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# taz.de -- 1. Mai in Frankreich: Innenminister verbreitet Fake News
> Christophe Castaner beschuldigt Demonstranten gewaltsam in eine Pariser
> Klinik eingedrungen zu sein. Videos zeigen etwas anderes.
Bild: Innenminister Christophe Castaner (1.v.r.) nimmt es mit der Wahrheit nich…
Paris taz | „Das Pariser Krankenhaus La Pitié-Sapétrière wurde am Rande der
Demonstration zum 1. Mai von Randalierern in gelben Westen verwüstet!“ Die
schockierende Nachricht war für den französischen Innenminister Christophe
Castaner zu „schön“, um sie zu überprüfen. Sofort griff er per Twitter in
die Tasten, um der ganzen Nation mit Empörung mitzuteilen, das Personal der
Intensivstation sei Opfer eines Überfalls von Barbaren gewesen.
„Hier in La Pitié-Salpétrière ist ein Krankenhaus attackiert worden. Man
hat das Pflegepersonal angegriffen. Und es wurde ein Polizist verletzt, der
eingesetzt war, sie zu beschützen“, protestierte er. Als ob das nicht schon
schockierend und dramatisch genug wäre, fügte er hinzu: „Unsere
Ordnungskräfte mussten intervenieren, um die Intensivstation zu retten.“
Die meisten Medien teilten seine Empörung. Sie verbreiteten Castaners
offizielle Darstellung eines Vorfalls, ohne sie ihrerseits zu prüfen.
Gesundheitsministerin Agnès Buzyn meinte ihrer Pflicht nachkommen zu
müssen, als sie sich vor dem genannten Krankenhaus vor die Kameras stellte,
um mit Entrüstung über diese „erstmalige Attacke Auf ein Krankenhaus bei
einer Demonstration“ noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.
„Mehrere Dutzend antikapitalistische Aktivisten der Ultralinken und
Schwarzen Blöcke“ seien in das Krankenhaus eingedrungen, dessen
Pflegepersonal sie für seine überlegte Reaktion lobte. Premierminister
Edouard Philippe bezeichnete ebenfalls auf Twitter die mutmaßlichen
Bösewichte als „Idioten“.
## In ganz anderem Licht
Sehr schnell waren auf dem Internet Videos zu sehen, die die angeblich
völlig stupide „Attacke“ in einem ganz anderen Licht erschienen ließen. A…
Twitter legten auch Aussagen von vermeintlich malträtierten Beschäftigten
eine ganz andere Interpretation nahe, die einen Eindruck vom Vorgehen der
Ordnungskräfte gegen die Demonstranten am Ende der Kundgebung liefert. Bei
den „Angreifern“ handelt es sich um Demonstranten, die auf dem Boulevard de
l'Hôpital vor einer Tränengasoffensive der Polizei flüchteten. Einige
kletterten dabei über den Zaun. Unter dem Druck der Menge riss die Kette,
mit der ein Tor zum Innenhof gesperrt war.
Keine Vermummten im Black-block-Look, sondern eine von CRS-Polizisten
verfolgte Gruppe von Flüchtenden – unter ihnen einige Gelbwesten und
mehrere ergraute Senioren – versuchte aus dem Hof über eine Treppe ins
Innere zu gelangen. Das wurde ihnen vom Personal zunächst verwehrt.
Eine Pflegefachkraft sagte dazu am Donnerstag dem Sender BFMTV: „Wir
fühlten uns nicht angegriffen. Die Leute haben verstanden, dass wir sie
nicht hereinlassen konnten.“ Auch angebliche Verwüstungen und Diebstähle in
einer Abteilung für Chirurgie durch Eindringlinge aus den Reihen der
Demonstration wurden dementiert. „Es wurde keine Anwesenheit von unbefugten
Personen in unserer Abteilung festgestellt“, wurde der Zeitung Libération
mitgeteilt.
Castaner, der aus politischen Erwägungen vorschnell einen Vorfall zu einem
Skandal aufbauschen wollte, wird wegen „Verbreitung von Fake news“ mit
US-Präsident Donald Trump verglichen. Vertreter der Opposition bezichtigen
ihnen der „Staatslüge“ und fordern seinen Rücktritt.
Mehrere Regierungsmitglieder stellen sich hinter ihn. Castaner sei Opfer
einer „Wortklauberei“, meinte Staatssekretärin Amélie de Montchalin: „I…
nicht datz da, um über die Definition von Begriffen wie ‚Attackieren‘ oder
‚Eindringen‘ zu diskutieren“, sagte sie. Mittlerweile hat Castaner zurück
gerudert. Das Wort Attacke sei falsch gewählt gewesen.
3 May 2019
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
Christophe Castaner
Schwerpunkt Frankreich
Fake News
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
Gelbwesten
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