# taz.de -- Junge Geflüchtete in Bremen: Sie suchen Antworten | |
> Junge Geflüchtete wollen wissen, was die Deutschen von ihnen erwarten und | |
> warum oft schlecht über sie gesprochen wird. Also drehten sie einen Film. | |
Bild: Die beiden Filmemacher Ahmad Ammar (links mit Brille) und Niguse Alema be… | |
Bremen taz | Sechs junge Geflüchtete aus Afghanistan, Somalia, Syrien und | |
Eritrea stellten sich diese Fragen: Was ist Integration? Warum wird so viel | |
so schlecht über Geflüchtete gesprochen? Was wird von mir erwartet, damit | |
ich als integriert gelte? | |
Um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, drehten die jungen Männer einen | |
Film. Die Idee dazu entstand im Rahmen des Workshops „We, the Future“ von | |
dem Verein Fluchtraum Bremen. | |
Einer der jungen Filmemacher ist der 20-jährige Mustafa Mosavy aus | |
Afghanistan. Er lebt seit dreieinhalb Jahren in Bremen, doch seitdem er | |
hier ist, fühlt er sich fast täglich diskriminiert. Die Menschen würden ihn | |
auf der Straße seltsam anschauen. Manchmal, wenn er mit der Bahn fährt, | |
setzen sie sich von ihm weg. | |
„Im Supermarkt musste ich mal meinen Rucksack öffnen, obwohl dort auch | |
viele andere einen Rucksack trugen“, sagt er. „Ich kann dieses Gefühl nicht | |
mit Worten erklären. Nur wer selbst ein Geflüchteter ist, weiß, wie sich | |
diese Form von Diskriminierung anfühlt.“ | |
Hinzu komme, dass die Medien fast nur Negatives über Geflüchtete berichten | |
würden. Und: „Die Politiker reden über uns, sie sagen, wie wir uns zu | |
integrieren haben und die Sprache lernen sollen. Aber sie wissen nichts | |
über uns“, sagt Mosavy. „Dann stellen wir ihnen die Fragen“, dachten sich | |
die sieben jungen Männer. | |
Der Titel ihres Films lautet entsprechend lapidar: „Wir haben uns einige | |
Fragen gestellt“. Die Hauptdarsteller*innen sind Bürgermeister Carsten | |
Sieling (SPD), Sahhanim Görgü-Philipp (Grüne), Sofia Leonidakis (Die Linke) | |
und Sigrid Grönert (CDU) sowie als Nebendarsteller*innen Menschen auf der | |
Straße. | |
Sieling sieht die größte Aufgabe der Integration nicht bei den Geflüchteten | |
selbst, sondern bei den Einheimischen: „Es ist gut, wenn man Nähe schafft, | |
wenn man sich kennt und merkt, dass Menschen, die einem erst mal fremd | |
erscheinen, am Ende auch Menschen sind, mit denen man vernünftig | |
zusammenleben kann.“ | |
Görgü-Philipp von den Grünen fragt: „Wer sagt am Ende und entscheidet, | |
jetzt bist du integriert? Diese Frage stelle ich mir und viele andere | |
auch.“ | |
Einig waren sich die Politiker*innen bei der Frage, warum so viel | |
Schlechtes über Geflüchtete erzählt werde. „Ich glaube, dass viele die | |
Sorge haben, dass zu viel Fremdes da ist, das sie nicht kennen und ihnen | |
etwas weggenommen wird“, sagt Sigirid Grönert (CDU). Und Sofia Leonidakis | |
von den Linken denkt, dass es für einige eine einfache Antwort sei, dass | |
Geflüchtete ihnen etwas wegnehmen würden. | |
Die größte Frage für die jungen Filmemacher war, was die Deutschen von | |
ihnen erwarten. Die Linken-Politikerin Leonidakis erwartet von den | |
Geflüchteten dasselbe wie von den Deutschen: „Ich wünsche mir von allen | |
gegenseitigen Respekt.“ | |
## Das Problem mit der Bleibeperspektive | |
Die Befragten auf der Straße waren sich einig, dass Geflüchtete die Sprache | |
lernen sollten. Eine junge Frau sagte, Geflüchtete sollten auch auf „uns | |
Deutsche eingehen und nicht, was leider oft der Fall ist, in ihrem eigenen | |
Umfeld bleiben“. | |
Als ob das so einfach wäre, sagt einer der Geflüchteten im Film: „Kontakt | |
zu Deutschen zu bekommen, die Sprache zu lernen, aus seinem Kreis zu | |
kommen. Vielleicht hat man auch keine Aufenthalts- oder Bleibeperspektive. | |
Man weiß nie, ob man bleiben kann oder irgendwann zurück muss.“ | |
Eine der Fragestellungen, mit denen sich die jungen Männer in ihrem | |
Workshop „We, the Future“ auseinandersetzen sollten, lautete, was an ihrem | |
Leben in Deutschland gut und schlecht sei, sagt Katharina Mild von | |
Fluchtraum Bremen. Die Jungs fanden eine Antwort und erschufen sich eine | |
eigene Utopie. | |
15 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Simon | |
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