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# taz.de -- Westbalkan-Konferenz in Berlin: Ein Hintertürchen ist offen
> Serbien und Kosovo einigen sich bei der Balkankonferenz auf einen
> konstruktiven Dialog. Doch in beiden Ländern dürfte es Widerstand geben.
Bild: Empfangskomitee für den serbischen Präsidenten Vucic
Split taz | Im Mittelpunkt der am späten Montagnachmittag in Berlin
begonnenen Westbalkan-Konferenz stand der [1][Konflikt zwischen Serbien und
Kosovo]. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dazu ins Kanzleramt
eingeladen. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron
wollte sie mit den Vertretern der Westbalkanstaaten, das sind Albanien,
Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Nord-Mazedonien, Montenegro,
Serbien und Slowenien, über die Perspektiven der Region sprechen. Zwar sind
Slowenien und Kroatien schon Mitglieder der EU, doch die anderen Staaten
hoffen darauf, bald eine ernsthafte Beitrittsperspektive zu erhalten.
Größtes Hindernis dafür bleibt das angespannte Verhältnis zwischen Serbien
und Kosovo.
Dass Macron und Merkel gemeinsam handeln, hat in Brüssel Verwunderung
ausgelöst. Denn die zuständige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wurde
nur als Gast zu den Gesprächen eingeladen. Fest steht, dass sie wenig
erfolgreich war und der Integrationsprozess der sechs in Frage kommenden
Länder des Westbalkan zum Halten gekommen ist.
Das hat nicht nur mit der Erweiterungsmüdigkeit der Bevölkerung innerhalb
der EU zu tun, sondern auch mit der bisherigen Inaktivität so wichtiger
Staaten wie Frankreich, das eher nach Nordafrika blickt als auf den Balkan.
Macron und Merkel hoben zwar hervor, dass es bei dem Gespräch mit den
betroffenen Staaten im Kanzleramt nicht um einen Beitritt zur EU gehe,
obgleich man sich einer europäischen Perspektive dieser Länder verpflichtet
fühle.
## Konstruktiver Dialog unter Vermittlung der EU
Merkel und Macron wollten mit der Einladung ins Kanzleramt aber ein Zeichen
für Europa setzen. Denn nicht einmal vier Wochen sind es her, dass China
noch mehr Staaten der Region zu einer Konferenz nach Dubrovnik eingeladen
und bedeutsame Investitionen in die Infrastruktur des Balkans angekündigt
hatte. Auch in Bezug auf Kosovo kam man nicht weiter. Zwar versprachen
Belgrad und Prishtina, „ihre Anstrengungen zur Umsetzung bestehender
Vereinbarungen voranzutreiben“ und unter Vermittlung der EU wieder
„konstruktiv“ den Dialog fortzuführen, doch einen konkreten Fahrplan gibt
es nicht
Die Teilnehmer der Konferenz unterstrichen die Bedeutung eines rechtlich
bindenden Abkommens zwischen Belgrad und Prishtina zur Normalisierung ihrer
Beziehungen. Dies würde nicht nur zur Stabilität in der Region beitragen,
sondern wäre auch von zentraler Bedeutung für den Weg Serbiens und Kosovos
nach Europa. Angela Merkel hatte schon 2011 eine Initiative in Bezug auf
beide Länder gestartet. Ohne eine Lösung des Kosovokonfliktes könnte
Serbien nicht in die EU integriert werden, hatte sie damals Serbien
gedroht.
Immerhin wurden seither tatsächlich einige Verbesserungen vor allem für die
sechs Prozent der Gesamtbevölkerung stellende serbische Minderheit im
Kosovo erreicht. Doch der große Wurf gelang nicht. Der besteht darin, dass
Serbien das seit 2008 unabhängige Kosovo diplomatisch anerkennt.
## Russland und USA signalisieren Unterstützung
Seit letztem Jahr ist allerdings Bewegung in die Diskussion gekommen. Denn
die Präsidenten beider Länder, Alexander Vucic und Hashim Thaci, brachten
bei einem europäischen Forum im österreichischen Alpbach im August
vergangenen Jahres einen Gebietsaustausch zwischen beiden Staaten ins
Spiel. Ein Teil des von Serben bewohnten Nordkosovos sollte Serbien
zugeschlagen werden, im Gegenzug könnte das Presevo-Tal im Südwesten
Serbiens, wo überwiegend Albaner wohnen, Kosovo angegliedert werden. Dann
könnte die diplomatische Anerkennung Kosovos durch Serbien erfolgen.
Da auch der russische Präsident Wladimir Putin und der US-Präsident Donald
Trump ihre Unterstützung für diesen Plan signalisierten, schwenkte auch die
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auf diese Position ein. Für die
Kritiker bedeutet der Plan jedoch einen ethnisch definierten
Gebietsaustausch, der die „Büchse der Pandora“ in einer Vielvölkerregion
wie dem Balkan öffnen würde. An dieser Position, die bis letzten Juni auch
Konsens in der EU war, hielt Angela Merkel mit Unterstützung durch die
nordischen Staaten und Großbritanniens eisern fest.
Mit Blick auf die Konsequenzen in den Nachbarländern, so in Mazedonien und
Montenegro, wo es albanische Siedlungsgebiete gibt, und in dem fragilen
Staat Bosnien und Herzegowina befürchten die Kritiker – so auch die
Führungen dieser Länder – weitreichende Nationalitäten-Konflikte, falls
sich die Idee durchsetzen würde.
Kosovo-Präsident Hashim Thaci will von einem Gebietsaustausch nach außen
hin nichts mehr wissen. „Ich werde niemals einem Austausch von Territorien
zustimmen, ich treibe keinen Handel mit Territorien des kosovarischen
Staatsgebiets“, sagte Thaci in Berlin. Doch er ließ sich ein Hintertürchen
offen und sprach von „Grenzkorrekturen“ und betonte die Freundschaft zu den
USA. Auch Vucic schlug die Tür für die Idee eines Gebietsaustausches nicht
zu. Er wolle sich gerne die Vorschläge seiner Gastgeber anhören. „Wenn es
klügere Vorschläge gibt, bin ich sehr bereit zuzuhören. Aber bisher habe
ich noch keine klügeren gehört.“
Beide Präsidenten stehen jedoch unter dem Druck der Öffentlichkeiten ihrer
Länder. Sowohl die Orthodoxe Kirche und eine heftige oppositionelle
Demonstrationsbewegung in Belgrad setzen Vucic zu. Und Thaci muss in Kosovo
ebenfalls mit Widerständen der Opposition und aus der Bevölkerung rechnen.
30 Apr 2019
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## AUTOREN
Erich Rathfelder
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