Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Mindestlohn für Azubis: Notwendige Mindeststandards
> Der Zentralverband des Handwerks wettert gegen die Mindestvergütung für
> Azubis. Dabei sollten sie froh darüber sein.
Bild: Mit einem Mindestlohn für Auszubildende soll die Werkbank wieder attrakt…
Die derzeitigen Jobprioritäten von Auszubildenden kann man ungefähr so auf
den Punkt bringen: Sie wollen eher keine Schweinehälften mehr zerteilen
oder um vier Uhr morgens Teig kneten, sondern lieber in einem
Industriebetrieb oder im Büro arbeiten. Das hat auch mit der deutlich
niedrigeren Bezahlung im Handwerk zu tun.
So ist es richtig, dass Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU)
[1][per Gesetz eine Untergrenze] von 515 Euro im ersten Ausbildungsjahr
einziehen will. Weitere Erhöhungen sollen folgen. Damit werden die harten,
aber schlecht bezahlten Ausbildungsberufe ein bisschen attraktiver. Bevor
[2][Karliczek] als soziale Vorkämpferin gefeiert wird: Sie erfüllt
lediglich den Koalitionsvertrag, in dem ein Azubi-Mindestlohn für diese
Legislaturperiode angekündigt wird.
Der Zentralverband des Handwerks wettert routinemäßig, dass das Gesetz ein
„schwerer Eingriff in die gelebte Betriebs- und Tarifautonomie“ sei. Das
ist bloße Rhetorik. Die Tarifautonomie – der Staat hält sich heraus und
überlässt Arbeitgebern und Gewerkschaften die Lohnabschlüsse – funktioniert
immer weniger, weil die Tarifbindung in Deutschland kontinuierlich
zurückgeht. Wenn die Tarifparteien nicht in der Lage sind, durch
einigermaßen attraktive Azubi-Vergütungen die schmutzigen und harten Berufe
– Berufe, die keiner machen will, nach deren Produkten aber die
Gesellschaft verlangt – attraktiv zu halten, muss der Staat
Mindeststandards setzen.
Die Handwerks-Lobbyisten sollten dem angedachten Gesetz dankbar sein: Wer
glaubt, dass die so genannten geburtenschwachen Jahrgänge angesichts einer
Vielzahl beruflicher Alternativen Berufsausbildungen für unter 500 Euro
freiwillig wählen, darf sich nicht wundern, wenn Handwerksbetriebe mangels
Nachwuchses schließen. Nur nebenbei: Die 515 Euro haben nicht
Ministerialbeamte ausgewürfelt; auf diese Zahl haben sich Gewerkschaften
und Arbeitgeber in Verhandlungen vorab geeinigt. Karliczek hat die
Untergrenze nur übernommen.
Die Gelackmeierten aber sind die Auszubildenden, die auf der Basis von
Tarifverträgen arbeiten, die unterhalb des jetzt angekündigten Niveaus
liegen. Diese Tarifverträge sollen weiter gelten – das ist der Kompromiss
mit den Arbeitgebern, um zu zeigen, dass die sakrosankte Tarifautonomie bei
Azubis immer noch gilt, ein bisschen jedenfalls.
Im vergangenen Jahr hat die Gewerkschaft Verdi Tarifverträge für
Friseur*innen ausgehandelt – in einigen ostdeutschen Bundesländern bekommen
sie im ersten Ausbildungsjahr unter 400 Euro. In anderen Branchen in
Ostdeutschland sieht es kaum besser aus. In diesem Jahr, dem 30. Jahrestag
des Mauerfalls, wird es von der Bundesregierung viele salbungsvolle Reden
zur deutschen Einheit geben. Wenn die Bundesregierung es ernst damit meint,
sollte sie die Ausnahmeregeln dringend streichen.
14 May 2019
## LINKS
[1] https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/mindestlohn-fuer-auszubildend…
[2] /Referentenentwurf-zur-Bildung/!5564785
## AUTOREN
Gunnar Hinck
## TAGS
Duale Ausbildung
Wirtschaftsministerium
Bildungsministerium
Gewerkschaft
Handwerk
Psychotherapie
Geflüchtete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abgeworbene Azubis: Oberster Handwerker fordert Ablöse
Deutschlands oberster Handwerker findet: Ausbildungsbetriebe gehören
entschädigt, wenn Azubis nach der Lehre die Firma wechseln.
Studiengang Psychotherapie: Höherer Verdienst in der Ausbildung
Gesundheitsminister Spahn (CDU) reformiert die Psychotherapieausbildung.
Der Gesetzentwurf ist im Kabinett abgestimmt.
Berufsausbildung für Migranten: Eine Frage der Folgeperspektive
Junge Geflüchtete müssen in Hamburg an einer Vorbereitungsmaßnahme für eine
spätere Ausbildung teilnehmen. Der Schulsenator zieht Bilanz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.