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# taz.de -- Kommentar Reaktionen zu Kevin Kühnert: Das Unbehagen im Kapitalism…
> Die Gedankenspiele des Juso-Vorsitzenden sind nicht beunruhigend. Traurig
> sind seine Genossen, die sich aus Angst von ihm distanzieren.
Bild: Nicht Wladimir Iljitsch
Stefan Quandt und Susanne Klatten haben 2018 mehr als ein Milliarde Euro
verdient – ohne einen Finger krumm zu machen. Die Leistung der beiden
besteht darin, die richtigen Eltern gehabt zu haben. Deswegen haben die
beiden Großaktionäre bei BMW 2018 in jeder halben Stunde mehr verdient als
ein Polizist in einem Jahr. Wer das gerecht findet, hat entweder selbst
sehr viel Geld, für das er oder sie nicht viel tun muss, oder konsumiert
die falschen Medien. Oder echt die falschen Drogen.
Juso-Chef Kevin Kühnert hat etwas getan, was sonst zu selten geschieht: Er
hat sich ein paar lose Gedanken gemacht, wie eine postkapitalistische
Gesellschaft aussehen könnte. Die Gewinne, die Konzerne wie BMW machen,
sollen dann jenen zugutekommen, die sie erarbeiten. Und nicht mehr den
Erben. Der Juso redet radikaler als die katholische Soziallehre, aber nicht
fundamental anders. Auch dort stehen die Interessen der vielen über jenen
der Elite.
Kühnerts Ideen sind wolkig, eine Art Kombination aus Marktwirtschaft und
Genossenschaften. Die Idee, dass jeder maximal eine Wohnung haben soll, ist
wohl nicht der Weisheit letzter Schluss. Das macht nichts. Beunruhigend ist
nicht eine steile Formulierung, beunruhigend ist eine Linke, die vor lauter
Angst, anzuecken, gar keine Zukunftsideen mehr hat.
Die üblichen Verdächtigen, FDP, CSU und Springer-Zeitungen, haben
[1][reflexhaft das erwartbare Wutgeheul angestimmt]. Alles „Hirngespinste“,
die von „einem verirrten Fantasten“ stammen, totalitär sowieso. Das ist ein
gezieltes Missverständnis, auch wenn sich mit dem Begriff „Kollektivierung“
etwas leichthändig Gewaltmaßnahmen realsozialistischer Regime assoziieren
lassen. Aber darum geht es nicht. Für die seriöse Linke ist klar, dass
radikale Umbauten nur friedlich und von demokratischen Mehrheiten umgesetzt
(und wieder abgeschafft) werden können. Mit Lenin hat Kühnert so viel
gemein wie Mutter Teresa mit einem spanischen Großinquisitor.
## Den Nerv getroffen
Die Subbotschaft der Kritiker lautet: Der Kapitalismus ist die Krönung der
Geschichte. Es ist nicht das erste Mal, dass Zeitgenossen überzeugt sind,
das Ende der Geschichte zu markieren. Das war, von Hegel, der in Napoleon
die Erfüllung des Weltgeistes sah, bis zu Fukujama, der die liberalen
Marktgesellschaften für alternativlos erklärte, Illusion.
Der laute Chor der Empörten, in den leider auch der rechte Flügel der SPD
einstimmt, zeigt, dass dieses unspektakuläre Interview einen Nerv trifft.
Es ist schwer von der Hand zu weisen, dass das auf Markt und Gewinn
geeichte System Schäden hinterlässt – auf den Wohnungsmärkten, per
Bankenkrisen und Klimawandel. Das Unbehagen im Kapitalismus wächst. Deshalb
klingen die Reaktionen so atemlos.
3 May 2019
## LINKS
[1] /Kevin-Kuehnert-in-der-Kritik/!5588702
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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