Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hongkongs umkämpfte Zukunft: Demokratieaktivisten verurteilt
> 2014 besetzten Schüler und Studenten das Regierungs- und Finanzviertel.
> Nun wurden neun Anführer wegen „Aufwiegelung“ schuldig gesprochen.
Bild: Die Angeklagten Chu Yiu Ming, Chan Kin Man und Benny Tai (v.l.) geben sic…
BERLIN taz | Hat Pekings langer Arm inzwischen auch die eigentlich
unabhängige Justiz in Hongkong erreicht? Das zumindest ist zu befürchten,
sollten die Richter tatsächlich die Höchststrafe gegen die Organisatoren
der Hongkonger Occupy-Proteste von 2014 verhängen. Das Gericht sprach neun
Aktivisten bereits am Dienstag wegen „Aufwiegelung“ schuldig. Die Strafmaße
sollen am Mittwoch verkündet werden.
Juradozent Benny Tai, der Sozialwissenschaftler Chan Kin-Man und der
Baptistenpfarrer Chu Yiu-Ming wurden jetzt sogar wegen „Verschwörung zur
Störung der öffentlichen Ordnung“ verurteilt. Sie hatten 2013 die Bewegung
„Occupy Central“ gegründet und als Akt zivilen Ungehorsams dazu aufgerufen,
das Regierungs- und Finanzviertels zu besetzen.
2014 schlossen sie sich den Schülern und Studenten bei deren sogenannten
Regenschirm-Protesten an. Um sich gegen Wasserwerfer zu schützen, hatten
sie Regenschirme aufgespannt. Gemeinsam forderten sie politische Reformen
und wirklich freie Wahlen in der südchinesischen Sonderverwaltungszone.
Unter den Verurteilten sind auch die damaligen Studentenführer Tommy Cheung
und Eason Chung sowie die Abgeordneten Tanya Chan und Shiu Ka-chun. Müssen
Abgeordnete länger als einen Monat ins Gefängnis, verlieren sie automatisch
ihren Parlamentssitz.
## Die Proteste galten Pekings Einmischung
Hongkong war eine britische Kronkolonie, bis die Stadt 1997 an China
zurückgegeben wurde. Die kommunistische Führung in Peking hatte den
Hongkongern nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ für weitere 50
Jahre demokratische Rechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, freie Wahlen
und eine unabhängige Justiz eingeräumt.
Diese Rechte sehen viele Hongkonger seit einigen Jahren jedoch zunehmend
untergraben. Chinas Kommunistische Partei gibt es in der
Sonderverwaltungszone offiziell zwar nicht. Ihr Einfluss auf Politik,
Wirtschaft und Verwaltung der Finanzmetropole ist jedoch unverkennbar. Eine
Mehrheit der Abgeordneten im Hongkonger Parlament wird direkt von Peking
bestimmt. Zehntausende Hongkonger beteiligten sich denn auch an
mehrmonatigen Protesten gegen diese Praxis.
Richter Johnny Chan erklärte in seiner Urteilsbegründung, die wochenlange
Blockade mehrerer Kreuzungen sei nicht von den Hongkongs Gesetzen zur
Meinungsfreiheit gedeckt. Dass es sich mindestens um eine
Ordnungswidrigkeit halten würde – darauf waren die Aktivisten eingestellt.
Das Strafmaß wird zeigen, wie stark die Richter politisch beeinflusst sind.
Wenn sie Sympathie für den zivilen Ungehorsam haben, werden sie am unteren
Ende der Möglichkeiten bleiben und könnten nur Bewährungsstrafen
aussprechen.
Falls die Aktivisten die maximal mögliche Haft von sieben Jahren erhalten,
würde das zeigen, dass die offiziell unabhängige Justiz in Hongkong
inzwischen ebenfalls von Peking gesteuert wird.
## Einschüchternde Wirkung der Urteile befürchtet
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt bereits vor
„einschüchternden Auswirkungen“ der Urteile auf die freiheitliche
Gesellschaft Hongkongs. Auch die China-Expertin von Human Rights Watch,
Maya Wang, kritisiert die Entscheidung der Richter. Mit der Einstufung
friedlicher Proteste als „Störung der öffentlichen Ordnung“ sende das
Gericht eine „schreckliche Botschaft“ aus. Wang fürchtet, dass weitere
Gerichtsverfahren gegen Aktivisten folgen könnten.
Hongkongs letzter britischer Gouverneur Chris Patten kritisiert die
Anwendung „anachronistischer“ Kolonialgesetze. Von der derzeitigen
britischen Regierung setzt sich niemand mehr für Hongkongs Bürger ein.
Dabei geht aus der „Gemeinsamen Erklärung“ Londons und Pekings hervor, dass
es nicht nur das Recht Großbritanniens ist, die Einhaltung des Vertrages zu
überprüfen, sondern seine Verpflichtung.
9 Apr 2019
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
China
Großbritannien
Hongkong
KP China
Demokratiebewegung
Hongkong
Hongkong
Hongkong
Hongkong
China
Hongkong
## ARTIKEL ZUM THEMA
Auslieferungsgesetz in Hongkong: Ausschreitungen nach Großdemo
Die größte Demonstration seit drei Jahrzehnten endet in der Nacht in
Gewalt. Der Protest richtet sich gegen geplante Auslieferungen nach China.
Asyl für Dissidenten aus Hongkong: Peking wirft Berlin Einmischung vor
Zwei Aktivisten aus der früheren britischen Kolonie erhielten in
Deutschland Asyl. Grund ist die Sorge um Chinas Einfluss auf die Justiz in
Hongkong.
Hongkongs Autonomie auf dem Prüfstand: Schlagabtausch um Auslieferung
In Hongkongs Parlament führt der erbitterte Streit über ein Gesetz, das
Auslieferungen an China ermöglichen soll, zu einer chaotischen Schlägerei.
Kommentar Demokratie in Hongkong: Immer chinesischer
Politik wird in Hongkong immer stärker von der autoritären KP-Führung
vorgegeben. Wer es sich leisten kann, verlässt Hongkong.
Nach Hongkongs „Regenschirm-Protesten“: Demokratie-AktivistInnen vor Gericht
In Hongkong gibt es für die „Regenschirm-Aktivistinnen“ auch vier Jahre
danach noch viel Sympathie. Neun von ihnen wird nun der Prozess gemacht.
Bedrohte Freiheitsrechte in Hongkong: Chinas Angst vor einer Minipartei
Chinas Außenministerium drängt die autonome Regierung Hongkongs, eine
kleine Partei zu verbieten. Ihr Ziel: die Unabhängigkeit der Metropole.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.