| # taz.de -- Bilanz Caritas-Krankenstube auf St. Pauli: Obdachlose unterversorgt | |
| > Die Hamburger Krankenstube für obdachlose Menschen hat dokumentiert, wie | |
| > viele Patient*innen sie ablehnen mussten. | |
| Bild: Voll ausgelastet: Nicht jedeR Obdachlose wird in der Krankenstube auf St.… | |
| Hamburg taz | Viele obdachlose Menschen, die krank und pflegebedürftig | |
| sind, können in Hamburg nicht richtig behandelt werden. Es sind Menschen, | |
| die nicht krank genug sind, um im Krankenhaus aufgenommen zu werden. Doch | |
| die einzige stationäre Einrichtung für kranke obdachlose Menschen, die | |
| [1][Caritas-Krankenstube] auf St. Pauli, kann den Bedarf nicht decken und | |
| muss immer wieder Patient*innen ablehnen. Das geht aus dem Jahresbericht | |
| der [2][Krankenstube] hervor, der der taz vorliegt. | |
| Bisher dokumentierte die Einrichtung nur, wie viele Patient*innen nicht | |
| aufgenommen werden konnten. Seit Mitte 2018 werden auch die Gründe erfasst. | |
| Demnach konnten innerhalb eines halben Jahres sechs Menschen nicht | |
| aufgenommen werden, weil die Krankenstube voll belegt war. Sechs Personen | |
| waren zu immobil für eine Aufnahme und sieben mussten abgelehnt werden, | |
| weil ihr Pflegebedarf die Möglichkeiten der Einrichtung überstiegen hätte. | |
| „Wir sind gut besetzt“, sagt Timo Spiewak, Sprecher der Caritas Hamburg. | |
| „Trotzdem ist nur eine gewisse Pflege leistbar und wir müssen unsere Arbeit | |
| natürlich auch verantworten können.“ So müssten sich die Patient*innen | |
| beispielsweise größtenteils selbst versorgen können. Psychische | |
| Erkrankungen können in der Krankenstube nicht behandelt werden. | |
| Im Jahresbericht macht Krankenstubenleiter Thorsten Eikmeier darauf | |
| aufmerksam, dass die Menschen im Zweifelsfall vom Krankenhaus auf die | |
| Straße entlassen werden. Dort können sie nur die niedrigschwelligen | |
| Angebote wie Krankenmobile oder Schwerpunktpraxen nutzen. Die schlechten | |
| Lebensbedingungen auf der Straße sorgten dann wiederum dafür, dass sie | |
| erneut ins Krankenhaus eingewiesen werden müssten. | |
| Die Krankenstube hat 20 Betten zur Verfügung, davon sind vier reserviert | |
| für Menschen, bei denen eine geschlossene Tuberkulose behandelt wird. Damit | |
| bleiben 16 Betten. Obdachlos sind in Hamburg rund 2.000 Menschen. Diese | |
| Zahl ergab die letzte [3][Obdachlosenbefragung in Hamburg]. Die | |
| Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch höher. | |
| Genau wie bei den kranken obdachlosen Menschen, die stationäre Pflege | |
| bräuchten, aber keinen Platz finden. Denn die Zahlen, die der Jahresbericht | |
| der Krankenstube nennt, beziehen sich nur auf ein halbes Jahr und auf fast | |
| ausschließlich schriftliche Aufnahmeanfragen. „Viele Anfragen erfolgen gar | |
| nicht schriftlich“, sagt Spiewak. So meldeten sich etwa Kliniken für eine | |
| schnelle Vermittlung telefonisch. Und die Belegschaft der ambulanten | |
| Krankenmobile für obdachlose Menschen wisse oft ohnehin schon, ob gerade | |
| ein Platz frei sei oder nicht. Dementsprechend werde manchmal gar nicht | |
| erst angefragt. | |
| ## Es bleibt Perspektivlosigkeit | |
| Auch Ronald Kelm, medizinischer Koordinator vom Hamburger Gesundheitsmobil, | |
| bestätigt die problematische Lage in der Gesundheitsversorgung von | |
| Obdachlosen. Die aktuellen Zahlen offenbarten das Problem nun und zeigten, | |
| wie skandalös die Situation sei. „Die Betten der Krankenstube reichen vorne | |
| und hinten nicht“, sagt er. „Als Sofortmaßnahme bräuchten wir eine zweite | |
| Krankenstube mit mindestens 20 bis 30 Betten.“ | |
| Doch selbst dann bliebe für viele die Perspektivlosigkeit. Denn Eikmeier | |
| weist in seinem Bericht auch darauf hin, dass es für diejenigen, die in | |
| Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen und Krankenversicherung | |
| haben, nahezu unmöglich sei, die Lebensbedingungen mittel- oder langfristig | |
| zu verbessern. Es gäbe einfach kaum Angebote für sie. Die Kolleg*innen | |
| seien dazu gezwungen, diesen Menschen dabei zuzusehen, wie sie verelenden. | |
| Um die Würde der Menschen zu schützen, müsse die Politik dringend handeln. | |
| Doch wann sich etwas tut, bleibt offen. Der Sprecher der zuständigen | |
| Sozialbehörde sagte im NDR, dass nun Daten erhoben werden, um zu klären, | |
| was kranke Menschen auf der Straße brauchen. Was und wie genau diese Daten | |
| erhoben werden und wann mit ersten Ergebnissen und Maßnahmen zu rechnen | |
| ist, ließ die Behörde bis auf Nachfrage der taz bis Redaktionsschluss | |
| unbeantwortet. | |
| 6 May 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marthe Ruddat | |
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| Melanie Leonhard | |
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