# taz.de -- Genossenschaftliche Schule in Honduras: Klasse dank Kaffee | |
> Im Süden von Honduras baut eine Genossenschaft Biokaffee an. Außerdem | |
> finanziert sie eine Schule mit eigenem Bildungskonzept. | |
Bild: 14 Jahre und voller Pläne: Lizzy möchte nach der Schule ökologischen L… | |
MARCALA taz | „Comsa International School“ steht in fetten Lettern an der | |
bunt bemalten Wand des zweistöckigen Gebäudes. Darüber sitzt ein | |
Eichhörnchen, das seinem Nachwuchs aus einem Buch vorliest. Das putzige | |
Logo gehört zur Genossenschaft Café Orgánico Marcala S.A., kurz Comsa, die | |
die Schule in Marcala betreibt. Einem Ort im Südwesten von Honduras nahe | |
der Grenze zu El Salvador, der bisher weniger für gute | |
Bildungseinrichtungen denn [1][für hervorragenden Kaffee bekannt] ist. Ein | |
Image, an dem Rodolfo Peñalba feilen möchte. | |
Der Geschäftsführer der rund 1.550 Mitglieder zählenden Genossenschaft will | |
mehr, als das honduranische Bildungssystem hergibt. „Die Entwicklung einer | |
Region hängt auch davon ab, ob das Bildungssystem funktioniert. In Honduras | |
ist das oft nicht der Fall“, kritisiert Peñalba und weist den Weg in den | |
Innenhof der Schule. Die besteht aus zwei Gebäuden, die in Form eines L | |
miteinander verbunden sind. | |
Dort wo die beiden Gebäude, von denen das eine gerade erweitert und | |
aufgestockt wird, aufeinandertreffen, hat Angelica Arabella Gutíerrez ihr | |
Büro. Die 24-jährige Pädagogin ist die Rektorin der Comsa-Schule. Vor zehn | |
Jahren wurde die Schule gegründet. 2016 dann übernahm sie die | |
Kaffeekooperative wegen finanzieller Engpässe, am bilingualen Konzept hat | |
man festgehalten. | |
„Ähnlich wie unsere Vorgänger setzen auch wir auf den zweisprachigen | |
Unterricht – Englisch und Spanisch sind die beiden Sprachen, die alle | |
Schüler beherrschen müssen. Französisch wird zusätzlich angeboten“, erkl�… | |
die Rektorin. Sie hat in der Hauptstadt Tegucigalpa ihre Staatsexamen mit | |
Schwerpunkt Fremdsprachen absolviert. | |
## Eine Klasse über nationalem Durchschnitt | |
Das war ein Grund, weshalb die Genoss*innen von Comsa sie eingestellt | |
haben. Der andere war die Tatsache, dass Angelica Arabella Gutíerrez Lust | |
hatte, andere Bildungsschwerpunkte zu setzen als den in Honduras üblichen | |
Frontalunterricht. „Das stupide Wiederholen, was die Person an der Tafel | |
sagt, ist hier nicht angesagt. Wir wollen die Schüler motivieren ihre | |
Talente zu entdecken, zu analysieren – statt nur zu rekapitulieren.“ | |
Das trägt Früchte, wie das bunte Schaubild über die Lernerfolge zeigt, dass | |
an der Wand hängt. Nicht nur in Mathe liegen die Klassen über dem | |
nationalen Durchschnitt. Und das ist das erklärte Ziel von Rektorin | |
Gutiérrez. „Wir erfüllen die nationalen Vorgaben, aber unser Ziel ist es, | |
sie zu übertreffen und neben dem vorgegeben Stoff auch andere Schwerpunkte | |
zu setzen.“ | |
Bilingualität ist einer davon und auf dem Schulhof haben Schüler*innen wie | |
Grecia Losaño aus der elften Klasse kein Problem damit, vom Spanischen ins | |
Englische zu wechseln. Obendrein haben sie klare Vorstellungen davon, was | |
sie einmal machen wollen. Beides ist ungewöhnlich in einem Land, in dem | |
kaum Englisch gesprochen wird und die Perspektiven für Jugendliche alles | |
andere als rosig sind. „Ja, klar will ich ins Ausland, will Medizin | |
studieren, aber lieber in Europa als in die USA“, erzählt sie. „Und ich | |
will zurückkommen, um hier mit einigen Mitschülern ein Krankenhaus | |
aufzubauen.“ Das nämliche fehle hier auf dem Land. | |
Zwei Mitschülerinnen, Andrea und Kenia, nicken zustimmend. „Wir haben hier | |
gelernt, uns eine eigene Meinung zu bilden, sehen uns als Teil der Zukunft | |
dies Landes und wollen etwas beitragen“, ergänzt Kenia in gutem Englisch. | |
Ihr Vater gehört zu den Gründern der Kaffeekooperative. Und die will nicht | |
nur für gute und faire Arbeitsbedingungen sorgen, sondern auch Perspektiven | |
für die eigenen Kinder schaffen. | |
## Die Philosophie der Genossenschaft | |
Das ist ein zentrales Motiv hinter der Schule, an der derzeit 120 | |
Schüler*innen unterrichtet werden. Hinzu kommen rund achtzig Kinder im | |
benachbarten Kindergarten. Dort steht das frühe spielerische Lernen nach | |
dem reformpädagogischen Ansätzen von Maria Montessori und dem US-Amerikaner | |
Glenn Doman auf dem Programm; in der Schule stellen die Lehrer*innen, von | |
denen viele unter dreißig sind, solidarische und nachhaltige Lebensweisen | |
vor. | |
Das entspricht der Philosophie der Genossenschaft, die auf den nachhaltigen | |
Biokaffeeanbau setzt und die jüngere Generation in der Kaffeeregion halten | |
will. Ob im Kaffeeanbau – wo nach Angaben der Comsa Qualität vor Quantität | |
geht und die Preise deutlich über dem Weltmarktpreis liegen – oder in der | |
städtischen Verwaltung, wo im November 2018 ein eigenes Recycling- und | |
Müllentsorgungskonzept beschlossen wurde. | |
Eine Initiative, die auf die Comsa-Genoss*innen zurückgeht, so | |
Geschäftsführer Peñalba. „Wir wollen eine nachhaltige Zukunft für die | |
Region, wollen zeigen, dass es alternative Modelle zur Privatisierungslogik | |
[2][der Regierung] gibt“, sagt er. Solidarität, soziale Verantwortung und | |
der Schutz der natürlichen Ressourcen gehören zum Bildungsansatz, der in | |
der Comsa International School gefördert werden. Dafür investiert die | |
Genossenschaft pro Jahr 400.000 US-Dollar für die Schule. | |
Seitdem gehören Exkursionen in die Natur genauso zum Schulansatz wie | |
Klassenfahrten zu Bauernhöfen. „Wir beschränken uns nicht auf den | |
Klassenraum, sorgen aber auch da für Abwechslung. Wir fördern die Arbeit in | |
Kleingruppen, variieren die Sitzordnung im Unterricht und die Pädagogen | |
sind hier keine autoritären Vorturner“, sagt Rektorin Gutíerrez. Engagement | |
und Einfühlungsvermögen werden verlangt, eine hohe Motivation | |
vorausgesetzt. | |
## Interesse für Instagram | |
Das lässt sich auf dem Schulhof beobachten, wo hier und da auch noch über | |
ein Thema in der Pause diskutiert wird. Für María Juana Gúzman auch ein | |
Ergebnis der positiven Rahmenbedingungen. „Für mich ist der Wechsel an | |
diese Schule ein Glücksgriff. Meine Lebensqualität ist gestiegen und | |
motivierte Lehrer sorgen auch für motivierte Schüler“, beobachtet die | |
Mathelehrerin. | |
Aus ihrer Sicht hat das aber nicht allein mit den – im Vergleich zu den | |
öffentlichen Schulen – höheren Löhnen zu tun. An der Comsa-Schule würden | |
die Schüler*innen auch besser unterrichtet als anderswo. Computerlehrer | |
Arturo Montoya etwa gebe den Schüler*innen Einblicke in das Programmieren | |
und könne auch erklären, wie Facebook, Instagram und Co. funktionierten. | |
Das weckt in der Klasse natürlich Interesse. | |
Dieses Ambiente schätzen Lehrer*innen wie Schüler*innen. Viele der | |
Heranwachsenden haben wie die 14-jährige Lizzy klare Vorstellungen, was | |
ihnen die Zukunft bringen soll. „Ich will Agrartechnikerin werden, | |
vielleicht ökologischen Landbau studieren, um rund um Marcala Bauern wie | |
meine Eltern zu beraten.“ | |
Zwei Klassen darüber diskutieren Schüler*innen, darunter die bereits | |
erwähnte Kenia, über Optionen für neue Unternehmen auf lokaler Ebene. | |
„Unsere Eltern haben uns vorgemacht, was möglich ist, wenn man gemeinsam | |
agiert. Nun haben wir bald die Chance, selbst etwas zu initiieren“, meint | |
die 16-Jährige, die dem ältesten Jahrgang der Schule angehört. | |
## Verhaltenes Interesse | |
Sätze, die die Initiator*innen der Schule, darunter Geschäftsführer | |
Peñalba, gern hören werden. Allerdings wissen sie auch genau, dass ihr | |
Bildungsansatz durchaus Sprengkraft in einem Land hat, wo einige wenige | |
Familien die Weichen stellen. „An diesen Verhältnissen wollen wir etwas | |
ändern und Bildung ist dafür der entscheidende Schlüssel. | |
Davon bin ich überzeugt“, sagt der 54-Jährige. Bisher stößt das | |
Schulprojekt allerdings nur auf verhaltenes Interesse. Lehrer*innen aus | |
anderen Regionen des Landes seien schon mal vorbeigekommen, um sich über | |
ihr Konzept zu informieren, meint Rektorin Gutíerrez. Im näheren Umland | |
Marcalas oder im Bildungsministerium in Tegucigalpa, sei das Interesse | |
hingegen „gleich null“. | |
Weshalb das so ist, kann an der Comsa-Schule niemand erklären. Immerhin | |
könne sie so in Ruhe am Unterricht experimentieren, freut sich Rektorin | |
Gutíerrez: „Wir werden besser.“ Und das werde sich bezahlt machen – | |
zumindest für die Kaffeeanbauregion Marcala. | |
23 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kaffee-und-die-ungerechte-Weltordnung/!5565350 | |
[2] /Proteste-gegen-Honduras-Regierung/!5565648 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schule | |
Kaffee | |
Genossenschaft | |
Honduras | |
wochentaz | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Müll | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Suche nach gerechtem Kaffee: Nicht die Bohne | |
Gourmetkaffee ist in den letzten Jahren populärer geworden. Oft kommt er | |
von kleinen Röstereien, aber auch die großen Kaffeeunternehmen mischen mit. | |
„Corona in der Welt“ – Honduras: Virus trifft auf Korruption | |
Die Pandemie wird von einer Skandal-Regierung gemanagt. Durch fehlende | |
Kontrollen nehmen Menschenrechtsverletzungen zu. | |
Malaysia schickt Müll an Länder zurück: Nicht mehr Abfalleimer der Reichen | |
Malaysia schickt tausende Tonnen Müll zurück an reiche Länder. Wie viele | |
andere Entwicklungsländer ist auch dieses Zielland für Abfallexporte. | |
Honduras gestürzter Präsident: Zelaya in Falle der Putschisten | |
Auch nach dem von den USA vermittelten Abkommen mit Honduras | |
De-facto-Regierung ist eine Rückkehr des gestürzten Präsidenten in sein Amt | |
nicht garantiert. | |
Arias will vermitteln: Gespräche in Honduras nur auf Distanz | |
Der angestrebte Dialog zwischen Präsident Zelaya und den Putschisten läuft | |
schleppend an. Die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit gilt als | |
wahrscheinlicher Ausweg. | |
Erste Todesopfer in Honduras: Armee verhindert Rückkehr Zelayas | |
Honduras Armee verhindert Landung des gestürzten Präsidenten Zelaya. Es | |
gibt erste Berichte über mehrere Todesopfer unter der Bevölkerung. | |
Deutschland legt die Finanzhilfe auf Eis. |