# taz.de -- Urteil zu Pflege-Initiative erst im Mai: Im Wartezimmer | |
> In Hamburg streitet eine Volksinitiative für mehr Personal in | |
> Krankenhäusern. Weil der Hamburger Senat dies für unzulässig hält, zog er | |
> vor das Verfassungsgericht. | |
Bild: Wohin es geht, ist beim Pflege-Streit in Hamburg immer noch unklar | |
HAMBURG taz | Nach einer Stunde und 37 Minuten war die Verhandlung im | |
großen Saal des Hamburger Landgerichts zu Ende, wie der Vorsitzende Joachim | |
Mehmel zu Protokoll gab. Und anders als erhofft, gab er keinen Wink, wie | |
das Verfassungsgericht wohl entscheiden wird. Erst in drei Wochen, am 7. | |
Mai, wird das Urteil bekannt. Somit müssen sich die Hamburger | |
„Volksinitiative gegen den Pflegenotstand“ und ihre Geschwister-Initiativen | |
in Bremen, Berlin und Bayern, noch gedulden. | |
Vor einem Jahr, im März 2018, hatte das Hamburger Bündnis mit der | |
Unterschriftensammlung für ihre Volksinitiative begonnen. Im Kern geht es | |
darum, dass regelmäßig der reale Pflege-Bedarf erhoben wird, so wie es bis | |
1992 schon mal üblich war. Die gemessenen Daten sollen alle Vierteljahre | |
rückwirkend dazu führen, dass passend Personal eingestellt wird. | |
„Das Personal muss sich am Bedarf der Patienten orientieren“, sagte | |
Krankenschwester Anna am frühen Morgen auf einer Pressekonferenz der | |
Pflegekräfte. Sie betreue auf einer Intensivstation in der Regel drei | |
schwerkranke Patienten auf einmal. Werde einer zum Notfall, seien die | |
anderen „allein und in Lebensgefahr“. Die von CDU-Gesundheitsminister Jens | |
Spahn zu Jahresbeginn verfügten Personaluntergrenzen für pflegeintensive | |
Stationen wie Intensivmedizin lösten das Problem nicht. | |
Doch darf Hamburg als Land die Pflege gesetzlich regeln, wenn doch schon | |
der Bund dies tut? Der rot-grüne Senat in Hamburg bestreitet das. Statt wie | |
bei anderen Volksinitiativen über eine Einigung zu reden, reichte er | |
bereits im November seine Klage ein. Verhandelt wurden gestern insgesamt | |
drei Anfechtungsgründe. So hat die Initiative den Gesetzestext, für den sie | |
im März 2018 rund 30.000 Unterschriften bekam, zwei Mal geändert. Zulässig | |
wäre aber nur eine Änderung, führte der Chef der Senatskanzlei, Jan | |
Pörksen, aus. | |
Die auf Volksinitiativen spezialisierte Anwältin der Initiative, Adelheid | |
Rupp, regte daraufhin an, doch die erste überarbeitete Version zu | |
akzeptieren. Bei der zweiten handle es sich überwiegend um redaktionelle | |
Änderungen. | |
Lebhafter diskutiert wurde im Gerichtssaal über den zweiten Punkt. Den vom | |
Senat monierten Verstoß gegen das „Kopplungsverbot“. Die Initiative fordert | |
auch für Reinigungskräfte feste Personalstandards. Damit verbinde es zwei | |
Bereiche, die nicht zwingend zueinander gehörten, monierte Pörksen. Der | |
Text der Initiative biete „Stoff für zwei getrennte Volksbegehren“. | |
Dem hielt Juristin Rupp entgegen, dass Reinigung und Pflege in Kliniken eng | |
verflochten seien, da die Reinigungstätigkeit im Notfall von Pflegekräften | |
geleistet werden müsse. Ein Arzt überlasse die Verantwortung den Pflegern, | |
ergänzte Initiativen-Sprecherin Kirsten Rautenstrauch. Sie schilderte das | |
Beispiel eines Krankenzimmers, in dem ein Patient nach einer Darmspiegelung | |
entlassen wird und sein Platz danach von einem Frischoperierten übernommen | |
wird. Eine Pflegekraft mache das Zimmer sauber, „wenn sie die Zeit hat“. | |
Besser wären feste Reinigungskräfte, die das im Blick haben. | |
## Keine einfache Entscheidung | |
Und schließlich der Hauptpunkt. Ob es denn überhaupt zulässig ist, dass | |
Hamburgs Bürger über dieses Landesgesetz abstimmen? Nach seiner Auffassung | |
habe der Bund gerade mit dem „Pflegepersonal-Stärkungsgesetz“ Regeln | |
getroffen, die „erschöpfend und abschließend sein sollen“, sagte Pörksen. | |
Er führte aus, dass es ab 2020 auch für ganze Klinken „Mindestquoten“ geb… | |
solle, und diese zum Teil sogar mehr Personal zur Folge haben können als | |
von der Initiative gefordert. | |
Das Bundesrecht lasse durch Öffnungsklauseln sehr wohl weitergehende | |
Regelungen auf Landesebene zu, entgegnete Adelheid Rupp. Es könne nicht | |
sein, dass der Bund Mindestvorgaben festsetzt, „ohne zu schauen, wie die | |
Bedarfe lokal sind“. Rupp sagte: „Ich gehe davon aus, dass der Bund | |
verfassungsrechtlich seine Kompetenzen überschritten hat.“ | |
„Ich glaube, wir haben das ausdiskutiert“, sagte Richter Mehmel. Das | |
neunköpfige Gremium hat nun keine einfache Entscheidung zu fällen. | |
17 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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