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# taz.de -- Parents 4 Future im Interview: „Mama, das ist jetzt unsere Demo!�…
> Linda Becker engagiert sich bei den Parents 4 Future. Ein Gespräch über
> junge Selbstermächtigung, pubertäre Abgrenzung und Zement aus Indonesien.
Bild: „Das, was hier auf dem Planeten passiert, ist doch viel wichtiger“
taz: Frau Becker, finden Sie es okay, wenn Ihre Tochter jeden Freitag den
Unterricht verpasst?
Linda Becker: Das, was hier auf dem Planeten passiert, ist doch viel
wichtiger. Es ist wirklich schlimm, dass Kinder Repressionen befürchten
müssen, wenn sie für ihre Zukunft kämpfen – obwohl sie die Probleme nicht
einmal verursacht haben. In der Schule meiner Tochter werden die Streiks
von der Leitung nicht gerne gesehen. Sie hat bis zu einem gewissen Punkt
mitgemacht und dann für sich selber entschieden, dass sie wieder zur Schule
gehen will und das ausbalancieren möchte. Damit habe ich kein Problem: Ich
bin nicht diejenige, die ihr da vorschreibt, was sie zu tun oder zu lassen
hat.
Wie sind Sie selbst zu den Parents 4 Future gekommen?
Ich habe Gretas erste Reden in Polen auf YouTube gesehen und war total
beeindruckt. Ich habe gedacht: Endlich spricht mal jemand das aus, was
passiert. Darüber bin ich dann auch auf die Fridays for Future aufmerksam
geworden. Bei meinem ersten Treffen fand ich es schön, dass endlich normale
Leute auf das Klimathema reagieren, denn das habe ich in den Jahren davor
sehr vermisst. Ich habe mich immer gewundert, wieso nichts passiert, obwohl
das Problem so dringend ist.
Wieso haben Sie selbst früher nichts unternommen?
Ich würde mich nicht wie Greta Thunberg irgendwo hinsetzen und das einfach
starten, ich brauche Bezüge. Vor drei Jahren habe ich das Buch von Fabian
Scheidler „Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden
Zivilisation“ gelesen. Scheidler ist Historiker und Philosoph und hat klar
benannt, dass wir in einer extrem großen Klimakrise stecken und auf ein
Massensterben zusteuern. Die Fakten waren mir also bekannt.
Haben Sie Ihre Tochter auf die Fridays-for-Future-Demonstrationen
aufmerksam gemacht?
Nein, das lief eigentlich unabhängig. Sie ist in der Pubertät und grenzt
sich lieber ab. Erst als sie Besuch von Freundinnen aus Bremen bekam, die
extra angereist waren, um auf die Demo in Berlin zu gehen, ging sie das
erste Mal dorthin.
Was hält Ihre Tochter von Ihrem Engagement bei Parents for Future?
Bis vor Kurzem nannte meine Tochter mich Ökomutter und wollte mit den
Themen nichts zu tun haben. Ich spürte, dass es ihr Angst machte, wenn ich
über den Klimawandel redete. Sie fing an abzublocken. Also habe ich mich
zurückgehalten. Dann kam die Phase, da sind Freunde mit Klimathemen auf sie
zugegangen und gemeinsam gingen sie auf die ersten Demos. Da hat sie
gesagt: Mama, das ist jetzt unsere Demo! Das hatte etwas sehr
Selbstermächtigendes. Als die Kinder mit ihren Transparenten und so viel
Freude auf die Straße zogen, war das für mich ein sehr schöner Moment.
Ihre Tochter wollte also die Demo für sich haben und nicht, dass die eigene
Mutter dort mitmischt?
Ja, genau. Das finde ich auch total schön, und das ist, ehrlich gesagt, ein
Grundkonflikt mit den Parents for Future. Wir müssen den jungen Menschen
die Selbstermächtigung lassen und uns trotzdem ebenfalls mit Protesten für
das Klima engagieren.
Ist die Generation Ihrer Tochter durch Fridays for Future politischer
geworden?
Ja, und das freut mich sehr. Ich habe das Gefühl, da ist wirklich ein
Erwachen. Ich finde es fantastisch, wie gut die Jugendlichen kommunizieren,
und habe allen Respekt davor, wie super sie organisiert sind. Das macht mir
große Hoffnung: Sie formulieren nichts in kleinen Bitten, sondern stellen
klare Forderungen auf.
Haben Sie als Erwachsene mit Protestaktionen mehr Einfluss als Ihre Kinder?
Jeder Mensch kann sich daran beteiligen, dass wir hier auf dem Planeten das
Leben schützen und diese große Katastrophe verhindern. Aber ich finde
nicht, dass meine Tochter die Verantwortung dafür hat, diese Kämpfe
aufrechtzuerhalten. Das ist die Verantwortung von uns Erwachsenen, denn wir
müssen dafür sorgen, dass unsere Kinder gut aufwachsen. Es ist etwas
verdreht, wenn Kinder den Kampf führen, den wir eigentlich kämpfen müssten.
Wir unterhalten uns am Rande eines Picknicks der Parents 4 Future. Gleich
leiten Sie einen Workshop. Worum geht es denn?
Um verschiedene lokale Initiativen in Berlin: Es geht zum einen um die
Bucht für alle, also den Bebauungsplan Rummelsburger Bucht, und um die
Initiative „A100 stoppen!“ Daraufhin soll es um das Thema Zement und CO2
gehen: Denn Zement ist ein größerer Klimakiller als der gesamte
Flugverkehr. Das Unternehmen Heidelberg Cement will zum Beispiel auf der
Insel Java ein Zementwerk bauen. Dafür soll ein großes Gebirge vernichtet
und das ganze Ökosystem zerstört werden. Ich habe eine Frau von Indonesia
Watch eingeladen, die dazu referiert.
Treibt Sie ein schlechtes Gewissen an?
Nein, ich habe kein schlechtes Gewissen, denn ich habe relativ
klimafreundlich gelebt. Ich möchte aber auch in Zukunft noch meiner Tochter
und allen Kindern in die Augen gucken können. Das treibt mich an. Die
Vorstellung, nicht gehandelt zu haben und nicht das mir Möglichste getan zu
haben, um den Klimawandel zu verhindern – das kann ich nicht aushalten!
23 May 2019
## AUTOREN
Joana Nietfeld
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Umwelt
Protest
Aktivismus
parents for future
Regine Günther
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Ökonomie
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