# taz.de -- AfD macht Druck auf Kulturinstitutionen: Nicht mehr über Politik r… | |
> Im sächsischen Freiberg unterbindet die Neue Rechte missliebige | |
> Diskussionen. Der Oberbürgermeister knickt vor AfD-Stadträten ein. | |
Bild: Freiberg hat eine Universität, einen Dom, ein Schloss, ein Theater – u… | |
„Es ist das Recht künstlerischer Arbeit, gesellschaftspolitische Fragen zu | |
reflektieren und Position zu beziehen“, heißt es in einer Erklärung der | |
Kulturminister der Bundesländer vom 13. März dieses Jahres. So praktizieren | |
es auch die Theater in Sachsen, die sich ausdrücklich als Orte des | |
kommunalen Dialogs verstehen. Im mittelsächsischen Freiberg kann die AfD | |
dennoch demonstrieren, wie weit ihr kulturpolitischer Durchgriff bereits | |
jetzt reicht. | |
Auf Druck der AfD-Stadträte untersagte der aus der SPD ausgetretene | |
Oberbürgermeister Sven Krüger als Gesellschafter der Mittelsächsischen | |
Theater GmbH künftig solche Veranstaltungen. Krüger war bereits mit dem | |
gescheiterten Versuch, einen Asylbewerber-Aufnahmestopp zu erwirken, | |
überregional bekannt geworden. | |
Den Anlass lieferte die dritte Diskussion der Reihe „Dialog – Wir haben die | |
Wahl“ am 28. März. Zu Gast war die Publizistin Liane Bednarz mit ihrem Buch | |
„Angstprediger“. Mit dem neuen örtlichen Pfarrer Michael Stahl diskutierte | |
sie die Unterfrage „Wenn Christen Populisten werden“, moderiert vom | |
FAZ-Journalisten Stefan Locke. Die Gesellschafterversammlung hatte am | |
selben Tag eine kurzfristige Verlegung vom Theater in den städtischen | |
Festsaal beschlossen, angeblich wegen erwarteter Störungen. AfD-Anhänger, | |
denen das Thema hörbar nicht passte, kamen aber in der Diskussion zu Wort. | |
## Gespräch über Politik als Wahlwerbung diskreditiert | |
Den beiden AfD-Stadträten genügte das nicht. In der Stadtratssitzung Anfang | |
Mai musste OB Krüger in der Fragestunde auf ihre Anfrage antworten. Er | |
zitierte einen Brief, den er bereits im April an das Theater geschrieben | |
hatte. Darin knickt er vor der AfD ein und unterstellt Intendant Ralf-Peter | |
Schulze, „Wahlwerbung betrieben, Statuten verletzt und Geld zweckentfremdet | |
zu haben“. In Zeiten des Vorwahlkampfes sei strikte Neutralität geboten. | |
Deshalb dürften „derartige Veranstaltungen künftig nicht mehr in den | |
Räumlichkeiten des Theaters organisiert und durchgeführt werden“. | |
Das Theater löschte zugleich einen Link zur „Erklärung der Vielen“, zu | |
deren Erstunterzeichnern Intendant Schulze und Schauspieldirektorin Annett | |
Wöhlert im vorigen Herbst gehörten. | |
Der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer Hans-Peter Ickrath zeigt | |
Verständnis für das Verdikt der Gesellschafter. Er habe „das Gefühl, dass | |
der eine oder andere sein Süppchen auf dem Rücken des Theaters kocht“. Man | |
solle jeden Anschein meiden, nicht neutral zu sein. Etwas anderes sei die | |
Ansprache politischer Fragen im künstlerischen Rahmen, in den | |
Inszenierungen. Intendant Schulze, mit dem er im Sinne des wirtschaftlichen | |
und künstlerischen Erfolgs der Bühne ansonsten gut zusammenarbeite, sei da | |
anderer Auffassung. | |
## Sachsen Staatsministerin für Kunst widerspricht | |
Eine andere Auffassung vertritt auch Sachsens Kunstministerin Eva-Maria | |
Stange (SPD). Sie spricht von einem „einmaligen Vorgang in Sachsen“ und | |
sieht die Kunstfreiheit gefährdet. „Wir benötigen den freien | |
Meinungsaustausch mit allen“, fordert sie weiter. „Theater ist in gewisser | |
Weise immer politisch und dient der Meinungsbildung“, schreibt auch die | |
Freiberger Landtagsabgeordnete der Linken Jana Pinka. Sie weist die | |
Vorwürfe von AfD und Oberbürgermeister zurück, es habe Wahlwerbung oder | |
Propaganda gegen eine bestimmte Partei gegeben. Für eine parteipolitische | |
Veranstaltung hätte er auch nicht zur Verfügung gestanden, erklärt | |
Moderator Stefan Locke. | |
Mittlerweile haben sich Schauspielchefin Wöhlert und Pfarrer Stahl mit | |
Briefen an den Oberbürgermeister gewandt. „Theater ist überparteilich, aber | |
nie wertfrei“, erklärt Intendant Schulze in einem Aushang für die | |
Belegschaft. Er sehe allerdings „ernsthafte Symptome eines | |
gesellschaftlichen Wandels, denen es entgegenzutreten gelte“, ergänzt er im | |
Gespräch. In naher Zukunft soll es ein klärendes Gespräch mit den | |
Gesellschaftern der Städte Freiberg, Döbeln und des Landkreises | |
Mittelsachsen geben. | |
Auch in Leipzig wehrt sich die Freie Szene derzeit gegen einen | |
Extremismusvorwurf der AfD, die den unabhängigen Künstlern deshalb | |
Fördergelder streichen will. | |
15 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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