# taz.de -- Gedenken an Drogentote in Bremen: Leben in Schwarz-Weiß | |
> Mit Kränzen auf dem Ziegenmarkt und einer Fotoausstellung im Weide 3 | |
> gedenkt Bremen verstorbenen Drogengebraucher*innen. | |
Bild: Eine Ansicht der Discomeile zeigt den Zusammenhang von tristen Lebensbedi… | |
BREMEN taz | Erstmals wird der „Internationale Gedenktag für verstorbene | |
Drogengebraucher*innen“ in Bremen gemeinsam von Hilfsorganisation für | |
Angehörige und Opfer legaler und illegaler Drogen gemeinsam gestaltet. Am | |
21. Juli um 10 Uhr sollen am Gedenkstein auf dem Ziegenmarkt Kränze | |
niedergelegt werden. Nachdem im letzten Jahr kaum mehr als ein gutes | |
Dutzend Menschen des Arbeitskreises Alkohol anwesend waren und Comeback, | |
die gemeinnützige Gesellschaft im ambulanten Drogenhilfesystem, nur eine | |
Anzeige zum Gedenktag geschaltet hatte, beteiligen sich nun beide | |
Organisationen an den Aktionen. | |
Zudem sind wieder künstlerische Aktivitäten mit Unterstützung des | |
Landesinstituts für Schule (LIS) geplant. Das hatte 2017 bereits Filme aus | |
dem Wettbewerb „ausweggesucht“ gezeigt. 2018 entwickelte der Bremer | |
Künstler Lars Kaempf eine Installation mit der Zahl 500: So viele Menschen | |
würden durch kombinierten Alkohol- und Tabakgenuss in der Stadt Bremen | |
jährlich zu Tode kommen, sagt Oliver Peters, kommissarischer LIS-Leiter. | |
„Aber um das Kunstwerk herum einen Gedenkraum für Angehörige zu initiieren, | |
das funktionierte letztes Jahr nicht, niemand kam.“ Also Konzeptänderung. | |
Dieses Jahr wird am Gedenktag ab 11 Uhr eine Fotoausstellung gezeigt. | |
Darin setzen sich drei Künstler grundsätzlich mit Aspekten des Themas | |
auseinander – und zwar im ehemaligen Sado-Maso-Klub [1][„Weide 3“] im | |
Bahnhofsviertel. Das Etablissement geriet in die Auseinandersetzungen | |
rivalisierender Rockergruppen und wurde 2011 geschlossen. Jörn Schipper, | |
eloquenter Jazz-Schlagzeuger und elektronischer Klangwerker, erwarb die | |
Immobile 2011. In den Obergeschossen wohnen jetzt Studenten, das | |
Erdgeschoss ist Konzerten, Lesungen, Ausstellungen gewidmet. | |
Schipper selbst bezeichnet sich als Hobbyknipser. Da seine heute erwachsene | |
Tochter vor einigen Jahren in den Wallanlagen bei der Aktion „Bremen räumt | |
auf“ reichlich Drogenbesteck und sogar einen Toten gefunden hatte, begab er | |
sich für die aktuelle Ausstellung selbst auf die Suche – und präsentiert | |
nun seine Fundstücke. Etwa den Trampelpfad zu einem Bunkerort für illegale | |
Substanzen – ein „Boulevard of broken dreams“. Aber auch ein Berg | |
Bierflaschen ist knallbunt inszeniert, gekrönt von einem Kuscheltier. | |
Daneben hängt ein Stillleben mit leerer Whiskeyflasche im Gegenlicht. Stets | |
ragen Blätter oder Gräser als hoffnungsgrüne, per Photoshop | |
farbintensivierte Botschaft der Natur ins Bild. | |
Die freiberufliche Fotografin Magdalena Stengel hat cleane Süchtige besucht | |
und Lebenssituationen in Schwarz-Weiß nachempfunden. Ein unscheinbares | |
Pflastergeviert wird da zum Ort, an dem die Drogenkarriere einer Frau | |
begann. Eine andere steht in aller geboten optischen Unschärfe vor einem | |
Hochhaus, in dem ihr Freund an Heroin gestorben ist. Auf der Station 71 des | |
Klinikums Ost erkundet ein Ex-Abhängiger sein ehemaliges Entgiftungszimmer | |
und zieht sich eine Plastikplane über den Kopf. | |
Auch Lars Kaempf ist wieder dabei. Dieses Mal porträtiert er die Discomeile | |
am Rembertikreisel. Auf der einen Seite die lebensfeindliche | |
Hochhausschäbigkeit, auf der anderen mit „Drink“-Leuchtschrift einladende | |
Kioske. Die Verheißungen der Klubs auf ekstatische Vitalität und die | |
Reklameversprechen der Alkoholindustrie kontrastieren die Tristesse des | |
Ambientes. Die gesamte Ausstellung soll demnächst auf Reisen gehen, der | |
Tourplan steht aber noch nicht fest. | |
Die Comeback-Leiterin Cornelia Barth versteht den Trauertag auch als | |
Protest- und Aktionstag, um für die Umsetzung der im Entwurf des | |
Koalitionsvertrags fixierten Mittelerhöhung zu werben. Und auf den Mangel | |
an Substitutionsplätzen hinzuweisen. | |
An illegalen Drogen starben 38 Menschen im Bremen des Jahres 2007. Seitdem | |
hat ihre Zahl kontinuierlich abgenommen und ist relativ konstant. 2018 | |
starben 22 Menschen in der Hansestadt unmittelbar am Konsum harter Drogen. | |
Gerade sei Crack in Bremen auf den Markt gekommen, was die Opferzahlen wohl | |
wieder erhöhen würde, so Barth. | |
Peters vom LIS möchte am Gedenktag vor allem deutlich machen, dass Sucht | |
eine Krankheit sei, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufe – und kein | |
individuelles Fehlverhalten, das moralisch zu beurteilen sei. Zudem zitiert | |
er Woody Allen: „Meine Einstellung zum Tod hat sich nie geändert: Ich bin | |
vehement dagegen.“ | |
19 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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