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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Verzichten wir – auf diese Regierung
> Fridays for Future zielt nicht auf Moral, Religion oder Buße. Die
> Jugendbewegung will, dass die Regierungen das Klimaabkommen von Paris
> sofort umsetzen.
Bild: Die Klimaaktivisten sind nicht auf einem moralischen Kreuzzug, sie haben …
So gerührt wie nach dem Auftritt von Luisa Neubauer, 22, waren manche Grüne
nicht mehr, seit Vandana Shiva beim Parteitag predigte.
„Los, Leute, bitte“, hatte die Protagonistin der
Fridays-for-Future-Jugendbewegung in die Berliner Arena gerufen, als die
Bundesvorsitzenden Baerbock und Habeck vergangene Woche einen
Grundsatzprogramm-Entwurf vorstellten. Neubauers Besprechung des Entwurfs
mündete in eine pathetische Überhitzung. „Diese Krise erfordert radikalste
Maßnahmen“, rief sie und dass man das „der Welt schuldig“ sei. Im Saal
sprangen die Grünen auf, das schien der Weltrettungssound, den sie lieben.
Gönnen wir den Gerührten ihre Rührung und Anne Will den Schulschwänzquatsch
und kommen hier zur entscheidenden Frage: Was bringt Fridays for Future
konkret?
In diesen Tagen liest man wieder schöne Märchen darüber, was die Straße und
das erzeugte gesellschaftliche Bewusstsein alles bewirken könne. In der
Regel gar nichts, wenn absolute Ziele propagiert werden, Weltfrieden oder
Anti-Kapitalismus. Als Musterbeispiel für Erfolg wird stets der deutsche
Atomausstieg genannt.
Einerseits ja: Eine nachhaltige Protestbewegung hatte eine politische
Mehrheit kulturell aufgebaut. Andererseits hob eine CDU/FDP-Regierung den
rot-grünen Atomausstieg einfach auf, obwohl eine Mehrheit der Gesellschaft
das nicht wollte. Weil Merkel dafür nicht abgewählt worden wäre. So wichtig
war’s dann doch nicht. Es brauchte schon eine weitere Nuklearkatastrophe.
Wenn in vielen europäischen Ländern ein hohes Bewusstsein für die
Erderhitzung da ist, aber kaum Klimapolitik – dann bedeutet auch das, dass
dieses Bewusstsein das Wahlverhalten nicht entscheidend tangiert. Das ist
aber der einzige Weg zu Veränderung: Das gesellschaftliche Bewusstsein, das
Wahlverhalten und Politik in Verantwortung müssen gekoppelt sein.
Und die konkrete Politik muss dann erfolgreich sein im Sinne, dass die
Mehrheit etwas davon hat. Das Beispiel dafür sind Fahrradstädte in den
Niederlanden. Es gab keine Demos. Das wurde politisch entschieden, die
Leute finden’s gut und stützen diese Politik. Das ist die einzige Moral,
die man verstehen muss.
## Poschardt darf seinen Porsche behalten
Das Relevante an dieser neuen Jugendbewegung ist, dass sie – anders, als
Kritiker wie der Welt-Kollege Ulf Poschardt vermuten – nicht auf
calvinistisch-moralischem Kreuzzug sind. Sie wollen ihm seinen Porsche
nicht wegnehmen und sie wollen selbst auch weiter in der Welt herumfliegen,
deshalb brauchen sie ja Zukunft.
Kann sein, sagt Luisa Neubauer am Telefon, dass sie bei den Grünen so
mitgenommen war, weil sie kurz davor mit Greta Thunberg von den
Klimawissenschaftlern des Potsdamer PIK mit der Dramatik der Lage
konfrontiert worden sei. Grundsätzlich aber zielen sowohl Thunberg als auch
Neubauer nicht auf Moral, Religion oder Buße, sondern auf ein klares
politisches Ziel: Die Regierungen sollen das Klimaabkommen von Paris nicht
mehr ignorieren, sofort umsetzen. Das ist der Kern dieses Protests.
Da die Koalition von Union und SPD dazu nicht in der Lage ist, heißt das
für Deutschland: Es braucht nur einen Verzicht, nämlich den auf die
derzeitige Koalition. Es braucht eine neue Mehrheit, die die nächste
Bundesregierung damit beauftragt, das nationale und europäische Zentrum der
ökologischen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu sein.
Es mag schwierig werden angesichts einer Vielfalt von individuellen
Prioritäten, diese politische Mehrheit für Zukunft zusammenzubekommen. Aber
die Sache ist ziemlich einfach zu verstehen.
6 Apr 2019
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Protest
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Die eine Frage
IG
Greta Thunberg
Annalena Baerbock
AKK
Grüne
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