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# taz.de -- Nach Hongkongs „Regenschirm-Protesten“: Demokratie-AktivistInne…
> In Hongkong gibt es für die „Regenschirm-Aktivistinnen“ auch vier Jahre
> danach noch viel Sympathie. Neun von ihnen wird nun der Prozess gemacht.
Bild: Regenbogen-Bewegung erhielt ihre Namen dadurch, dass ihre Anhänger die S…
Peking taz | Die Proteste sind längst abgeflaut. Das Logo mit dem schwarzen
Regenschirm auf gelbem Hintergrund ist im Stadtbild kaum noch zu sehen.
Auch an den Universitäten, wo die Demokratie-Bewegung einst ihren Lauf
nahm, ist nur noch wenig von der Proteststimmung zu spüren.
Als jedoch der ehemalige Juradozent Benny Tai, der noch amtierende
Soziologieprofessor Chan Kin Ma und der Baptistenpfarrer Chu Yiu Ming am
frühen Montagmorgen das Gerichtsgebäude im Regierungsviertel von Hongkong
betreten, bricht Jubel aus.
Tausende Unterstützer haben sich hier spontan zusammengefunden, um die drei
zu unterstützen. „Friedlicher Widerstand“ rufen sie und „Universal
Suffrage“ – echte freie Wahlen. Beides waren die zentralen Schlachtrufe der
Regenschirm-Bewegung von 2014.
Vier Jahre ist es her, dass Zehntausende auf Hongkongs Straßen zogen und
über Wochen das Finanz- und Geschäftsviertel der südchinesischen
Handelsmetropole lahmlegten. Sie forderten mehr Demokratie und freie
Wahlen, einige auch die komplette Unabhängigkeit vom autoritär geführten
China.
## Vorwurf der Verschwörung
Tai, Chan und Chu waren neben den Studenten die Ikonen dieser
Protestbewegung. Sie hatten 2013 die Bewegung Occupy Central gegründet und
sich im Jahr darauf den Studentenprotesten angeschlossen. Die Bewegung
erhielt ihren Namen von den Regenschirmen, mit denen sich die Teilnehmer
eigentlich gegen Sonne und Regen schützen wollten, die sie dann aber auch
zur Abwehr von Tränengas anwenden mussten, das von der Polizei eingesetzt
wurde.
Nun wird den drei Aktivisten Verschwörung vorgeworfen, sowie bei den
Demonstrationen 2014 zur Störung der öffentlichen Ordnung aufgerufen zu
haben. Sie hätten zudem dazu beigetragen, über Wochen hinweg den Verkehr
und das Geschäftsleben zu beeinträchtigen.
Bei einer Verurteilung drohen ihnen Haftstrafen von bis zu sieben Jahren.
Neben ihnen stehen sechs weitere AktivistInnen vor Gericht, darunter die
Parlamentsabgeordneten Tanya Chan und Shiu Ka-chun.
Hongkong war bis zur Übergabe an die Volksrepublik China 1997 eine
britische Kronkolonie und genießt unter der Formel „ein Land, zwei Systeme“
für weitere 50 Jahre einen Sonderstatus mit eigener Währung,
Meinungsfreiheit, Wahlen und eigentlich auch einer unabhängigen Justiz. All
das existiert in der Volksrepublik nicht.
## Justiz unter der Fuchtel Pekings?
Doch die chinesische Führung in Peking hat in den letzten Jahren –
insbesondere seit Xi Jinpings Machtübernahme als Staats- und Parteichef –
nicht nur in der Volksrepublik die Zügel angezogen und geht dort rigoros
gegen kritische Anwälte, Journalisten, Schriftsteller und Künstler vor. Der
lange Arm Pekings ist auch in Hongkong immer mehr zu spüren.
Äußerst aggressiv gehen die Hongkonger Behörden gegen die
Demokratie-Aktivisten vor. Parteien und Gruppierungen, die sich für eine
Unabhängigkeit Hongkongs vom chinesischen Festland einsetzen, sind
verboten. Bereits gewählte Parlamentsabgeordnete, die mit
Unabhängigkeitsbefürwortern sympathisieren, wurden abgesetzt.
Die Aufenthaltsgenehmigung des Hongkong-Korrespondenten der Financial Times
wurde nicht verlängert, weil er als Vorsitzender des Vereins ausländischer
KorrespondentInnen einen Unabhängigkeits-Aktivisten zu einer Veranstaltung
eingeladen hatte. Der Journalist musste bereits ausreisen.
Offenbar steht auch die Justiz zunehmend unter der Fuchtel Pekings. Haben
Hongkongs RichterInnen in der jüngeren Vergangenheit bei friedlichen
Protesten AktivistInnen allenfalls wegen Ordnungswidrigkeiten belangt,
fällen sie inzwischen auffällig harte Urteile. Die Studentenführer Joshua
Wong, Nathan Law und Alex Chow sind bereits zu Hunderten von Sozialstunden
[1][verurteilt worden]. Gegen Tai, Chan und Chu rechnen Prozessbeobachter
nun mit sehr viel härteren Strafen.
## Buchhändler und Verleger verschwanden
Der Prozess sei „ein Akt der Vergeltung, der darauf abzielt, die
Demokratiebewegung zum Schweigen zu bringen“, kritisiert Mei-kei Tam,
Direktor von Amnesty International Hongkong, in einer Erklärung. Er warnt
vor „einschüchternden Auswirkungen“ auf die freiheitliche Gesellschaft der
früheren britischen Kronkolonie und fordert, dass die Anklagen gegen alle
neun AktivistInnen fallen gelassen werden. Sie hätten allesamt ihr
legitimes Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt.
Zum Teil hat die chinesische Staatssicherheit aber auch schon unmittelbar
eingegriffen – ein klarer Verstoß gegen Hongkongs Autonomiestatus. Vor zwei
Jahren verschwanden plötzlich fünf Buchhändler und Verleger, die dafür
bekannt waren, Peking-kritische Bücher zu verkaufen. Zwei von ihnen
tauchten ein paar Wochen später in der Volksrepublik wieder auf – mit
öffentlichen Geständnissen im chinesischen Staatsfernsehen.
Bei dem Prozess gegen Tai, Chan, und Chu [2][spricht Studentenführer Joshua
Wong] von einem „Wendepunkt“, an dem die Welt den Zustand der
Rechtsstaatlichkeit in Hongkong erkennen könne. Jetzt werde klar, „dass
sich die politische Verfolgung nicht nur gegen junge Leute richtet, sondern
auch gegen Professoren, Anwälte und Abgeordnete“.
„Ich habe Vertrauen, dass die Gerichte in Hongkong noch unabhängig und
gerecht sind“, sagt der angeklagte ehemalige Jura-Dozent Tai. „Aber ich
habe mich auf das Schlimmste vorbereitet.“ Insgesamt äußert er sich
pessimistisch über die Entwicklung in Hongkong, das immer „autoritärer“
werde. Vier Wochen soll der Prozess dauern.
## Angeklagter Professor verabschiedet sich
Warum es vier Jahre gedauert hat, um die Aktivisten vor Gericht zu stellen,
erklärten die Justizbehörden mit der „Komplexität des Falles und der Menge
an Beweisen, die überprüft werden mussten“.
Der mitangeklagte Soziologie-Professor Chan hatte am Wochenende an seiner
Universität, an der er seit über 20 Jahren tätig war, noch eine Vorlesung
gehalten, um sich bei seinen StudentInnen zu verabschieden. Auch ohne
Verurteilung geht er im kommenden Jahr in Ruhestand.
„Solange wir nicht durch Gefangenschaft und Gerichtsverfahren erdrückt
werden und nicht übermäßig frustriert und wütend werden, werden wir stärker
und wir können noch mehr Menschen inspirieren“, sagte Chan zu seinen
StudentInnen. „Nur in den dunkelsten Stunden können wir die Sterne sehen.“
19 Nov 2018
## LINKS
[1] /Regenschirm-Proteste-in-Hongkong/!5478228
[2] /Inhaftierung-von-Demokratie-Aktivisten/!5440362
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Hongkong
Justiz
Regenschirm-Bewegung
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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Demokratie
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