| # taz.de -- Medizinische Cannabis-Importe stocken: Patient*innen ohne Stoff | |
| > Seit 2017 ist die Abgabe von Cannabis als Medizin erleichtert. Wegen | |
| > Lieferengpässen aus dem Ausland gehen Patient*Innen oft leer aus. | |
| Bild: Es gibt nicht genug kanadisches Cannabis, um den deutschen Markt zu verso… | |
| Berlin taz | In den Sortimenten deutscher Apotheken herrscht derzeit eine | |
| Lücke: Medizinisches Cannabis ist dort akute Mangelware. So gibt es schon | |
| seit mehr als drei Wochen kein Marihuana aus Kanada mehr. Nur einige | |
| Blütensorten aus den Niederlanden sind noch verfügbar. Für Patient*innen | |
| hat das Folgen. Viele stünden derzeit ohne Medizin da, sagte Georg Wurth, | |
| Sprecher des Hanfverbands, der taz. „Einige Patienten erleiden dadurch eine | |
| erhebliche Verschlechterung ihrer Lebensqualität, etwa durch unnötige | |
| Schmerzen.“ | |
| Seit [1][März 2017 gilt in Deutschland das „Cannabis als Medizin“-Gesetz], | |
| das die Abgabe von Cannabis an schwerkranke Patienten erleichtert. | |
| Gesetzliche Krankenkassen können nun neben den Kosten für cannabisbasierte | |
| Fertigarzneimittel auch die für getrocknete Cannabisblüten erstatten. | |
| Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gab es laut Hanfverband gut 1.000 | |
| Cannabis-Patient*innen in Deutschland. Seit März 2017 gingen bei den drei | |
| größten gesetzlichen Krankenkassen, AOK, Barmer und TK, nun fast 32.000 | |
| Anträge auf Kostenübernahme ein, ungefähr zwei Drittel wurden genehmigt. | |
| Und die Gesamtzahl aller Cannabis-Patient*innen liegt noch weitaus | |
| höher. Denn AOK, Barmer und TK haben einen Marktanteil von rund 63 Prozent. | |
| Dazu kommen noch die Kund*innen der anderen gesetzlichen und privaten | |
| Krankenkassen. | |
| Mit dem neuen Cannabis-Gesetz hätten auch die Versorgungsengpässe begonnen, | |
| sagte Christian Splett vom Deutschen Apothekerverband der taz. „Die hohe | |
| Nachfrage aufgrund der ärztlichen Verordnungen konnte nicht durch Importe | |
| aus dem Ausland gedeckt werden.“ | |
| ## Weltweit steigende Nachfrage nach Marihuana | |
| Rezepte für Cannabis sind auf die genaue Sorte abgestimmt und nur sieben | |
| Tage gültig. Ist die Sorte nicht verfügbar, gehen die Patient*innen leer | |
| aus und können ihre Symptome nicht behandeln. Laut Hanfverband-Sprecher | |
| Wurth liegen die Lieferengpässe an der weltweit steigenden Nachfrage nach | |
| Marihuana. „Ein wesentlicher Faktor dürfte die [2][Legalisierung in Kanada] | |
| sein.“ Produktionsländer wie Kanada und die Niederlande versorgten erst | |
| ihre eigenen Märkte, bevor sie ins Ausland exportierten. | |
| Deutsche Apotheken dürfen bisher nur Cannabis aus Kanada und den | |
| Niederlanden importieren. Zwar wird auch in Uruguay seit 2017 Marihuana | |
| staatlich angebaut. Die dortige Legalisierung als Genussmittel [3][verstoße | |
| aber gegen UN-Konventionen], so das Bundesgesundheitsministerium zur taz. | |
| Deshalb habe sich die Bundesregierung gegen einen Import entschieden. | |
| Indes: Auch Kanada hat Marihuana 2018 als Genussmittel legalisiert. Auf | |
| Nachfrage der taz, warum der Import aus Kanada dennoch legal sei, | |
| antwortete das Gesundheitsministerium, dass Kanada im Gegensatz zu Uruguay | |
| „in einem getrennten System die Versorgung mit medizinischem Cannabis | |
| aufrecht erhalten“ wolle. | |
| In Deutschland produzieren Unternehmen noch kein medizinisches Marihuana. | |
| Daher sind die Apotheken auf die Importe angewiesen. Der Anbaubeginn von | |
| medizinischem Cannabis war für 2019 geplant. Für die Produktionserlaubnis | |
| lief auch bereits ein Ausschreibungsverfahren, das aber wurde vom | |
| Oberlandesgericht Düsseldorf aufgrund von Klagen mehrerer Unternehmen | |
| gekippt. Nun läuft ein zweites Verfahren, dessen Zuschlag Mitte 2019 | |
| erfolgen soll. Die erste Ernte in Deutschland erwartet das Bundesinstitut | |
| für Arzneimittel und Medizinprodukte Ende 2020. Geplant ist die Produktion | |
| von 10.400 Kilogramm medizinischem Marihuana in vier Jahren. | |
| ## „Bundesregierung hat den Bedarf unterschätzt“ | |
| Kritik an der Planung der Bundesregierung kommt von den Grünen. „Die | |
| Bundesregierung hat den Bedarf nach Cannabis von Anfang an unterschätzt“, | |
| sagte Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen, der | |
| taz. Die Regierung hätte den Anbau in Deutschland stärker vorantreiben | |
| müssen. „Schon heute ist der Bedarf größer als die geplante Anbaumenge.“ | |
| Ähnlich äußert sich die Linke. „Die Bundesregierung muss endlich dafür | |
| sorgen, dass Cannabis-Patient*innen ihr Medikament in der Apotheke auch | |
| erhalten können“, erklärte Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der | |
| Linken. Die Regierung habe sich „beim Thema Cannabisanbau in Deutschland | |
| stümperhaft verhalten“. Die Anbaumengen seien viel zu gering angesetzt. | |
| „Wenn Deutschland den Import komplett durch eigenen Anbau ersetzen wollen | |
| würde, müssten etwa 25 Tonnen pro Jahr ausgeschrieben werden.“ | |
| Die Situation könnte sich jedoch bald etwas entspannen. [4][Ende Januar | |
| erlaubte Israels Regierung den Cannabisexport]. Dieser soll in einem halben | |
| Jahr beginnen. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, dass deutsche | |
| Unternehmen nun Anträge für eine Importerlaubnis stellen könnten. Auch | |
| liege ein neuer Gesetzentwurf vor, der es Patient*innen und Ärzten | |
| einfacher mache, auf mögliche Lieferengpässe zu reagieren. So sei | |
| vorgesehen, dass die Patient*innen künftig keinen neuen Antrag bei ihrer | |
| Krankenkasse stellen müssten, wenn sie nur die Dosierung ändern oder die | |
| Blütensorte wechseln wollten. | |
| 15 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bundestag-stimmt-fuer-Cannabis-auf-Rezept/!5376251 | |
| [2] /Marihuana-Legalisierung-in-Kanada/!5540625 | |
| [3] /Cannabisgesetz-in-Uruguay/!5017411 | |
| [4] /Cannabis-Export-aus-Israel/!5479742 | |
| ## AUTOREN | |
| Lenne Quentin | |
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