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# taz.de -- Erobique spielt House in Hamburg: Der Disco-Gottschalk
> Carsten „Erobique“ Meyer gibt vor 3.000 ZuschauerInnen im Hamburger
> Stadtpark den Samstagabend-Entertainer mit grandiosem Disco-House.
Bild: Erobique: Auch abseits der Bühne ein Entertainer
Hamburg taz | Bei einem TED-Talk erzählte Carsten Meyer, wie das alles
anfing mit dem Entertainer-Ding. Wie er als Achtjähriger bei einem
Klavier-Vorspiel Bach darbieten sollte und es vollkommen vergeigte. „Man
kann dann aufgeben und anfangen zu weinen“, erinnert sich Meyer. „Oder man
spielt einfach weiter, irgendwas, was gut klingt, und hofft, dass keine
Experten im Publikum sind.“
Meyer, geboren 1972 in Westfalen, hat eine ganze Karriere darauf aufgebaut,
Bühnen stets unvorbereitet zu betreten. Mit seinem Künstler-Alias Erobique
begann er vor mehr als zwanzig Jahren als DJ. Ende der Neunziger ging er
auf Tour mit den Anarcho-Rappern von Fischmob und startete mit zweien von
ihnen das ziemlich schlaue, ziemlich lustige House-Projekt International
Pony.
Später zahlten ihm Aufträge für verschiedene Theater die Miete; sein
Soundtrack für „Der Tatortreiniger“ wurde von den Feuilletons gefeiert. Und
wenn der Mann mit dem Walrossschnauz, Hamburger seit Jahrzehnten, nun ganz
offiziell zur „großen Gartenparty“ lädt, lässt sich seine Wahlheimat nic…
lange bitten. Trotz Temperaturen unter 14 Grad ist das Halbrund vor der
Freilichtbühne im Barmbeker Stadtpark gut gefüllt.
Erobique schlurft auf die in schlichtes Schwarz gehaltene Bühne, quasi
unbemerkt vom Publikum, das noch mit Klönschnack beschäftigt ist. Die große
Geste ist nicht die seine: keine Fanfaren, kein wirbelnder Laser, und den
Trockeneisnebel hat er ganz offensichtlich auch nicht bestellt („Hey, ich
wollte doch die Sonne sehen!“).
## Sommer komm raus, du bist umzingelt
„Herzlich Willkommen auf meiner Gartenparty / Ich hoffe, ihr seid gekommen
mit Kind und Kegel, Mutti, Vati“, sprechsingt Carsten Meyer und spielt ein
paar perlende Barpiano-Akkorde. Üblicherweise bespielt Erobique kleine und
Kleinstläden aus dem alternativen Hamburger Party-Umfeld: Pal, Pudel,
Hamburger Botschaft. Nun sind fast 3.000 Menschen gekommen, es ist sein
wohl größter Headliner-Gig in Hamburg bislang. Background-Sängerinnen?
Gast-Rapper? I-wo. Turntables, Synthies, ein paar Keyboards und ein Mikro
müssen reichen.
„Sommer komm raus, du bist umzingelt“, singt Erobique, doch die Sonne lässt
sich nur erahnen. Dann reicht es mit Barpiano, ansatzlos four to the floor
geht es weiter, mit des Künstlers liebstem Sound: dem Disco-House. Es ist
Samstagabend, und Meyer hat nur bis 22 Uhr, sonst drohen Strafen wegen
Störung der Barmbeker Nachtruhe. Also spielt er keine Balladen, keine
Hochzeits-Oldies, sondern HOUSE, mit Großbuchstaben, einmal wird
ausführlichst Blondies „Heart of Glass“ zitiert.
## Der freundliche Entertainer
Gerne wird das FAZ-Bonmot „lebende Diskokugel“ bemüht, um Erobique zu
beschreiben, zuweilen wird er auch als „Disco-Punk“ bezeichnet. Dabei hat
sein Habitus nichts von dem eines Zerstörers. Schon eher ist Erobique ein
Disco-Gottschalk: ein freundlicher Entertainer, der ab und zu alberne Witze
macht und bei dessen Anblick sich Instant-Entspannung einstellt; ein Typ,
der für leichte Samstagabendunterhaltung steht.
Meyer bestätigte das vor zwei Jahren im taz-Gespräch: „Bei mir gibt es
keinen intellektuellen Überbau, eher die Befreiung davon. Es ist relativ
simpel: Die Leute wollen ausgehen, eine gute Zeit haben und tanzen.“
Die Wiese im Halbrund ist längst ein Dancefloor, die Stimmung im Publikum,
zumeist zwischen 30 und 50, wird immer gelöster. „Schön, dass ihr bei
meinem Love-In dabei seid“, ruft Erobique und läuft zum Melodica-Solo an
den Bühnenrand. Seine Hits werden lautstark mitgesungen: „Easy Mobeasy“,
„Überdosis Freude“ und natürlich „Urlaub in Italien“.
Ein Ohrwurm-Refrain in Perfektion, obendrein dank des Zusatzes „mit den
Eltern 86“ mit der richtigen Portion Gottschalk-Nostalgie versehen.
Erobique mag auch diesmal unvorbereitet gewesen sein, doch ob Experten im
Publikum sind, braucht ihn heute nicht zu interessieren: die 3.000 sind
glücklich. Nächstes Jahr will er wieder kommen.
27 May 2019
## AUTOREN
Jan Paersch
## TAGS
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