran die pensionierte | |
| Richterin Manuela Carmena] in Madrid und die [2][Aktivistin gegen | |
| Zwangsräumungen Ada Colau] in Barcelona. Beide wollen ihr Amt verteidigen, | |
| und für beide wird es knapp. Das mobilisiert AnhängerInnen und GegnerInnen | |
| gleichermaßen an die Urnen. | |
| In Madrid zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der 75-jährigen | |
| linksalternativen Carmena, die derzeit noch zusammen mit der | |
| sozialdemokratischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE) die Mehrheit | |
| halten, und einer Koalition aus der konservativen Partido Popular, den | |
| rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox ab. | |
| ## Neues Wahlbündnis | |
| Carmena hat eigens für die Wahlen ein neues Bürgerbündnis um ihre bisherige | |
| Regierungsmannschaft gegründet. „[3][Más Madrid]“ („Mehr Madrid“) bes… | |
| aus Teilen von Podemos, Mitgliedern der grünen [4][Equo] sowie unabhängigen | |
| AktivistInnen aus allerlei Bewegungen. Außen vor blieben | |
| AntikapitalistInnen und KommunistInnen sowie kommunalpolitische | |
| AktivistInnen, mit denen sich die frühere Kommunistin in den vier Jahren | |
| ihrer Amtsführung überworfen hatte. | |
| MM tritt auch in den restlichen Gemeinden der Region Madrid und auch bei | |
| den Regionalwahlen an. Dort ist der Spitzenkandidat Iñigo Errejón (35), | |
| einst Nummer Zwei von Podemos. Er – und mit ihm rund 40 Prozent der | |
| Madrider Basis – haben die Partei verlassen, weil ihnen [5][der politische | |
| Kurs von Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias] missfiel. | |
| Der setzt seit längerem bereits auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem | |
| kommunistisch dominierten Parteienbündnis Izquierda Unida. Bei der | |
| spanischen Parlamentswahl Ende April kandidierten denn auch [6][Podemos] | |
| und die [7][Izquierda Unida] gemeinsam unter dem Namen „Unidas Podemos“ | |
| („Vereint Können Wir“). | |
| MM versucht hingegen das wieder zu beleben, was einst Podemos ausmachte. | |
| Die Liste richtet sich an die breite Bevölkerung. Statt um „links und | |
| rechts“ geht es in den Wahlkampfreden wieder populistisch um „oben und | |
| unten“, statt linker Bekenntnisse um „den gesunden Menschenverstand“, wie | |
| ihn [8][einst die Empörtenbewegung propagierte.] | |
| Wie auch Podemos werben Carmena und Errejón insbesondere um junge Menschen, | |
| um WählerInnen mit ökologischem und feministischem Selbstverständnis, um | |
| ImmigrantInnen sowie um die in Madrid sehr starke LGBTI*-Bevölkerung. All | |
| diesen Kollektiven ist eines gemein: Sie haben Angst vor einem | |
| Rechtsrutsch, der die Errungenschaften der letzten Jahre einzuschränken | |
| droht. So wollen die drei Rechtsparteien die Stadt wieder für den | |
| Privatverkehr öffnen, im Gesundheits- und Bildungsbereich weiter | |
| privatisieren und die alljährliche größte CSD-Europas aus der Innenstadt | |
| verbannen. | |
| ## Unkonventioneller Wahlkampf | |
| Aus der Not geboren setzt MM auf einen unkonventionellen Wahlkampf. Obwohl | |
| ein Großteil der KandidatInnen bereits im Stadtrat und im Regionalparlament | |
| sitzt, stuft die Wahlbehörde die Liste als neue Partei ein. Damit darf sie | |
| keine Wahlplakate an Straßenlaternen aufhängen. | |
| Als dies bekannt wurde, meldeten sich in nur wenigen Tagen über 20.000 | |
| BürgerInnen und stellten ihre Balkone zur Verfügung. Dort prangen jetzt die | |
| Bilder von Carmena und Errejón. Die Transparente werden per Crowdfunding | |
| finanziert; der restliche Wahlkampf mittels Minikrediten, die BürgerInnen | |
| gewähren. | |
| Wer durch die Straßen Madrid läuft und nach Wlan sucht, stößt immer | |
| häufiger auf Netze mit dem Namen #VotaMásMadrid („Wähle Más Madrid“). | |
| „Digitaler Balkon“ nennt dies das junge Wahlkampfteam von Carmena und | |
| Errejón. Anleitungen, um den Namen des heimischen Router zu ändern, | |
| zirkulieren auf Twitter und Facebook. | |
| Nach den jüngsten Umfragen liegt MM bei den Stadtratswahlen deutlich vor | |
| dem Partido Popular, zusammen mit der PSOE könnte es knapp erneut für eine | |
| Mehrheit reichen. In den Umfragen für die Regionalwahl liegt die PSOE | |
| derzeit vorne und hat gute Chancen, gemeinsam mit Más Madrid und Podemos – | |
| die hier, anders als bei den Stadtratswahlen, gegeneinander kandidieren – | |
| erstmals seit 1995 die rechte Regionalregierung abzulösen. | |
| Ada Colau in Barcelona muss ihren Posten nicht gegen die Rechte verteidigen | |
| sondern gegen die BefürworterInnen der Unabhängigkeit Kataloniens, speziell | |
| gegen die Republikanische Linke Kataloniens (ERC). In Umfragen liegt Colaus | |
| Liste Barcelona [9][En Comú] („Barcelona Gemeinsam“) mit ERC gleich auf. | |
| Weit abgeschlagen noch hinter den SozialistInnen auf Platz vier liegen die | |
| rechtsliberalen Ciudadanos, die den ehemaligen französischen | |
| Ministerpräsidenten Manuel Valls ins Rennen schicken. Bis vor zwei Jahren | |
| hatte Valls noch in Frankreich der Parti Socialiste angehört. | |
| 15 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.arte.tv/de/videos/069222-000-A/das-leben-von-manuela-carmena/ | |
| [2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/ada-colau-buergermeisterin-von-barcelo… | |
| [3] https://www.comunidadmasmadrid.org/ | |
| [4] http://partidoequo.es/ | |
| [5] /Parlamentswahl-in-Spanien/!5590725 | |
| [6] https://podemos.info/ | |
| [7] https://izquierdaunida.org/ | |
| [8] /Protestbewegung-in-Spanien/!5067449 | |
| [9] https://barcelonaencomu.cat/ | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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