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# taz.de -- EU erwägt CBD-Verbot: Cannabisbranche droht Dämpfer
> Die EU-Kommision erwägt ein Verbot des rauschfreien Cannabis-Wirkstoffs
> Cannabidiol. Das könnte eine aufkeimende Branche zerstören.
Bild: Ernte von Cannabispflanzen für Nahrungsergänzung in Sachsen
Berlin taz | Cannabidiol hätte eigentlich das Zeug zum neuen Superfood. Dem
auch als CBD bekannten, aus der weiblichen Hanf-Pflanze Cannabis sativa
gewonnen Wirkstoff werden zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben –
ohne Rauschgefahr und Abhängigkeitsrisiko. Wissenschaftlich sind die
bislang allerdings [1][noch unzureichend belegt]. Trotzdem gibt es bereits
eine CBD-Produktpalette von Gummibärchen über Handcremes bis hin zu
Adventskalendern. Auch CBD-Tiernahrung ist erhältlich.
Die EU-Kommission könnte der boomenden Branche jedoch bald ein jähes Ende
setzen. CBD-Produkte sind bisher in einer rechtlichen Grauzone als
Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel vertrieben worden. Seit
Frühjahr 2019 läuft ein Neubewertungsverfahren, das zur vorläufigen Ansicht
gelangt ist, dass CBD als Extrakt von Cannabis als Suchtstoff klassifiziert
werden muss und damit nicht als Lebensmittel zugelassen werden kann. Eine
abschließende Entscheidung soll Ende des Jahres fallen.
Die Einschätzung der Kommission steht dabei in krassem Gegensatz zur
[2][Einschätzung der WHO], die für CBD keinerlei Abhängigkeits-, Gefahren-
oder Missbrauchspotenzial feststellt. Bis zum Entschluss der Kommission
dürfen eigentlich keine CBD-Produkte in der EU vetrieben werden. Das
bestätigt auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Tatsächlich hängt die Durchsetzung aber von den regionalen und lokalen
Behörden ab, so dass ein Verbot in Deutschland bislang nur [3][in einzelnen
Städten Nordrhein-Westfalens] durchgesetzt wird.
Ein Verbot von CBD-Produkten wäre nach Ansicht von Jürgen Neumeyer,
Sprecher des Lobbyverbands Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW),
„katastrophal“ für die deutsche und europäische Hanfwirtschaft. Eine
Hochrechnung des Verbands geht für das Jahr 2020 davon aus, dass CBD-Shops
immerhin einen Umsatz von mindestens 1,8 Milliarden Euro pro Jahr machen.
Drogerien und Landwirtschaft sind dabei noch nicht berücksichtigt.
## Bedrohung für eine florierende Branche
Der noch Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Hanfanbau floriert
seit einiger Zeit wieder. So hat sich die Anbaufläche allein in Deutschland
nach Angaben des BcVW zwischen 2017 und 2019 von knapp 1.500 auf gut 3.000
Hektar verdoppelt. Das ist wegen der hierzulande strengen Bestimmungen aber
noch wenig. Laut dem Lobbyverband European Industrial Hemp Association
liegt die Anbaufläche EU-weit mittlerweile bei 50.000 Hektar – und ist doch
weit abgeschlagen hinter den Weltmarktführern USA (gut 211.000 Hektar) und
China (162.000 Hektar).
Diese Renaissance verdankt der Hanfanbau nicht nur dem CBD, sondern auch
seinen ökologischen Eigenschaften. So sei Hanf schnellwüchsig, benötige in
den meisten Fällen keine Pflanzenschutzmittel und lockere den Boden auf.
„Gerade bei den heute vorhandenen engen Fruchtfolgen wäre Hanf eine
wichtige Auflockerung, die zu einer größeren Biodiversität beitragen
würde“, so Andreas Muskolus vom Institut für Agrar- und Stadtökologische
Projekte an der Berliner Humboldt-Universität. Eine Ausweitung des
Nutzhanfanbaus hat sogar die brandenburgische Regierung [4][in ihrem
Koalitionsvertrag] festgelegt.
Auch in der Industrie gewinnt Hanf an Bedeutung. So wird die robuste
Hanffaser in der Autoindustrie, etwa in Türen und in Armaturenbrettern,
aber auch als umweltfreundliches Dämmmaterial verarbeitet. Das hänge auch
mit einem wachsenden Interesse an nachhaltigen Verbundstoffen zusammen,
heißt es aus dem Deutschen Institut für Textil- und Faserforschung.
Würde CBD zukünftig als Betäubungsmittel eingestuft werden, wäre der Konsum
nur noch über ärztliche Verschreibung möglich. Eine Folge wären steigende
Preise für die [5][laut Hanfverband] drei Millionen regelmäßigen
Konsument*innen, aber auch steigende Einnahmen für die Pharmabranche.
## Labor statt Natur
Kommt es zum Verbot, bestünde noch die Möglichkeit, eine Zulassung von
Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel mit synthetischem CBD als
[6][sogenanntes novel food] zu beantragen. Denn Grundlage der Einschätzung
als Suchtstoff ist die Nennung von Cannabis und aller darauf basierenden
Extrakte und Tinkturen im Einheitsübereinkommen der Vereinten Nationen über
Suchtstoffe von 1961. Was als Naturprodukt verboten ist, wäre aus dem Labor
theoretisch legal. Ein solches Zulassungsverfahren kostet allerdings
500.000 bis 1,5 Millionen Euro.
Wie umständlich die Rechtslage ist, zeigt ein [7][heutiges Urteil des
Europäischen Gerichtshofs] (EuGH). Ein französisches Unternehmen, das
E-Zigaretten mit tschechischem CBD-Öl vertreibt, hatte vor dem EuGH gegen
die Verurteilung durch ein französisches Gericht geklagt, da in Frankreich
nur Fasern und Samen gewerblich genutzt werden dürfen, das Öl aber aus der
ganzen Hanfpflanze gewonnen wurde. Der EuGH entschied nun, dass ein
EU-Mitgliedstaat den Vertrieb von aus einem anderen EU-Mitgliedstaat
importiertem CBD nicht verbieten darf, solange es dort legal produziert
worden ist.
19 Nov 2020
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/CBD-Produkte-Hat-Cannabidiol-eine-Wi…
[2] https://www.who.int/medicines/access/controlled-substances/CannabidiolCriti…
[3] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/koeln-oel-cbd-verkauf-verbot-100.…
[4] https://www.brandenburg.de/media/bb1.a.3833.de/Koalitionsvertrag_Endfassung…
[5] https://hanfverband.de/nachrichten/news/cbd-vor-dem-aus-in-europa
[6] https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/04_Antragsteller…
[7] https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2…
## AUTOREN
Maximilian Berkenheide
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