| # taz.de -- Lebenslange Haft für Berliner Raser: Rasen ist kein zulässiger �… | |
| > Das Berliner Landgericht verurteilt zwei Raser im Revisionsverfahren | |
| > erneut zu lebenslänglich – wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln. | |
| Bild: Der Unfallort in der Tauentzienstraße, Berliner Ku'Damm, vor über drei … | |
| Berlin taz | Hamdi H., 30, grinst fassungslos in die Luft, Marvin N., 27, | |
| starrt, nach außen teilnahmslos, auf den Boden, als der Vorsitzende Richter | |
| der 32. Strafkammer des Berliner Landgerichts, Matthias Schertz, am | |
| Dienstag Mittag das Urteil bekannt gibt: erneut lebenslänglich für die | |
| Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes [1][infolge eines | |
| Autorennens in der Berliner Innenstadt] in der Nacht vom 1. Februar 2016. | |
| Damit folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft in wesentlichen | |
| Punkten. | |
| Der Fall der „Ku’damm-Raser“ schrieb und schreibt Rechtsgeschichte. [2][Z… | |
| ersten Mal hatte 2017] ein Gericht zwei Raser [3][wegen Mordes verurteilt, | |
| der Bundesgerichtshof allerdings hob das Urteil als schlecht begründet ein | |
| Jahr später wieder auf]. Die 32. Strafkammer, die den Fall seit November | |
| 2018 neu verhandelte, musste nun also seine Sichtweise wohl überlegt | |
| begründen und darüber entscheiden: War es Mord oder fahrlässige Tötung? | |
| Handelten Hamdi H. und Marvin N. bedingt vorsätzlich und nahmen die Gefahr | |
| in Kauf oder blendeten sie das Risiko schlicht aus? | |
| Das Berliner Landgericht sieht den „bedingten Tötungsvorsatz“ als erwiesen | |
| an. Es sei der Kammer klar, dass die Angeklagten nicht mit Absicht | |
| gehandelt hätten, sagt Richter Schertz in seiner Urteilsbegründung, doch | |
| mit grober oder bewusster Fahrlässigkeit habe ihr Verhalten „nichts mehr zu | |
| tun“ gehabt. „Die Angeklagten haben mit dem Leben der anderen gespielt.“ | |
| Schertz zeichnet ein eher negatives Bild der beiden Angeklagten, die | |
| „selbstverliebt und rücksichtslos“ gehandelt und Rasen „als Lifestyle“ | |
| empfunden hätten. Aus einem anfänglichen Stechen habe sich das Wettrennen | |
| entwickelt, keiner von beiden hätte hinnehmen wollen zu verlieren, sie | |
| ignorierten rote Ampeln und rasten mit bis zu 160 Stundenkilometern – | |
| „wissend, dass man bei solcher Geschwindigkeit nicht mehr reagieren kann“, | |
| sagt Schertz. Ihre Fahrzeuge wurden „förmlich zu Projektilen“. | |
| ## Sohn des Verstorbenen zeigt sich zufrieden | |
| Der Audi von Hamdi H. bohrte sich in den rechts einbiegenden Jeep von | |
| Michael Warshitsky und schleuderte ihn 70 Meter weit, der 69-jährige Arzt | |
| im Ruhestand hatte keine Chance. Sein Sohn Maximilian, der im Prozess als | |
| Nebenkläger auftrat, zeigt sich nach der Urteilsverkündung „zufrieden“. Es | |
| sei „ein hartes Urteil“, sagt er, „aber gerecht“. | |
| Der Bundesgerichtshof hatte in seiner Urteilsbegründung den zu spät | |
| angesetzten Zeitpunkt des bedingten Tötungsvorsatzes moniert. Hier baut das | |
| neue Urteil nun vor. Es stützt sich dabei auf die Aussage des technischen | |
| Experten, dass die beiden Angeklagten circa 90 Meter vor der Unfallstelle | |
| noch hätten bremsen können. Marvin N. hätte sogar einen Moment den Fuß vom | |
| Gaspedal genommen, das haben die Auswertungen des Sachverständigen ergeben, | |
| um dann trotz roter Ampel Vollgas zu geben. | |
| Die 32. Strafkammer sieht damit den bedingten Vorsatz auch für N. gegeben, | |
| obwohl H. derjenige war, der mit dem Jeep kollidierte. Das Argument des | |
| Sachverständigen, dass N. damit „das einzig Richtige“ getan hätte, nämli… | |
| durchzustarten, weil Bremsen nicht mehr geholfen hätte, ignoriert das | |
| Gericht. Die Verteidigung wird in Revision gehen. | |
| Wäre es zu dem Verfahren auch bei der neuen Rechtslage von Paragraf 315d | |
| gekommen, der Raserei seither unter Strafe stellt? Ja, sagt Richter | |
| Schertz, ein solcher „Extremfall“ würde auch in Zukunft dazu führen, den | |
| bedingten Tötungsvorsatz, also Mordvorwurf, zu prüfen. Der Kammer sei | |
| bewusst, dass es für die beiden Angeklagten ein hartes Urteil sei. 15 | |
| Jahre. „Aber ganz perspektivlos ist es nicht.“ Vorzeitige Lockerungen seien | |
| denkbar. Und die Führerscheinsperre gilt schließlich nur für fünf Jahre. | |
| 26 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine Seifert | |
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