| # taz.de -- UN-Experte in tunesischer Haft: Moncef Kartas droht die Todesstrafe | |
| > Tunesien hält ein Mitglied der UN-Expertengruppe zu Libyen fest. Er | |
| > genießt eigentlich Immuität und hat einen deutschen Pass. | |
| Bild: Moncef Kartas auf einem Familienfoto | |
| Tunis taz | Als Moncef Kartas am 26. März auf dem Flughafen Tunis-Carthage | |
| landete, schien eine Woche Routinerecherche vor ihm zu liegen – wie so oft | |
| zuvor in den vergangenen zwei Jahren. Der deutsch-tunesische Experte sucht | |
| im Auftrag des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen nach Verletzungen | |
| des Waffenembargos, das im März 2011 über Libyen verhängt wurde. | |
| Doch seit dem 26. März sitzt Kartas in einem Untersuchungsgefängnis in | |
| Tunis. Vertreter der deutschen Botschaft und der Vereinten Nationen durften | |
| den 56-Jährigen mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen noch nicht | |
| besuchen. Da er mit tunesischem Pass einreiste, „sind nur wir zuständig“, | |
| erklärte der Sprecher der Antiterrorbehörde, Sofian Sliti. | |
| Die UNO sieht das ganz anders. Kartas ist seit zwei Jahren Mitglied der für | |
| Libyen zuständigen fünfköpfigen UN-Expertengruppe. Und da er im Auftrag der | |
| Vereinten Nationen über Rom reiste, gelte für ihn die „funktionelle | |
| Immunität“, bekräftigte ein Sprecher des UN-Generalsekretärs in New York. | |
| Die Recherchen der Gruppe haben bisher zur Verhängung von Strafmaßnahmen | |
| gegen zwei libysche Politiker und vier Milizenführer geführt. Sie gelten | |
| als das effektivste diplomatische Druckmittel der internationalen | |
| Gemeinschaft in Libyen. | |
| ## Er hatte Waffenschmuggel aufgedeckt | |
| Das mit der UN-Resolution 1973 beschlossene Waffenembargo gilt für die | |
| international anerkannte Regierung in Tripolis und die Armee von | |
| Feldmarschall Chalifa Hafter, die seit fünf Wochen Tripolis und damit die | |
| Regierung angreift. | |
| Tatsächlich sind die Grenzen des 5-Millionen-Einwohner-Staates weitgehend | |
| unkontrolliert. Die Kriege in Mali und der Zentralafrikanischen Republik | |
| wurden maßgeblich mit Waffen aus Libyen gestartet; Rebellengruppen aus dem | |
| Tschad und Sudan sowie Anhänger des „Islamischen Staates“ betreiben | |
| Trainingscamps. | |
| Neben den Führern der Milizen fürchten auch Firmen und Geheimdienste die | |
| Recherchen der UN-Experten, die nach Namen und dem Vorgehen von | |
| Sanktionsbrechern fahnden. | |
| Moncef Kartas ist innerhalb der Gruppe für Waffenschmuggel zuständig und | |
| konnte mehrere Waffenlieferungen an die Konfliktparteien nachweisen. | |
| „Dennoch sollte man die Arbeit nicht überbewerten: Die Experten stehen | |
| unter ständiger Beobachtung der Geheimdienste“, sagt ein Kollege. | |
| Nach der Revolution 2011 forschte Kartas für die | |
| Nichtregierungsorganisation Small Arms Survey über die informelle | |
| Schmuggel-Ökonomie an der libysch-tunesischen Grenze. Zusammen mit dem | |
| Sicherheitsanalysten Matt Herbert gründete er den Analyse-Think-Tank | |
| Marhabal und schrieb Analysen für Firmen und staatliche Kunden. | |
| Kartas beriet auch das tunesische Verteidigungs- und Innenministerium. | |
| Genau von dort kommen nun die Anschuldigungen, dass Marhabal indirekt für | |
| einen Drittstaat gearbeitet habe, „vielleicht auch unwissentlich“. | |
| Nach tunesischem Antiterrorgesetz können Verdächtige bis zu 14 Monate | |
| festgehalten werden. Sollte Staatsanwalt Bechir Akremi auf seinen Vorwürfen | |
| beharren, droht Kartas sogar die Todesstrafe. | |
| 8 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
| ## TAGS | |
| Libyen | |
| Tunesien | |
| Waffenhandel | |
| Uno | |
| Tunesien | |
| Milizen in Libyen | |
| Schwerpunkt Libyenkrieg | |
| Chalifa Haftar | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Spionagevorwurf in Tunesien: UN-Experte Kartas wieder frei | |
| Er ist wieder auf freiem Fuß, doch die tunesische Staatsanwaltschaft wirft | |
| dem Deutsch-Tunesier Moncef Kartas weiter Spionage vor. | |
| Vier Tote und mehrere Verletzte: Luftkrieg um Libyens Hauptstadt | |
| Haftar-Rebellen bombardieren Tripolis, weil sie am Boden nicht vorankommen. | |
| Ein Waffenschiff aus dem Iran wurde am Hafen festgesetzt. | |
| Neue Verbündete im Libyen-Konflikt: Schillernde Rebellenallianz | |
| In Libyen stellt sich eine Konfliktpartei auf einen langen Krieg ein. Wegen | |
| der Ursache ist die UN uneinig. Es geht auch um wirtschaftliche Interessen. | |
| Kämpfe um Libyens Hauptstadt Tripolis: Beide Seiten rüsten weiter auf | |
| Der Krieg um Libyens Hauptstadt eskaliert zu einem Stellungskrieg. Immer | |
| mehr Milizen werfen sich in den Kampf um Tripolis. |