# taz.de -- 1. Mai in Paris: Repression gegen Gelbwesten | |
> In Frankreich verbünden sich Gewerkschaften und Gelbwesten. Dabei kommt | |
> es zu teils heftigen Zusammenstößen mit der Polizei. | |
Bild: Paris am 1. Mai | |
Paris taz | Rund 300.000 Menschen, deutlich mehr als in den letzten Jahren, | |
haben in rund 240 Städten Frankreichs am 1. Mai demonstriert. Zu den | |
Gewerkschaften und Linksorganisationen hatten sich dieses Mal zahlreiche | |
Gelbwesten gesellt. In Paris, aber auch in Toulouse und Lyon kam es zu | |
heftigen Zusammenstößen mit der Polizei. Die zunehmende Annäherung zwischen | |
Gelbwesten und Arbeiterbewegung stellt für die Staatsführung aber mehr als | |
nur ein Ordnungsproblem dar. | |
In Paris hat die Gewalt anlässlich der Gelbwestenproteste am 1. Mai einen | |
neuen Höhepunkt erreicht. Von Anfang an herrschte Hochspannung im Quartier | |
Montparnasse, wo sich Gewerkschaftsmitglieder, Gelbwesten und diverse | |
Linksgruppen lange vor dem für 14.30 Uhr angekündigten Marsch einfanden. | |
Unter den Demonstranten war die Stimmung wegen der neuartigen Einheit der | |
Proteste in Gelb und der traditionellen Arbeiterbewegung eher konfrontativ. | |
Sehr schnell machte sich in den bunt gemischten Reihen Wut breit. Denn die | |
Spitze des sich bildenden Demonstrationszugs wurde von einem äußerst | |
eindrücklichen Polizeiaufgebot gestoppt und am Marschieren vor dem | |
offiziell bewilligten Zeitpunkt gehindert. | |
Mehr als diese Unterbrechung brauchte es nicht als Anlass für eine erste | |
Welle von Ausschreitungen. Die meisten Leute mit roten Fahnen der | |
CGT-Gewerkschaft oder in gelben Westen, die bloß demonstrieren wollten, | |
verstanden wahrscheinlich nicht, warum man sie stoppte und warum die | |
Tränengasgranaten den Boulevard in einen Augen und Atemwege reizenden Nebel | |
hüllten. Die meisten hatten schnell das Gefühl, dass die Ordnungskräfte auf | |
Befehl des (von links und rechts kritisierten) Innenministers Christophe | |
Castaner vorführen sollten, dass sie mit Härte für Ruhe und Ordnung sorgen | |
könnten. | |
Das repressive Vorgehen hatte jedoch genau das Gegenteil zur Folge. Vor | |
allem am Ende der Kundgebung kurz vor der Place d'Italie kam es erneut zu | |
langen und sehr gewaltsamen Zusammenstößen, die auf beiden Seiten Verletzte | |
forderten. Schwarze Blöcke, die sich mehrfach an der Spitze bilden konnte, | |
waren maßgeblich an dieser Eskalation der Gewalt beteiligt. Innenminister | |
Castaner hatte seinen Einheiten, fast 8000 Beamte in Paris, die Weisung | |
gegeben, mit exemplarischer Härte diese Provokateure oder „Aufwiegler“ des | |
Black Block zu isolieren. | |
## Protest von Gewerkschaften | |
So versuchten die Ordnungskräfte, die Demonstration mit unverhältnismäßiger | |
Gewalt zu verhindern. In der Folge kritisiert auch CGT-Generalsekretär | |
Philippe Martinez eine „unerhörte Repression“, die gleichermaßen friedlich | |
Demonstrierende wie Steine werfende „Casseurs“ traf. In einem Communiqué | |
protestierte die CGT: „Unsere Kameraden und selbst unser Generalsekretär | |
wurden mit Tränengas und Granaten beschossen. Was da geschieht ist noch nie | |
dagewesen und für eine Demokratie inakzeptabel.“ Die Gewerkschaften und | |
Linksparteien waren ebenso wenig wie die Ordnungskräfte in der Lage zu | |
verhindern, dass die Kundgebung zum Tag der Arbeit in heftigen | |
Straßenkämpfen endete. Konsequenterweise ist in der Berichterstattung fast | |
nur von der Gewalt und den Schwarzen Blöcken die Rede. | |
Für die CGT und andere klassenkämpferische Organisationen sind die | |
Forderungen der Gelbwesten mit den Anliegen der Gewerkschaftsbewegung | |
durchaus kompatibel. Das sollte am 1. Mai gezeigt werden. Von den | |
gemäßigten Gewerkschaftsverbänden, die sich immer von den Gelbwesten | |
distanziert hatten, wird der CGT im Nachhinein vorgeworfen, es sei naiv | |
gewesen, mit dieser unberechenbaren und ideologisch unklaren Bewegung | |
gemeinsame Sache machen zu wollen. Damit sei letztlich die Tradition des 1. | |
Mai auf der Strecke geblieben. Für den Konflikt mit den Gelbwesten hat die | |
Staatsführung derweil ganz offensichtlich noch immer keine Lösung gefunden. | |
1 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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