# taz.de -- Filmfestspiele in Cannes: Viele Stars und lebende Tote | |
> Cannes eröffnet mit Jim Jarmuschs Zombiefilm. „The Dead Don't Die“ ist | |
> eine Verneigung vor den Meistern dieses Genres. | |
Bild: Auch Iggy Pop kriegt seinen Auftritt in Jim Jarmuschs Zombiestreifen | |
In der Stadt hatte man sie überall hängen sehen. Die Plakate mit der | |
grünlich schimmernden Hand, die aus dem Erdreich hervorkommt, dazu der | |
Titel „The Dead Don’t Die“. Jim Jarmuschs jüngster Spielfilm, der am | |
Dienstag in Cannes zur Eröffnung lief, ist in Frankreich tags darauf in den | |
Kinos gestartet. | |
Mit seinem Zombie-Ulk „The Dead Don’t Die“ ist Jim Jarmusch, der lange als | |
unabhängiger Filmemacher für sich das Privileg in Anspruch nehmen konnte, | |
zu seinen Filmen auch die Rechte an den Negativen zu haben, jetzt beim | |
Branchenriesen Universal angekommen. | |
Ein „The Dead Don’t Die“ hat unter Genreaspekten jedenfalls gute Chancen, | |
viele Leute neugierig zu machen. Selbst in den USA, wo der aus Akron, Ohio, | |
stammende Regisseur weniger populär ist als in Europa. Zombies mag man in | |
Jarmuschs Heimat dafür umso mehr. | |
Ob die geneigten Zombie- und Jarmusch-Fans von diesem Genreausflug, oder | |
besser: filmischen Genrekommentar so richtig begeistert sein werden, ist | |
allerdings die Frage. Zunächst einmal hat „The Dead Don’t Die“ viele | |
Annehmlichkeiten zu bieten. | |
## Einer, der sämtliche Zombiefilme gesehen hat | |
Eine Starbesetzung mit Bill Murray, Tilda Swinton, Adam Driver, Chloë | |
Sevigny, Danny Glover, Tom Waits und Iggy Pop, einen souverän abgehangenen | |
Titelsong des Countrymusikers Sturgill Simpson, der im Film auch einen | |
kurzen Auftritt als Untoter absolviert, und eine in sich schräge | |
Grundanlage: Dass Jarmusch einen Zombiefilm gedreht hat, überrascht | |
allemal. | |
Wenn dann eine der Figuren, der Filmnerd Bobby Wiggins, gespielt von Caleb | |
Landry Jones, auf die Frage nach seinen exzellenten Kenntnissen darüber, | |
wie man Zombies wieder in den gewünschten Zustand des Todes zurückversetzt, | |
zu verstehen gibt, er habe sämtliche Zombiefilme gesehen, mag das zugleich | |
eine Selbstauskunft über Jarmusch sein. | |
Wie der ganze Film sich zusammenfügt aus Verneigungen vor Größen des | |
Genres, allen voran George A. Romero, und einem ständigen Spiel mit den | |
Ebenen des Films. | |
So zitiert einerseits der Anfang, bei dem ein Auto an einem menschenleeren | |
Friedhof entlangfährt, Romeros Klassiker „Night of the Living Dead“ von | |
1968. Wenig später andererseits erklärt Adam Driver, der im Film einen | |
Polizisten in einer Kleinstadt spielt, seinem älteren Kollegen (Bill | |
Murray), dass der Song, den die beiden auf ihrer Patrouille gerade im | |
Autoradio hören, der Titelsong des Films ist. | |
## Einen Witz aus Halbverdautem zaubern | |
Die Handlung spielt dafür eine untergeordnete Rolle. Irgendetwas ist | |
passiert, und deshalb öffnen sich plötzlich Gräber und Leute kehren auf die | |
Erde zurück, nachdem sie zum Teil schon sehr lange unter ihr geweilt | |
hatten. Die noch Lebenden erwehren sich darauf der Untoten, so gut es geht. | |
Manch Spielerei gelingt Jarmusch gut. In der ihm typischen Albernheit kann | |
er sogar aus so unappetitlichen Anblicken wie den halb verspeisten Opfern | |
einer Zombieattacke den Witz zaubern. Einfach, indem er die drei | |
Ortspolizisten (Bill Murray, Adam Driver und Chloë Sevigny), nacheinander | |
die Opfer betrachten lässt und jedes Mal die exakt gleichen Einstellungen | |
der Opfer wiederholt. Und danach jedes Mal die exakt gleichen Kommentare | |
folgen lässt: „Was war das? Ein wildes Tier? Oder mehrere wilde Tiere?“ | |
Irgendwann sind Jarmusch die Ideen jedoch ausgegangen. So ist es zwar noch | |
herrlich komisch, Iggy Pop und Sara Driver, die ersten beiden Zombies im | |
Film, in einem Diner beim Anblick einer Kaffeemaschine das Wort „Coffee“ | |
keuchen zu hören. Bloß, dass dann so ziemlich alle der Wiederbelebten ihre | |
Lieblingsdinge mit heiser knurrender Stimme benennen („WLAN“, „Gitarre“, | |
„Chardonnay“), tut schon rasch nicht mehr not. | |
Ein Highlight ist Tom Waits in der Rolle eines schrulligen Einsiedlers, der | |
zurückgezogen im Wald lebt und das Geschehen aus der Ferne kommentiert. | |
Seinen abschließenden Kommentar, der das konsumkritische Anliegen des Films | |
– auch das ein Romero-Zitat – noch einmal explizit formuliert, hätte sich | |
Jarmusch aber im Drehbuch verkneifen können. Kein Höhepunkt seiner | |
Laufbahn, für einige schöne Momente reicht es gleichwohl. | |
16 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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