# taz.de -- Erwartungen Transsexueller enttäuscht: Schnell mal ein Gesetz gema… | |
> Für Verärgerung und Proteste auch in Bremen hat der Entwurf fürs neue | |
> Transsexuellengesetz gesorgt. Jetzt ist er erst einmal wieder vom Tisch | |
Bild: Über das Geschlecht entscheidet immer noch eine Beratungsstelle | |
BREMEN taz | Aufgrund großer Kritik haben die Ministerien für Inneres und | |
Justiz ihren vergangene Woche vorgelegten Vorschlag für ein neues | |
Transsexuellengesetz (TSG) bereits wieder zurückgezogen. Die Novelle war | |
lange angekündigt worden, es ging darum, die veralteten Bestimmungen von | |
1981 zu überarbeiten. Die Stellungnahmen hätten nun aber im Eilverfahren | |
abgegeben werden sollen. Darüber und über die Inhalte des Gesetzentwurfs | |
hatten sich Interessensvereinigungen beschwert – aus Bremen der Verband | |
Trans*Recht. | |
„Der Gesetzesentwurf bringt leichte Verbesserungen für Trans*personen, | |
bleibt aber weit hinter den gestellten Forderungen“, urteilte Maike-Sophie | |
Mittelstädt vom Trans*Recht-Vorstand. Andere europäische Länder wie | |
Frankreich, Irland oder Schweden seien schon deutlich weiter. | |
Trotzdem würde das neue Gesetz einige kleine Änderungen bringen. So soll es | |
künftig reichen, eine Beratungsstelle aufzusuchen, um eine Namens- und | |
Personenstandsänderung zu beantragen. Bislang sind dafür zwei Gutachten | |
nötig. Doch auch hier sind noch einige Fragen offen, da die | |
Beratungsstellen erst noch geschaffen werden müssen. | |
Mittelstädt begrüßt das, hat aber Sorge vor der Ergebnisoffenheit dieser | |
von den Ministerien eingesetzten Beratung. Die Berater*innen müssen nämlich | |
medizinisches Fachpersonal sein. Die vorgeschriebene Beratungspflicht würde | |
kaum Verbesserungen bringen. Zudem kommen Trans*personen nicht an einer | |
Gerichtsverhandlung vorbei. | |
## Nachweispflicht weiterhin im Zentrum | |
Mit dem neuen Gesetz würde die Nachweispflicht weiterhin im Zentrum stehen. | |
„Leider geht es immer noch nicht um geschlechtliche Selbstbestimmung“, so | |
Mittelstädt. Dem stimmt auch Doris Achelwilm zu. Die Bremer | |
Bundestagsabgeordnete ist dort queerpolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion. Sie nennt den Entwurf „eine herbe Enttäuschung“. | |
Grund: „Für geschlechtliche Selbstbestimmung und weitgehende | |
Entdiskriminierung sorgt er bei Weitem nicht. Hier muss deutlich | |
nachgesteuert werden.“ Nachweispflichten würden zu Pathologisierung der | |
Betroffenen führen. | |
Einige Trans*personen wählten einen anderen Weg. Ende letzten Jahres wurde | |
ein Gesetz zur sogenannten „Dritten Option“ erlassen. Damit können Personen | |
ihren Geschlechtseintrag entweder streichen lassen oder in die Kategorie | |
„divers“ ändern lassen. Dabei müssen allerdings auch wieder Ärzt*innen e… | |
Bescheinigung ausstellen, mit der man dann zum Standesamt geht. | |
Dies bedeutet weniger Aufwand, als sich mehrere Gutachten holen zu müssen. | |
Zudem ist man nicht sicher, wie die Gutachter*innen auswerten werden. | |
Absurderweise dürfen alle Ärzt*innen diese Bescheinigung ausstellen. | |
„Ich habe schon Geschichten gehört, wo Hals-Nasen-Ohren-Ärzt*innen dieses | |
Attest ausgestellt haben“, so Mittelstädt. Diese Version der | |
Personenstandsänderung sei zudem auch deutlich kostengünstiger als der Weg | |
übers TSG. Das neue Gesetz kann als direkte Reaktion auf diese Neuerung | |
verstanden werden. Die dritte Option war eigentlich nur für Inter*personen | |
vorgesehen. Jedoch versuche man jetzt, beide Verfahren anzugleichen. | |
„Gesetzlich wäre eine dritte Option für alle, die wollen, gangbar gewesen �… | |
menschenrechtlich geboten war sie ohnehin. Dass die GroKo anders | |
entschieden hat und Geschlechtervielfalt nur in Form der Kategorien Mann, | |
Frau, und Menschen mit körperlichen Abweichungen denken und gewähren will, | |
haben wir scharf kritisiert“, so Achelwilm. Auch Mittelstädt kritisiert | |
diese Aufteilung. Mit dem neuen TSG würde nicht wirklich zur | |
Geschlechtervielfalt beigetragen, sondern weiterhin die binäre | |
Geschlechtsaufteilung gefördert werden. | |
„Für die Kürze der Frist bitten wir um Verständnis“, stand in dem | |
Ankündigungsschreiben an die Verbände. Diese hatten gerade mal zwei Tage | |
Zeit, um Stellung zu dem Gesetzesvorschlag zu beziehen, der über 30 Seiten | |
umfasst. Für Trans*Recht fühle sich das Vorgehen wie politische Repression | |
an, so Mittelstädt. Trotzdem habe man es geschafft, innerhalb dieser sehr | |
kurzen Frist ein ausführliches Statement abzugeben. | |
Auch Achelwilm kritisiert dieses Vorgehen der Ministerien. „Für Betroffene | |
ist diese Änderung mit großen Hoffnungen verbunden“, so Achelwilm: „Diese | |
Fristsetzung ohne Not zeugt nicht gerade von Respekt.“ Das Innenministerium | |
ist nun angehalten, einen neuen Gesetzesentwurf vorzulegen. | |
21 May 2019 | |
## AUTOREN | |
florian maier | |
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