# taz.de -- 136.000 Versicherte und 300 Mitarbeiter: Krankenkasse droht die Ple… | |
> Die niedersächsische Krankenkasse BKK24 steht vor der | |
> Zahlungsunfähigkeit, eine Insolvenz könnte folgen. Keine Sorgen, sagt die | |
> Kasse. | |
Bild: Rezept gegen Medizin: Müssen sich Versicherte der BKK24 hier Sorgen mach… | |
HAMBURG taz | „Länger besser leben“, lautet der Werbespruch der | |
niedersächsische Krankenkasse BKK24. Unklar scheint im Moment, ob die | |
Krankenkasse dieses Motto auch für sich selbst einlösen kann: Sie steht mit | |
ihren rund 136.000 Versicherten vor einer möglichen Insolvenz. Der | |
gesetzliche Versicherer mit seiner Zentrale in Obernkirchen (Kreis | |
Schaumburg) hat ein offenbar mehrere Millionen Euro großes Loch in seinen | |
Finanzen, das es eigentlich nicht geben dürfte. | |
Ein sogenannter „Einmaleffekt“ soll laut Geschäftsführer Jörg Nielaczny … | |
der Notlage Schuld sein. Worum genau es sich dabei handeln soll, darüber | |
schweigt sich die BKK24 aus. Einerseits verlangt die Kasse vergleichsweise | |
niedrige Zusatzbeiträge, was für die finanziellen Probleme verantwortlich | |
sein könnte. Andererseits berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland | |
allerdings auch von „Unstimmigkeiten im Rechnungswesen“. | |
Am Montag hatte die Schaumburger Zeitung berichtet, dass bereits ein | |
Insolvenzantrag eingereicht worden sei. Das dementierte die BKK24 zwar | |
zunächst, bestätigte allerdings die finanzielle Schieflage und die | |
Befürchtung, dass der Versicherer vor der Zahlungsunfähigkeit stehe. | |
„Die BKK24 hat beim zuständigen Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) | |
vorsorglich einen möglichen Liquiditätsengpass angezeigt“, sagt Nielaczny. | |
Das BAS hat die Aufsicht über bundesweit tätige Krankenkassen und überprüft | |
derzeit die finanzielle Situation der BKK24. Das Bundesamt wäre auch | |
zuständig, im nächsten Schritt die Insolvenz zu beschließen. | |
## Millionenschweres Loch in der Kasse | |
Geschäftsführer Nielaczny gibt sich demonstrativ gelassen: „Die BKK24 ist | |
im Tagesgeschäft und strukturell gesund“, sagt er. Sorgen müssten sich | |
weder Mitarbeiter:innen noch die Versicherten machen. Welche Summe | |
genau fehlt, will die BKK24 nicht verraten. Nach Recherchen der | |
Schaumburger Zeitung sollen es mehr als 8,5 Millionen Euro sein. | |
Unmittelbar selbst lösen kann und darf die Kasse das nicht: Es ist | |
Krankenkassen grundsätzlich verboten, ohne ausdrückliche Erlaubnis Kredite | |
am Kapitalmarkt aufzunehmen. In den vergangenen Jahrzehnten kam es nur sehr | |
selten vor, dass Krankenkassen in finanzielle Schieflagen gerieten. Zuletzt | |
mussten zwei kleinere Kassen Anfang des vergangenen Jahrzehnts Insolvenz | |
anmelden. | |
Sollte an den berichteten Unstimmigkeiten im Rechnungswesen etwas dran | |
sein, stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit. Die beiden | |
gegenwärtigen Geschäftsführer – Nielaczny teilt sich die Aufgabe mit Tobias | |
Mittmann – hatten ihre Posten vor nicht einmal einen Monat übernommen. Nun | |
mussten sie als eine der ersten Handlungen im neuen Job die finanziellen | |
Schwierigkeiten bekanntgeben. Der vorherige Geschäftsführer hatte 31 Jahre | |
lang den Posten inne. | |
Und in dieser Zeit hatte die BKK24 einen rasanten Wachstumskurs hingelegt. | |
Ursprünglich war die mittlerweile fast 140 Jahre alte BKK24 eine kleine | |
Betriebskrankenkasse der Obernkirchener Glasfabrik Heye. Im Zuge der in der | |
Gesundheitsreform 1996 beschlossenen Wahlfreiheit für Versicherte – aber | |
auch durch Fusionen mit anderen Krankenkassen – wuchs die BKK24 im | |
vergangenen Vierteljahrhundert jedoch massiv von knapp 4.000 Mitgliedern | |
auf heute rund 136.000 an. | |
Erst 2017 schluckte die BKK24 die Mainzer BKK Advita mit 37.000 | |
Versicherten. Durch die Fusion wuchs der jährliche Umsatz auf rund 440 | |
Millionen. Knapp 300 Menschen, vor allem in der Zentrale in Obernkirchen, | |
arbeiten für die BKK24. | |
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums ändere eine Pleite der | |
Krankenkasse zunächst nichts am Versicherungsschutz der Mitglieder: „Auch | |
bei Schließung einer Krankenkasse durch die Aufsichtsbehörde oder bei einem | |
Insolvenzverfahren ist der Versicherungsschutz für die Mitglieder | |
gesichert.“ Neue Leistungsansprüche können Mitglieder dann nicht mehr | |
stellen, die laufenden würden dann von einer neuen Krankenkasse übernommen. | |
Doch so weit soll es laut Nielaczny nicht kommen. Die Beschäftigten müssten | |
keine Angst haben, ihre Jobs zu verlieren, betont Nielaczny. Und für die | |
Kundschaft gebe es derzeit ohnehin kein Grund zur Sorge: „Alle Versicherten | |
sind abgesichert. Alles wird normal bearbeitet.“ Ganz raus sind sie damit | |
allerdings nicht: Um das Finanzloch zu stopfen, müssen nämlich die | |
Versicherten selbst einspringen. | |
Zwar wolle man Zusatzleistungen nicht kürzen, um die Ausgaben zu senken, | |
allerdings hat die BKK24 bereits angekündigt, den Zusatzbeitrag ihrer | |
Mitglieder für einige Monate zu erhöhen, um die drohende Pleite abzuwenden. | |
So könnte das Loch durch die Versicherten geschlossen werden – sofern diese | |
nach der Ankündigung nicht in großen Massen ihre Mitgliedschaft kündigen. | |
4 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
## TAGS | |
Bundesministerium für Gesundheit | |
Niedersachsen | |
Insolvenz | |
Gesundheitspolitik | |
Krankenkassen | |
Bundesministerium für Gesundheit | |
Sozialgericht | |
Sozialgericht | |
Geflüchtete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gesundheitsversorgung in Deutschland: Diagnose Gewinnsucht | |
Das deutsche Gesundheitssystem ist auf Profite ausgerichtet. Die | |
Patientinnen bleiben dabei auf der Strecke. | |
Medizinischer Gebrauch von Cannabis: Kein Cannabis für ADHS-Patient*innen | |
Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen haben | |
ADHS-Patient*innen keinen Anspruch auf eine Therapie mit Cannabis. | |
Kasse muss Operation in den USA zahlen: Richter retten Leben | |
Das Bremer Sozialgericht hat entschieden, dass die Krankenkasse für eine | |
teure Behandlung im Ausland zahlen muss, wenn sie alternativlos ist. | |
Niedersachsen-Kommunen blockieren medizinische Versorgung von Flüchtlingen: Ei… | |
Fast alle niedersächsischen Kommunen weigern sich, eine elektronische | |
Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen, die deren medizinische | |
Versorgung erleichtert. Sie fürchten zu hohe Kosten und eine zu gute | |
Behandlung der Schutzsuchenden |