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# taz.de -- Nachfrage nach medizinischem Cannabis: Großer Bedarf nach Liberali…
> Patienten in Deutschland können seit zwei Jahren Cannabis auf Rezept
> bekommen. Seither steigt die Nachfrage rasant. Vor allem ausländische
> Firmen liefern.
Bild: Darf in Apotheken gegen Rezept abgegeben, aber nicht einfach angebaut wer…
Berlin/Frankfurt/tel Aviv dpa/taz | Zwei Jahre nach der Liberalisierung von
medizinischem Cannabis in Deutschland ist die Nachfrage rasant gestiegen.
2018 gaben Apotheken rund 145 000 Einheiten cannabishaltiger Zubereitungen
und unverarbeiteter Blüten auf Basis von etwa 95 000 Rezepten zu Lasten der
gesetzlichen Krankenversicherung ab. Das sind mehr als dreimal so viele wie
in den knapp zehn Monaten [1][von der Freigabe] im März 2017 bis Ende 2017:
Damals wurden 27 000 Rezepte und 44 000 Einheiten registriert. Das zeigen
Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.
Die Daten legten nahe, dass deutlich mehr Patienten mit medizinischem
Cannabis versorgt würden als vor zwei Jahren, sagte Andreas Kiefer,
Vorstandsvorsitzender des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts und Präsident
der Bundesapothekerkammer. „Aber wir wissen nicht, ob inzwischen alle
Patienten, die von medizinischem Cannabis profitieren könnten, Zugang dazu
haben.“ Apotheken gaben laut der Angaben zudem mehr als 53 000 Packungen
Fertigarzneien mit Cannabis-Stoffen ab, ein Drittel mehr als 2017 (39 500).
Daten zur Zahl der Cannabis-Patienten gebe es nicht, so der Verband. Laut
Schätzungen könnten es rund 15 000 sein.
Hatten einst nur rund 1000 Kranke eine Ausnahmegenehmigung, können Ärzte
Cannabis seit dem 10. März 2017 mit genauer Begründung frei verschreiben.
Die Entscheidung war eine Sensation im deutschen Gesundheitswesen. Seither
erlebt das Mittel einen Boom. Ausländische Firmen kommen nach Deutschland
in der Hoffnung auf das große Geschäft, immer mehr Patienten wollen
Cannabis-Therapien – und Ärzte, Apotheken und Krankenkassen erleben einen
ungebremsten Andrang. [2][Vielerorts kommt es zu Lieferengpässen.]
Wie Cannabis wirkt, ist schon lange bekannt. Es kann etwa Spastiken bei
Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen lindern. Teils aber ist die
medizinische Wirkung nur gering belegt, so bei Übelkeit und Erbrechen nach
Chemotherapien oder beim Tourette-Syndrom, wie die Bundesärztekammer
betont.
## Wirksamkeit wird noch erforscht
Auch die Krankenkassen erleben einen Ansturm. Allein bei den großen –
AOK-Bundesverband, Barmer, Techniker und DAK-Gesundheit – gingen 2018
insgesamt 19 600 Anträge auf Erstattung der oft teuren Cannabis-Therapien
ein. Rund zwei Drittel der Anträge bewilligten die Kassen, in den übrigen
Fällen fordern sie meist Informationen nach.
Einige Fragen blieben offen, erklärt der AOK Bundesverband – etwa jene,
welche Diagnose eine Cannabis-Verordnung ermögliche. So inhalieren
Patienten Cannabisblüten bei vielen Erkrankungen, etwa gegen Depressionen
oder Schmerzen bei Multipler Sklerose. Doch eine klare Indikation für die
Anwendung von Blüten gibt es nicht. Nach [3][einem Urteil des
Landessozialgerichts Niedersachsen etwa haben Patienten mit ADHS keinen
Anspruch] auf eine Behandlung mit Cannabis.
Gelten für Medikamente üblicherweise hohe Zulassungshürden, wurde Cannabis
zur Verordnung erlaubt, während der Gesetzgeber die Wirksamkeit noch
begleitend erforschen lässt. Das ruft Kritiker auf den Plan. Die
medizinische Anwendung von Cannabis sei zwar seit mehr als 4700 Jahren
bekannt, heißt es in einem Fachbeitrag der Barmer Krankenversicherung, „ist
aber in vielerlei Hinsicht auch auf einem vorwissenschaftlichen Stand
stehen geblieben.“
Die politischen Bemühungen zum Cannabis-Anbau halten derweil mit dem Boom
kaum mit. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat den
Anbau von 10,4 Tonnen Medizin-Cannabis an Firmen ausgeschrieben. Das ist
deutlich mehr als zunächst geplant (6,6 Tonnen), doch Klagen gegen die
Regeln verzögern die Vergabe. [4][Die erste Ernte wird Ende 2020 erwartet],
hieß es zuletzt.Davon profitieren Exporteure aus den Niederlanden und
Kanada, die Cannabis nach Deutschland bringen. Der kanadische Konzern
Tilray etwa verkündete jüngst, Cannabisblüten ab sofort allen hiesigen
Apotheken zur Verfügung stellen. Und der Anbieter Nuuvera sieht ein
Potenzial von Hunderttausenden Hanf-Patienten in Deutschland.
## Gute Wachstumsbedingungen in Israel
Nun gab Israel grünes Licht für den Export von Medizin-Cannabis – auch nach
Deutschland. Das Land will sich einen Vorsprung sichern: 200 klinische
Studien laufen dort. Medizin-Hanf hat in Israel lange Tradition. Dass die
Wirkstoffe THC und CBD Schmerzen lindern und Krämpfe lösen können, fand der
israelische Wissenschaftler Raphael Mechoulam schon 1964 heraus. Die
niedrige Luftfeuchtigkeit und das günstige Klima machen den Anbau in dem
Land effizient. Mehr als 18 Tonnen medizinisches Cannabis werden laut
Gesundheitsministerium pro Jahr produziert. Aber besitzt Israel genug
Ressourcen für den Export?
Dadi Segal, Chef des Pharmaunternehmens Panaxia, ist optimistisch: „Wir
produzieren 50 000 Produkte pro Monat, im Safe liegen drei Tonnen Cannabis,
und wir sind bereit für mehr.“ Sollte die Nachfrage aus dem Ausland
steigen, könne Panaxia, einer der größten Produzenten Israels, in drei
Tagesschichten arbeiten. Der deutsche Markt sei sehr interessant, sagt
Segal. „Wir sind mit mehreren Firmen im Gespräch, die an medizinischem
Cannabis aus Israel interessiert wären.“
In Deutschland spüren einige Pharmafirmen die schnell steigende Nachfrage.
So ist der Kölner Verarbeitungsbetrieb „Cannamedical“ auf Exportländer wie
Kanada angewiesen. Lieferprobleme ließen sich schwer ausgleichen, sagt Chef
David Henn. Er würde Lieferanten aus Israel begrüßen. „Die geografische
Nähe würde den Export einfacher und schneller machen.“
4 Mar 2019
## LINKS
[1] /Bundestag-stimmt-fuer-Cannabis-auf-Rezept/!5376251
[2] /Petition-fuer-ueberwachten-Hanfanbau/!5517548
[3] /Medizinischer-Gebrauch-von-Cannabis/!5559641
[4] /Cannabis-Konferenz-in-Berlin/!5498085
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