Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abgeordnete über Cannabis-Legalisierung: „Es wäre dringend an d…
> Die Bremer Psychiaterin Kirsten Kappert-Gonther kämpft als
> drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für die
> Legalisierung von Cannabis.
Bild: Es könnte so professionell sein: Legaler Cannabis-Anbau in Denver, Color…
taz: Fau Kappert-Gonther, erleben wir jetzt den Durchbruch bei der
Cannabis-Diskussion?
Kirsten Kappert-Gonther: Das wäre dringend an der Zeit. Im Bundestag werden
wir mehrere Initiativen diskutieren: Die Linke fordert das Absehen von der
Strafverfolgung bei geringen Mengen, die FDP schlägt vor, die gesetzliche
Voraussetzung für Modellversuche auf Landesebene zu schaffen, Cannabis als
Genussmittel legal abzugeben.
Brauchen wir noch Modellversuche?
Sie haben Recht, die Evidenz ist schon da: Die Prohibitionspolitik ist auf
ganzer Linie gescheitert. Um das festzustellen, bräuchte es keine weiteren
Erhebungen. Und wenn man Gesundheit und Jugendschutz voran bringen will,
muss der Weg kontrollierte Abgabe heißen: Auf dem Schwarzmarkt gibt es
weder das eine noch das andere. Wenn es also um Vernunft ginge, würde jetzt
der Vorschlag der Grünen-Fraktion für ein Cannabis-Kontrollgesetz im
Parlament angenommen.
Das Kontrollgesetz ist …?
Unser Kontrollgesetz ist in der Debatte der weitestgehende Entwurf, der
alles regelt, was Anbau, Vertriebswege, Deklarationspflicht und den Umgang
mit kontrollierter Abgabe angeht. Das wäre der große Wurf und ich glaube,
dass sich auch irgendwann die Vernunft durchsetzen wird. Die Entwürfe von
FDP und Linksfraktion entsprechen allerdings unserer Haltung, weil sie
erste Schritte zu einer Liberalisierung sein können.
Wenn nicht das Cannabis-Kontrollgesetz angenommen wird?
Ich vermute, dass es dazu noch keine Bereitschaft gibt. Ich hoffe darauf,
aber sollte es noch keine Bereitschaft dazu geben, ist der Vorschlag,
wenigstens Modellversuche zuzulassen, ein sinnvoller Zwischenschritt: Das
hatten wir ja auch vor anderthalb Jahren in der Bundesratsinitiative
gefordert, die wir von Bremen aus gestartet hatten.
Hier haben die Sozialdemokraten jetzt offenbar aus Angst vor der eigenen
Courage die Forderung fallen gelassen, die in der Koalition vereinbarte
Liberalisierung umzusetzen.
Ja, ich bedauere das sehr. Das steht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag
zwischen SPD und Grünen, der ja eine Entkriminalisierung festschreibt.
Damit werden zwei Ziele verfolgt. Gesundheitspolitisch ist es richtig mit
der Prohibition aufzuhören. Innenpolitisch aber auch: Es geht darum, die
Polizei von unsinnigen Tätigkeiten zu entlasten. Denn die hat ja fraglos
wichtige Aufgaben, und es ist vollkommener Quatsch, wenn Polizei und Justiz
für die Verfolgung von Konsument*innen ihre Kräfte verschwenden müssen. Das
nützt niemandem, außer dem organisierten Verbrechen, weil die Polizei für
dessen Bekämpfung zu wenig Kapazitäten hat. Das Verhalten der SPD in Bremen
steht auch im Widerspruch zu ihrer bisherigen Linie.
Inwiefern?
Noch als ich in der Bremer Grünenfraktion war, hatten wir ja gemeinsam den
Senat aufgefordert, die Schritte umzusetzen, die auf Landesebene möglich
sind. Diese Einigung hat die SPD jetzt verlassen. Dafür fehlt mir jedes
Verständnis. Ich finde es auch falsch, dass sich die SPD auf Bundesebene
als Bremsklotz betätigt: Die Union ist bei der Cannabislegalisierung
ohnehin vernagelt. Aber bei der SPD gab es mal hoffnungsvolle Anzeichen von
Vernunft.
Damit ist jetzt Schluss?
Damit ist anscheinend leider Schluss. Wenn wir eine vernünftige SPD auf
Bundesebene hätten, könnte man jetzt schon mit den Stimmen von FDP, Linken,
uns Grünen und der SPD die kontrollierte Abgabe einführen.
Ist die Chance mit der großkoalitionären Einigung nun verpasst?
Sie ist zumindest nicht größer geworden. Die Bereitschaft, sich auf den Weg
zu machen, war aber auch vorher nicht sonderlich ausgeprägt.
Zugleich hat sich Bremen auch die Möglichkeit verbaut, Vorreiter zu sein –
weil die Liberalisierungsgegner befürchten, eine Insellösung führe zu
Drogentourismus.
Das Argument kenne ich, ja. Es ist aber nicht stichhaltig: Wer soll sich
denn in Niedersachsen in den Bus nach Bremen setzen, um dort zehn Gramm zu
kaufen, von denen er aber vier auf dem Rückweg konsumieren muss, um in
Niedersachsen wieder unter der Straffälligkeitsgrenze zu landen. Das macht
kein Mensch. Und keins der Bundesländer, die eine Zehn-Gramm-Grenze
eingeführt haben, klagt über Drogentourismus. Ich halte das für ein
vorgeschobenes Argument.
Bloß warum? Aus Angst?
Ich glaube, es gibt mehrere Aspekte. Ich vermute, dass die Alkohol-Lobby
starken Einfluss ausübt: Sie hat ein großes Interesse daran, dass Cannabis
nicht legalisiert wird. Wer Cannabis konsumiert, trinkt möglicherweise
weniger Alkohol. Wahr ist allerdings auch, dass viele Fehlinformationen in
Bezug auf Cannabis zirkulieren. Viele Menschen wissen nicht, dass man sich
zwar mit Alkohol, umbringen kann, nicht aber mit pflanzlichem Cannabis:
Damit kann man viel machen, auch sich schädigen – aber tödlich ist es
nicht. Oder, wie groß die Bedeutung der Zusammensetzung ist, also dass
Cannabis, wenn es viel THC enthält, zu Halluzinationen führen kann, aber
rein entspannend und schmerzlindernd wirkt, wenn die Cannabidiole
dominieren: Solche Wirkstoffe führen auch nicht dazu, dass psychotisches
Erleben verstärkt wird.
Sie selbst waren auch anfangs skeptisch bezüglich der Cannabis-Freigabe
Ja. Das begründete sich genau in meiner psychiatrischen Arbeit: Ich hatte
viel mit Menschen zu tun, die durch Cannabis-Konsum in schwierige
psychische Zustände gekommen sind. Ich hatte damals nicht verstanden, dass
diese Effekte sich unter den Bedingungen des Schwarzmarkts verstärken: Auf
dem Schwarzmarkt gibt es keine Deklarationspflicht, da gibt es keine
Einsicht in die Wirkstoffkombination, und durch die Kriminalisierung werden
die Leute, die Schwierigkeiten bekommen, abgehalten, sich Hilfe zu holen.
Dass es gerade die Bedingungen der Prohibition und des Schwarzmarkts sind,
die dem Gesundheitsschutz im Wege stehen, um das zu verstehen, habe ich
eine Weile gebraucht.
13 Feb 2018
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Cannabis
Legalisierung Marihuana
Drogen
Cannabis
Cannabis
Umsatz
Cannabis
Cannabis
Cannabis
Cannabis
Modellprojekt
Legalisierung Marihuana
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorstoß für liberalere Drogenpolitik: Bremen soll vorausgehen
Der Paritätische Bremen will illegale Drogen für die KonsumentInnen
entkriminalisieren. Zuletzt scheiterte das am Widerstand der SPD.
Cannabis-Legalisierung in Bremen: Der verdampfte Konsens
Bremens SPD hat sich von der Cannabis-Legalisierung verabschiedet und damit
die Grünen verärgert. Als Wahlkampfthema taugen Drogen aber immer noch.
Cannabis-Konferenz in Berlin: „Das wird ein Milliardenmarkt“
Große Unternehmen, aber auch Brandenburger Landwirte interessieren sich für
die Produktion von medizinischem Cannabis, sagt Anwalt Walter Späth.
Cannabis-Unternehmer über Anbausperre: „Haben ein weiteres Jahr verloren“
Patienten müssen wegen eines Fehlers bei der Ausschreibung auf deutsches
Cannabis warten. Hendrik Knopp erklärt, was das für die Branche bedeutet.
Aktivist über Legalisierung von Cannabis: „Spahn entscheidet nicht allein“
Die Cannabis-Entkriminalisierung wird inzwischen auch von Teilen der SPD
gefordert. Nun wird mit Jens Spahn ein CDU-Rechter Gesundheitsminister. Was
bedeutet das?
Entkriminalisierung von Cannabis: Theoretische Mehrheit im Bundestag
FDP, Linke und Grüne bringen Vorschläge zur Liberalisierung der „weichen
Droge“ ein. Auch die SPD scheint nicht abgeneigt.
Entkriminalisierung von Cannabis: Bremer SPD gegen Insellösung
Eigentlich wollte die rot-grüne Koalition in Bremen den Cannabis-Besitz
entkriminalisieren. Die Grünen wollen immer noch. Aber die SPD will nicht
mehr.
Grüner Kämpfer für ein Modellprojekt: Der Genießer
Thomas Schremmer (Grüne) will ein Modellprojekt für den Verkauf von
Cannabis, kommt aber gegen die SPD nicht an. Bleibt ihm nur, Bremen zu
bejubeln.
Legalisierung von Cannabis: „Der Turning Point ist überschritten“
Cannabis ist in der Gesellschaft angekommen, sagt Günther Jonitz, Präsident
der Berliner Ärztekammer. Die Liberalisierung sei auch nicht mehr
aufzuhalten.
Rot-rot-grüne Drogenpolitik: Vorwärts zum Hanf
Bei einem Hearing im Abgeordnetenhaus ist die SPD kaum wiederzuerkennen:
„Wir müssen bei der Entkriminalisierung von Cannabis liefern.“
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.