# taz.de -- Protestbewegung im Sudan: Die RSF, dein Mörder und Helfer | |
> Die Miliz, die einst für Sudans Diktatur die Drecksarbeit in Darfur | |
> erledigte, schützt heute die Demonstranten. Oder eher sich selbst? | |
Bild: 2015 feierte die RSF-Miliz noch an der Seite Al-Bashir den Sieg über die… | |
KHARTUM taz | An fast jeder Straßenecke der sudanesischen Hauptstadt stehen | |
in sandfarbener Tarnfarbe lackierte Geländewagen. Sie sind schwer beladen | |
mit Maschinengewehren, Handgranaten und Raketen. Dutzendweise hängen kleine | |
lederne Amulette an den Spiegeln, um die Soldaten zu schützen. Während der | |
heißesten Stunden am Tag machen manche ein Nickerchen im Schatten unter dem | |
Wagen. Regelmäßig rollen sie Teppiche aus, um dem Ruf des Imams zum Gebet | |
zu folgen. | |
Das sind die Truppen der Rapid Support Forces (RSF), einer gefürchteten | |
Miliz, die von Menschenrechtsorganisationen beschuldigt wird, vor gut zehn | |
Jahren in der Westregion Darfur Völkermord begangen zu haben. Damals hieß | |
die RSF noch „Janjaweed“, und sie bekämpfte dort im Auftrag der Armee | |
aufständische Volksgruppen. Später wurde sie als RSF zu einer Grenztruppe, | |
die mit europäischer Unterstützung die Migrationswege über Sudan nach | |
Libyen dichtmachte. | |
Ihre massive Präsenz in Khartum wirkt jetzt bedrohlich, aber die Soldaten | |
verhalten sich korrekt. Eine Gruppe kichernder Mädchen wird freundlich | |
gebeten, weiterzugehen, als sie ein Selfie mit einem Geländewagen im | |
Hintergrund machen wollen. | |
„Ich finde sie immer noch gruselig“, sagt Aktivistin El Zahraa Ibrahim. | |
„Sie haben uns noch nichts angetan, aber ich weiß, was sie auf dem Gewissen | |
haben in Darfur, wo meine Familie herstammt. Andere, die sich nicht so sehr | |
darüber bewusst sind, sehen sie als Beschützer unserer Revolution.“ | |
## Strebt der RSF-Anführer Hametti nach der Macht? | |
El Zahraa Ibrahim ist eine von vielen Tausenden, die regelmäßig vor dem | |
Militärhauptquartier in Khartum den Übergang vom derzeitigen Militärrat zu | |
einer Zivilregierung fordern. Am 11. April setzte die Armee nach | |
monatelangen Protesten der Opposition Präsident Omar Hassan al-Bashir ab, | |
nach fast 30 Jahren an der Spitze eines diktatorischen Militärregimes. Ein | |
Militärrat übernahm die Macht, und sein Vizepräsident ist RSF-Anführer | |
General Mohamed Hamdan Dagalo, besser bekannt als Hametti. | |
Aktivistin Ibrahim ändert auch nicht ihre Meinung über die RSF, als zwei | |
Milizsoldaten in der prallen Sonne versuchen, den gestauten Verkehr auf | |
einer staubigen Straße zu entwirren. „Es ist ihre übermäßige Präsenz. Ich | |
fühle mich wie umzingelt.“ | |
Die junge Frau ist nicht die einzige, die sich Sorgen macht. Manche | |
Demonstranten fürchten, dass Hametti nach Macht strebt. Er selbst verneint | |
das. | |
Doch in der größtenteils verlassenen Universität von Khartum, wo die Farbe | |
von den Wänden abblättert und die Steinstufen bröckeln, sind in einigen | |
Zimmern lebhafte Diskussionen darüber zu hören. „Die RSF und die Armee | |
erhalten ihre Legitimität durch die Anwesenheit der Demonstranten. | |
Schließlich machten sie, was die Demonstranten wollten, nämlich Bashir | |
absetzen“, stellt Professor Mohamed Almustafa fest. | |
## Demokratie oder lukratives Goldgeschäft | |
Der Soziologe ist führendes Mitglied der Protestbewegung SPA (Sudanese | |
Professionals Association) und hat im Gefängnis gesessen. Jetzt sitzt er in | |
der Universität unter einem farbenfrohen abstrakten Gemälde und sagt, dass | |
Hametti vor allem am Frieden interessiert ist, damit er nach Darfur | |
zurückkehren kann, wo er ein lukratives Goldgeschäft betreibt. | |
„Der Mann hat Blut an den Händen, weil er getan hat, was Bashir von ihm | |
verlangt hat“, sagt der Professor, „Aber er ist kein extremer Islamist wie | |
der abgesetzte Präsident. Er ist ein Milizenführer mit wenig Ausbildung, | |
der sich gerne wieder seinen geschäftlichen Interessen in Darfur widmen | |
möchte.“ Professor Almustafa denkt, dass RSF und Armee einen Schutz | |
darstellen für die Demonstranten – gegen mögliche Aktionen Bashir-treuer | |
Milizen außerhalb Khartums, die nicht bereit sind, ihre Privilegien | |
kampflos aufzugeben. Aus seiner Sicht wäre jetzt das Wichtigste, die | |
verschiedenen von Bashir geschaffenen „parallelen Institutionen“ mit den | |
offiziellen Regierungsinstitutionen zusammenzuführen. | |
Dass sind jedoch Pläne für die Zukunft. Erst müssen Oppositionskräfte den | |
Militärrat überzeugen, die Macht an eine zivile Übergangsregierung zu | |
übertragen. Zwar ging das Militär am Mittwoch auf einige Forderungen der | |
Opposition ein: Drei hohe Militärs traten aus dem Rat zurück. Aber der SPA | |
hat darauf nicht reagiert, und am Donnerstag sammelten sich die | |
Demonstranten in Khartum wieder, um am Abend die bisher größte | |
Menschenmenge auf die Straße zu bringen. | |
25 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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