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# taz.de -- Presse und Gelbwesten-Proteste: Solidarité gegen den Polizeistaat
> Frankreichs Anti-Krawallgesetze gefährden die Medien. Die zeigen jetzt
> zivilen Ungehorsam und solidarisieren sich mit kriminalisierten Kollegen.
Bild: Erst schlagen, dann festnehmen: Polizeitaktik in Frankreich.
„Wenn bei den Gelbwesten-Demonstrationen mehr als 70 Journalisten von
Polizisten malträtiert wurden – und das sind nur die gemeldeten Fälle -,
und wenn 35 Medienleute eine Sammelklage wegen Polizeigewalt einreichen,
dann kann man nicht mehr von bedauerlichen Ausnahmen reden.“
Das sagt der Generalsekretär der französischen Journalistengewerkschaft SNJ
(Syndicat national des journalistes), Vincent Lanier, im Gespräch mit der
taz; und begründete damit, warum er und seine Kolleginnen am Wochenende
erneut gegen die Behinderung und Einschüchterung der Medien durch die
Ordnungskräfte protestiert haben.
„Polizeiliche Übergriffe gegen Medien gab es auch schon früher. Jetzt aber
ist mit mehreren Festnahmen und Strafverfolgung von Journalisten eine
Grenze überschritten worden.“ Am 13. April wurden laut der SNJ in Toulouse
sieben Reporter, Fotografen oder Kameraleute belästigt oder geschlagen, am
20. April wurden mehrere Journalisten verletzt und zwei festgenommen.
[1][Seit November demonstrieren in Frankreich jedes Wochenende die
Gelbwesten] – und die Medien berichten: Videos und Fotos von Krawallen,und
polizeilichen Übergriffen liefern JournalistInnen, die sich darauf
spezialisiert haben und darum stets in der vordersten Reihe dabei sind. Sie
sind in der Regel mit einer Presse-Armbinde oder mit einem Helm mit der
Aufschrift „TV“ und ihren Kameras als Medienleute erkennbar.
## Berichte passen beiden Seiten nicht
Selbstverständlich dürfen sie sich bei der Ausübung ihrer beruflichen
Tätigkeit nicht in das Geschehen einmischen. Aber die Bilder von
Gelbwesten, die den Beamten im Chor zurufen „Suicidez-vous“ (als gehässige
Anspielung auf eine Suizidwelle in den Reihen der Polizei) oder von
Polizisten, die prügeln oder mit Granaten auf Kopfhöhe schießen, sprechen
für sich.
Das erregt Anstoß nicht nur bei Polizisten, sondern auch bei den
gewalttätigen Gelbwesten oder „Black blocks“, die befürchten müssen, dass
die Bilder ihrer Identifizierung dienen können. Regelmäßig werden
Journalisten als störende Augenzeugen beschimpft und attackiert.
[2][Gaspard Glanz] (32), Gründer der Produktionsgesellschaft Taranis News,
ist einer dieser Freelance-Journalisten, der mit seiner Kamera filmt, wenn
es zwischen Demonstranten und Polizisten kracht. Wenn dann in den Medien
von Polizeigewalt die Rede ist, dienen seine Videos oft als Illustration.
Freunde hat er sich damit bei den Ordnungskräften nicht gemacht.
Jetzt hat er deswegen einen Maulkorb verpasst bekommen. Nach seiner
Festnahme am 20. April auf der Place de la République in Paris muss sich
Anfang Oktober vor Gericht verantworten. Bis auf Weiteres ist ihm die
Anwesenheit bei Demonstrationen in Paris untersagt – woran er sich nicht zu
halten gedenkt:
## Wider die Gesinnungsjustiz
„Ich werde am 1. Mai in Paris arbeiten, ob das Verbot aufgehoben wird oder
nicht. Meinen beruflichen Tod bekommen sie nicht. Ich bin bereit, sechs
Monate ins Gefängnis zu gehen, um zu zeigen, dass wir nicht mehr in einem
Rechtsstaat leben“, sagte er der Netzzeitung Mediapart. Der Anklagepunkt
der Staatsanwaltschaft lautet auf „Beamtenbeleidigung“, aber auch auf
„Teilnahme an einer Ansammlung mit Gewalt- und Zerstörungsabsichten“.
Dabei handelt es sich nach Einschätzung der französischen
Menschenrechtsorganisationen, der Anwaltskammer und der SNJ um ein
„Gesinnungsdelikt“, das aufgrund der neuen Anti-Krawallgesetze nun nicht
nur gegen potenzielle Randalierer, sondern auch erstmals gegen einen
Journalisten angewandt wird.
Die Vorfälle sind im Internet auf Videos zu sehen: Als Glanz sich auf der
République beim kommandierenden Offizier beschweren wollte, weil Polizisten
angeblich mit einer Granate auf ihn geschossen hätten, wurde er zuerst
beschimpft und dann brutal weg gestoßen, worauf er dem tätlichen Beamten
den Stinkefinger zeigte.
Das war zweifellos eine Provokation: Glanz wurde gepackt, zu Boden geworfen
und ins nächste Kommissariat verfrachtet, wo er 48 Stunden inhaftiert
blieb. Er hatte dort Gesellschaft seines Kollegen Alexis Kraland, der unter
einem absurden Vorwand ebenfalls festgenommen worden war: Seine Kamera sei
ein als mögliche „Waffe“ dienender Gegenstand!
Die Redaktionen der öffentlichen und privaten Fernseh- und Rundfunksender
(mit Ausnahme der Gruppe TF1) sowie der Zeitungen (Le Figaro, Le Monde,
Libération) haben sich in einer gemeinsamen Erklärung mit Glanz und Kraland
solidarisiert und warnen: „Die Anti-Krawallgesetze gefährden die
Pressefreiheit“.
28 Apr 2019
## LINKS
[1] /Protest-in-Frankreich/!5590970
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ibWSM-CadU4
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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