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# taz.de -- Verbote im Theater Freiberg: Festhalten an politischer Bildung
> Der Bürgermeister von Freiberg hat bestimmte Diskussionsveranstaltungen
> im Mittelsächsischen Theater untersagt. Jetzt regt sich Widerstand.
Bild: Stadtansicht Freiberg mit Dom
DRESDEN taz | Im Mittelsächsischen Freiberg haben der Oberbürgermeister und
die beiden anderen Gesellschafter des Theaters diesem politisch brisante
Diskussionsveranstaltungen untersagt, die als Positionierung gegen eine
bestimmte Partei gewertet werden könnten. Anlass war eine Diskussion in der
Reihe „Dialog – Wir haben die Wahl“ vom 28. März.
Die Autorin Liane Bednarz diskutierte mit dem örtlichen Pfarrer Michael
Stahl über das in ihrem Buch „Angstprediger“ beschriebene Vordringen von
Rechtspopulisten in die Kirchen. Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos)
sah darin eine Verletzung der Neutralitätspflicht und einen Verstoß gegen
den Gesellschaftervertrag der Theater-gGmbH.
Am 15. Mai [1][berichtete die taz] darüber und löste damit ein
Gegendarstellungsverlangen von Oberbürgermeister Krüger aus. Das Freiberger
Stadtoberhaupt wehrt sich gegen die Behauptung, er sei vor der AfD
eingeknickt und habe in der Fragestunde des Stadtrats Anfang Mai aus einem
Brief zitiert, den er im April nach der AfD-Anfrage an das Theater
geschrieben hatte. Darin rügt er den Alleingang des Intendanten Ralf-Peter
Schulze als „Wahlveranstaltung“ und untersagt künftige Diskussionen.
Falsch war in der Darstellung die zeitliche Reihenfolge. Allein die Anfrage
des AfD-Stadtrats Marko Winter als Auslöser dieser Intervention
darzustellen, entspricht tatsächlich nicht der zeitlichen Abfolge. Der
Brief des Bürgermeisters wurde bereits am 12. April geschrieben, die
AfD-Anfrage ging aber erst am 22. April ein. Die Fehldarstellung in der taz
hat sich die Stadtverwaltung Freiberg aber selber zuzuschreiben. Denn ein
entsprechendes Auskunftsersuchen des taz-Korrespondenten wurde von der
Pressestelle ignoriert, die erbetene Kopie des Schreibens verweigert.
## Als Einknicken gewertet
Weitere Indizien rechtfertigen aber zugleich die Annahme, dass der Eingriff
des Oberbürgermeisters und der Gesellschafter nicht nur der eigenen freien
Einschätzung entsprang. Seit der Veranstaltungsankündigung polemisierte die
rechte Facebookgruppe „Bergstadtgeflüster“ mit über 800 Mitgliedern schon
vor dem 28. März dagegen. Von „ekelhaftem Treiben“, „Klamauk“ und
„linksgrünem Schmierentheater“ war die Rede.
AfD-Stadrat Winter erwartete eine „linksinterne Legenden- und Fortbildung“.
Nach Angaben von Geschäftsführer Hans-Peter Ickrath rechnete die Polizei
mit bis zu 80 Störern. Die drei Theatergesellschafter ließen daraufhin die
Veranstaltung aus dem Theater in den Städtischen Festsaal verlegen.
Im Theater wertet man das Verhalten des Oberbürgermeisters auch deshalb als
ein „Einknicken“, weil er sich nicht ansatzweise vor das politische
Engagement gestellt und voll auf die Linie der Rechten eingeschwenkt sei.
Das komplette künstlerische Leitungspersonal hat nun eine in verbindlichem
Ton gehaltene, aber deutliche Erklärung veröffentlicht. „Kulturelle und
politische Bildung sind für unsere Theaterarbeit unersetzbare
Kernaufgaben“, heißt es darin unter anderem.
Schauspieldirektorin Annett Wöhlert bedauert allerdings, dass es noch
keinerlei Entgegenkommen gab und das Verbot gesellschaftspolitischer
Debatten bestehen bleibt. Der Freiberger Eingriff in die Kunstfreiheit wird
inzwischen auch im Sächsischen Landtag debattiert. Ein dringlicher Antrag
der Linken wurde mit den Stimmen von CDU und SPD aber auf das Juniplenum
vertagt. Sachsens Kunstministerin Eva-Maria-Stange (SPD) wiederholte ihre
gegenüber der taz geäußerte Kritik auch in einem Interview von MDR Kultur.
Die Diskursfreiheit müsse auch im Theater gelebt werden und sei in
öffentlichen Räumen nötiger denn je, sagte sie.
30 May 2019
## LINKS
[1] /AfD-macht-Druck-auf-Kulturinstitutionen/!5591620
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Kulturpolitik
Sachsen
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Kulturkampf
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