# taz.de -- Medizinischer Gebrauch von Cannabis: Kein Cannabis für ADHS-Patien… | |
> Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen haben | |
> ADHS-Patient*innen keinen Anspruch auf eine Therapie mit Cannabis. | |
Bild: Wird von den Krankenkassen nicht bezahlt: Medizinisches Cannabis für ADH… | |
HAMBURG taz | Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen [1][hat | |
entschieden], dass medizinisches Cannabis keine anerkannte | |
Behandlungsmethode der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung | |
(ADHS) ist. Dieser Entscheidung der Celler Richter vorausgegangen war ein | |
Streit zwischen einem 31-Jährigen aus Göttingen und seiner gesetzlichen | |
Krankenkasse. | |
Der ADHS-Patient hatte das Medikament Ritalin nicht vertragen, es machte | |
ihn nach eigenen Angaben ruhelos und er verlor seinen Appetit. Schließlich | |
fand er einen Allgemeinmediziner, der ihm drei verschiedene | |
Cannabis-Medikamente (Bedroca, Bediol, Bedica) als Teezubereitung und zur | |
Inhalation verschrieb. | |
Seine Kasse lehnte die Kostenübernahme ab. Es liege keine schwerwiegende | |
Erkrankung vor und die Verwendung von Cannabis sei bei diesem | |
Krankheitsbild medizinisch zweifelhaft. In einem gerichtlichen Eilverfahren | |
wollte der Mann die umgehende Versorgung erreichen. | |
Das Landessozialgericht bestätigte mit seinem Urteil nun die Entscheidung | |
des Sozialgerichts Hildesheim, wonach der Kläger einerseits nicht gesichert | |
an einer ADHS-Erkrankung leide und diese auch nicht schwerwiegend sei. | |
Zudem sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass eine anerkannte Behandlung | |
nicht zur Verfügung stehe und dass die Behandlung mit medizinischem | |
Cannabis die Symptome minimiere. Nach aktueller Studienlage sei der Einsatz | |
von Cannabis bei dieser Erkrankung zweifelhaft, könne im Erwachsenenalter | |
sogar das Risiko für eine ADHS-Erkrankung steigern. | |
„Die Sozialgerichte werden zunehmend mit ähnlichen Fällen befasst“, sagt | |
Gerichtssprecher Carsten Kreschel. Dies liege an der gesetzlichen | |
Neuregelung für den medizinischen Gebrauch von Cannabis. „Das Gesetz hat | |
bei einigen Menschen falsche Vorstellungen geweckt. Cannabis soll schwere | |
Krankheiten lindern, es ist keine beliebige Behandlungsalternative oder | |
Hilfe zur Alltagsbewältigung“, sagt Kreschel. | |
Seit dem Frühjahr 2017 gibt es in Deutschland Cannabis auf Rezept. Unter | |
bestimmten Umständen können Kassenärzt*innen Cannabisblüten und -extrakte | |
an Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen verschreiben. Zuvor war es nur | |
möglich, dass Patienten sich nach einer Ausnahmegenehmigung des | |
Bundesinstitutes für Arzneimittel unter ärztlicher Begleitung mit Cannabis | |
aus der Apotheke selbst therapierten – auf eigene Kosten. | |
## Neuregelung mit Mängeln | |
Aus Sicht des Hamburger Fachanwalts für Medizinrecht, Oliver Tolmein, sind | |
die gesetzlichen Neuregelungen zwar grundsätzlich positiv zu bewerten. Die | |
Umsetzung weise allerdings noch Mängel auf. | |
„Zwar bekommen nun mehr schwerkranke Menschen Cannabis verschrieben, aber | |
viele Patienten, die Cannabis in der Vergangenheit zum Beispiel aufgrund | |
einer Ausnahmegenehmigung erhalten haben und denen es geholfen hat, gehen | |
heute leer aus“, sagt Tolmein, der das Gesetzgebungsverfahren als | |
Sachverständiger begleitet hatte. Wichtige Fragen, beispielsweise was eine | |
solche schwerwiegende Erkrankung ist, die die Voraussetzung für die | |
Verschreibung zu Lasten der Krankenkasse ist, seien offen. Ungeklärt sei | |
auch, wann eine möglicherweise existierende Therapie-Alternative unzumutbar | |
sei. | |
„Gegenwärtig entscheiden die Landessozialgerichte, die mit den zahlreichen | |
Eilverfahren befasst sind, hier sehr unterschiedlich“, sagt Tolmein. Und | |
bis zu einer richtungsweisenden Entscheidung des Bundessozialgerichts könne | |
es angesichts der langen Verfahrensdauer bei den Sozialgerichten noch Jahre | |
dauern. | |
## Legalisierung in Kanada | |
Andere Länder sind da schon weiter. In Kanada etwa gibt es seit Mitte | |
Oktober 2018 Cannabis legal zu kaufen. Es ist damit das erste große | |
Industrieland, das Cannabis legalisiert hat. Zuvor gab es bereits in | |
Uruguay sowie in einigen US-Bundesstaaten eine Freigabe. | |
Schon 2001 hatte Kanada den Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen | |
freigegeben. Begründet wurde die Neuausrichtung der Drogenpolitik nun mit | |
Gesundheitsschutz und öffentlicher Sicherheit. Mit der Legalisierung einher | |
geht eine große Aufklärungskampagne über die potentiellen Gefahren von | |
übermäßigem Konsum. Der Zugang für Jugendliche soll erschwert werden, | |
außerdem soll der illegale Markt ausgetrocknet werden. | |
Ob die Legalisierung in Kanada unterm Strich ein Erfolg wird, hängt nicht | |
zuletzt vom Preis ab. Denn der aus kontrolliertem Anbau verkaufte Stoff | |
muss schließlich günstiger sein als der auf dem Schwarzmarkt angebotene. | |
## Mehr Konsument*innen in Deutschland | |
In Deutschland ist man von der Legalisierung noch weit entfernt. Auch wenn | |
sich im Bundestag nur noch die Union und die AfD vehement gegen eine | |
Entkriminalisierung aussprechen. Wie jedes Jahr hat die Drogenbeauftragte | |
der Bundesregierung, Marlene Mortler, auch im Drogen- und Suchtbericht 2018 | |
wieder vor dem Konsum gewarnt. Der Wirkstoff sei wieder stärker geworden | |
und gleichzeitig sei die Anzahl der Konsument*innen wieder leicht | |
gestiegen. | |
Dass in Deutschland eine Legalisierung wie in Kanada bald kommt, hält auch | |
Anwalt Tolmein für eher unwahrscheinlich. „Die Debatte um Cannabis ist | |
hierzulande ideologisch überfrachtet – und wird daher vor allem als | |
Konflikt um Prinzipien ausgetragen“, sagt er. „Das verhindert pragmatische | |
Lösungen.“ | |
26 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.landessozialgericht.niedersachsen.de/download/138660 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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