| # taz.de -- Cannabis-Legalisierung in Bremen: Der verdampfte Konsens | |
| > Bremens SPD hat sich von der Cannabis-Legalisierung verabschiedet und | |
| > damit die Grünen verärgert. Als Wahlkampfthema taugen Drogen aber immer | |
| > noch. | |
| Bild: Genussvolles Kiffen ist in Bremen weiterhin nur illegal möglich | |
| Bremen taz | „Wirklich kein Ruhmesblatt“ sei diese Cannabisgeschichte, sagt | |
| Björn Tschöpe, Vorsitzender der Bremer SPD-Fraktion: „Ich hätte mir da auch | |
| etwas anderes von meinem Laden erwünscht.“ So bemerkenswert dieses | |
| öffentliche Eingeständnis zu dem formal längst beerdigten Thema auf | |
| [1][einem Bremer taz Salon auch war] – aus dem Nichts kam es nicht. Der | |
| [2][sozialdemokratische Rückzug aus den vereinbarten | |
| Legalisierungsbestrebungen] hatte die rot-grüne Koalition schwer belastet. | |
| Und gären tut der Konflikt noch immer. | |
| Zur Erinnerung: Zu Beginn der auslaufenden Legislatur galt Bremen als ein | |
| Hotspot der Debatte um Cannabislegalisierung. Rot-Grün hatten sich | |
| weitgehende Entkriminalisierung in den Koalitionsvertrag geschrieben, | |
| wollte gar „Möglichkeiten ausloten für wissenschaftliche Modellversuche zur | |
| kontrollierten Abgabe“. | |
| Nicht nur Aktivist*innen der Legalisierungsbewegung waren in Feierlaune, | |
| auch die bundesweite Presse hatte den Bremer Vorstoß mit Aufmerksamkeit | |
| verfolgt. SPD-Bürgermeister Carsten Sieling galt als großer Erneuerer, die | |
| Grünen wiederum hatten mit ihrem Traditionsthema einen prestigeträchtigen | |
| Punkt in den Verhandlungen gesetzt. | |
| Nur passiert ist dann nichts. Die entsprechenden Anträge sind schon vorab | |
| am Widerstand der SPD gescheitert. Ab Mitte der Legislatur traten dann | |
| Linke und FPD auf den Plan, um mit eigenen Anträgen das rot-grüne Projekt | |
| einzufordern – erfolglos. Linken-Abgeordneter Nelson Janßen zeigte sich | |
| regelrecht verärgert, weil linke Drogenpolitik lange unter Verweis auf den | |
| Koalitionsvertrag ausgebremst worden sei: Die Regierungskoalition sei ja | |
| längst dran an der Sache. | |
| ## Bremens SPD kämpft auf Bundesebene für Legalisierung | |
| Ganz vom Tisch ist die liberalere Drogenpolitik freilich nicht, auch in den | |
| aktuellen Wahlkampf hat sie – in gemäßigtem Ton – Einzug gehalten. Die SPD | |
| etwa will zwar „an der rationalen Drogenpolitik des Senats“ festhalten, | |
| aber „auf Bundesebene weiter für eine Reform des Betäubungsmittelgesetzes | |
| kämpfen, um Cannabis zu legalisieren und die kontrollierte Abgabe an | |
| Erwachsene zu ermöglichen“. | |
| Auf Bundesebene für die Legalisierung zu kämpfen, heißt eben auch, zu Hause | |
| die Hände stillzuhalten. Grüne und Linke hingegen haben das Ausreizen auch | |
| der Bremischen Mittel im Programm, auch die FDP hält es laut Wahlprogramm | |
| grundsätzlich für „nicht gerechtfertigt, Menschen für Selbstgefährdung zu | |
| bestrafen“. | |
| Die Entkriminalisierung von Cannabis stand von vornherein für einen | |
| insgesamt reformierten Umgang mit illegalen Betäubungsmitteln. Nima | |
| Pirooznia, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, sieht | |
| Projekte wie die Entkriminalisierung, die Möglichkeit, Betäubungsmittel im | |
| Rahmen von „Drugchecking“ auf Schadstoffe untersuchen zu lassen, sowie die | |
| Einrichtung von Druckräumen als „Elemente einer modernen Drogenpolitik“. | |
| Die Chancen stehen nicht gut. „Weil die Koalition nicht am selben Strang | |
| zieht“, so Pirooznia zur taz. Das Nein der SPD habe ihn überrascht, weil ja | |
| alles längst besprochen war, „und zum Teil auch im Koalitionsvertrag | |
| steht“. | |
| ## Angst vor „Drogentourismus“? | |
| Wie es zu diesem Nein kam, ist aus heutiger Sicht bemerkenswert: Über die | |
| SPD-internen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen kursieren | |
| verschiedene Geschichten. „Eine Bremer Insellösung“ führe zu | |
| Drogentourismus, hieß es etwa. | |
| Auch von der Sorge um Verärgerung im traditionellen, gewerkschaftlichen | |
| Milieu war die Rede – wie auch immer sich das mit der Enttäuschung einer | |
| urbanen, jüngeren Wähler*innengeneration verrechnen lässt. Deutlich | |
| handfester klingt jedenfalls die Version, nach der sich in der SPD | |
| innenpolitische Bedenken in einer Debatte durchgesetzt hätten, die bis dato | |
| vor allem gesundheitspolitisch geführt wurde. | |
| Diese Gewichtung zieht sich auch inhaltlich durch sämtliche | |
| parlamentarische Debatten der Legislatur. Was kostet die Strafverfolgung | |
| von Drogenkonsument*innen hatte etwa die Linke abgefragt. Die Grünen | |
| wollten das ausdrücklich für Cannabisdelikte wissen. So ganz genau konnte | |
| der Senat das zwar nicht beantworten, aber wie Pirooznia sagt: „Mit | |
| Daumengröße und begründeten Annahmen kann man schon sagen, dass zwischen 10 | |
| und 12 Millionen Euro für die Verfolgung ausgegeben wurden.“ Die Ausgaben | |
| für Präventionsarbeit lägen dagegen etwa zwischen 150.000 bis 200.000 Euro. | |
| „Das ist ein Missverhältnis“, so Pirooznia – wünschenswert sei mindeste… | |
| so viel Geld für die Prävention wie für die Strafverfolgung. | |
| ## Die Zahl der DrogenkonsumentInnen steigt | |
| Befürworter*innen der Liberalisierung gehen heute so vor: Aus den nicht | |
| gestellten Anträgen wurden immerhin Anfragen, die mit beachtlicher | |
| Detailtiefe dann von SPD und Grünen zusammen bestritten wurden. | |
| Zur Frage nach dem „Drugchecking“ sagte Anfang des Jahres die | |
| gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Stephanie Dehne, das | |
| SPD-geführte Gesundheitsressort habe eindeutige Zahlen vorgelegt und | |
| durchaus beigetragen zur einer „rationalen Drogenpolitik“. Das seien | |
| Erkenntnisse, von denen sie hofft, dass sie nun langsam in die anderen | |
| Senatsressorts „einsickern würden“. Nur so ließen sich die | |
| gesellschaftlichen Schäden in den Griff bekommen, die Prohibitionspolitik | |
| verursache. | |
| Unstrittig ist, dass die Zahl der drogenkonsumierenden Menschen stetig | |
| ansteigt – und das trotz erheblichen Ressourceneinsatzes auf Seiten der | |
| Sicherheitsbehörden. | |
| Dass man statt Forderungen heute Fragen stellt, ist auch eine taktische | |
| Entscheidung. [3][Bei der kürzlich auf den Weg gebrachten | |
| Machbarkeitsstudie für Druckräume], geht es Pirooznia zwar einerseits darum | |
| Informationen aus den Behörden und das Know-How von Trägern der Drogenhilfe | |
| zusammenzutragen, aber auch um mögliche Verhandlungen um eine neue | |
| Regierungskoalition: „Wir haben bei der Entkriminalisierung gelernt, dass | |
| es wichtig ist, alles so deutlich wie nur möglich aufzuschreiben“, sagt | |
| Pirooznia. Wenn man dies nicht tue, „dann scheint es später ja offenbar zu | |
| Unklarheiten zu kommen“. | |
| 21 May 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan-Paul Koopmann | |
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