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# taz.de -- Illegales Autorennen: Dritter Start im Raser-Prozess
> Ein Mordurteil gegen zwei Berliner Autoraser schrieb Geschichte – und
> wurde aufgehoben. Nun beginnt ein neuer Prozess.
Bild: Trümmer nach dem tödlichen Autorennen auf der Tauentzienstraße im Febr…
War es fahrlässige Tötung, Totschlag oder Mord? Wird es für Hamdi H. (29)
und Marvin N. (27) Geld- oder Freiheitsstrafen geben? Und wenn es
Haftstrafen gibt, sind sie zeitlich begrenzt oder lebenslang? Am Montag
wird zum dritten Mal die Diskussion über die Bestrafung zweier Raser
eröffnet, deren Autorennen auf dem Ku’damm und der Tauentzienstraße mit dem
Tod eines Unbeteiligten endete.
Im Gegensatz zur juristischen Bewertung ist der Ablauf des Geschehens
unstrittig. Der 1. Februar 2016 war keine Stunde alt, als sich Hamdi H. im
weißen Audi A6 TDI und Marvin N. im weißen Mercedes AMG CLA 45 an einer
roten Ampel am Adenauerplatz begrüßten. Sie kannten sich flüchtig und waren
sich schnell darüber einig, gegeneinander anzutreten.
Während Hamdi H. – sein Spitzname im Freundeskreis „Der Transporter“ nach
der gleichnamigen Action-Serie mit Jason Statham – die nächsten roten
Ampeln missachtete, beschloss Marvin N. erst zwei Ampeln später, es ebenso
zu halten. An der Kurve in Höhe der Gedächtniskirche hatte er mit seinem
381-PS-Fahrzeug und einem Tempo von mindestens 139 Stundenkilometern einen
leichten Vorsprung, bis Hamdi H. in seinem 225-PS-Audi fünf Sekunden lang
Vollgas gab und am Wittenbergplatz mit 160 Stundenkilometern an seinem
Kontrahenten vorbeiziehen wollte.
Da endete das Rennen nach über zweieinhalb Kilometern und elf zumeist roten
Ampeln in einer Rauch- und Staubwolke: Ein pinkfarbener Jeep war bei Grün
aus der Nürnberger Straße losgefahren. Der auf der rechten Spur befindliche
Hamdi H. krachte mit seinem Audi in dessen Fahrerseite, der Jeep flog 70
Meter weit durch die Luft.
## Pure Verwüstung
Michael W., ein 69-jähriger pensionierter Arzt, starb noch am Unfallort.
Zeugen sprachen von einem Schlachtfeld: eine gefällte Ampel, eine
abgerissene Auspuffanlage, überall Teilchen und Splitter – in einem Umkreis
von 60 bis 70 Metern die pure Verwüstung.
Wer mit der dreifachen Höchstgeschwindigkeit rote Ampeln in der Innenstadt
überfahre, müsse mit einer Kollision rechnen. Mit diesem Argument klagte
Staatsanwalt Christian Fröhlich die beiden Fahrer wegen Mordes vor dem
Schwurgericht an. Diese hätten zwar nicht beabsichtigt, jemanden zu töten,
aber sie hätten einen bedingten Tötungsvorsatz gefasst: Ihnen sei bewusst
gewesen, dass sie andere gefährden, und sie hätten dieses Risiko in Kauf
genommen.
Im September 2016 begann der Prozess vor einer Schwurgerichtskammer des
Berliner Landgerichts. Die Verteidiger argumentierten, dass sich ihre
protzenden und massiv wegen Verkehrsdelikten vorbestraften Mandanten
lediglich überschätzt hätten. Man könne ihnen keinen Vorsatz, sondern nur
Fahrlässigkeit unterstellen und sie maximal mit fünf Jahren Haft bestrafen.
Das sah die 35. Große Strafkammer anders. Im Februar 2017 schrieb sie
Rechtsgeschichte: Das erste Mal in Deutschland wurden Raser, die bei ihrem
illegalen Treiben einen Menschen getötet hatten, wegen Mordes mit
gemeingefährlichen Mitteln zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
## Schärfere Sanktionen
In Reaktion auf dieses Urteil wurden ab dem 13. Oktober 2017 die Sanktionen
verschärft: Wer ein verbotenes Rennen ausrichtet oder daran teilnimmt, kann
bis zu zwei Jahre Haft bekommen. Gibt es Tote, sind es bis zu zehn Jahre.
Für das Rennen vom 1. Februar 2016 gilt dies nicht rückwirkend. Doch
signalisiert es den Willen des Gesetzgebers, solche Taten härter zu ahnden.
Im März 2018 entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe über das
Schicksal von Marvin N. und Hamdi H., deren Verteidiger hatten für sie
Revision eingelegt.
Tatsächlich fanden die dortigen Richter das Urteil ihrer Berliner Kollegen
unlogisch. Diese hätten den Angeklagten zwei sich gegenseitig
ausschließende Bewusstseinszustände unterstellt: Zum einen soll ihnen klar
gewesen sein, dass sie einen tödlichen Unfall verursachen könnten. Zum
anderen hätten sie die drohende Gefahr ausgeblendet.
Besonders unglücklich empfanden die Karlsruher Richter die Formulierung,
dass den Angeklagten „spätestens“, als sie in die Unfallkreuzung rasten,
bewusst gewesen sei, dass sie andere Verkehrsteilnehmer töten könnten. Doch
in diesem Moment konnten die Fahrer nicht mehr reagieren, es war ihnen also
gar nicht möglich, den Vorsatz zum Morden zu fassen.
Das Berliner Urteil wurde aufgehoben, Mitte August startete dann die 40.
Große Strafkammer den neuen Prozess. Doch weil deren Richter allzu deutlich
durchblicken ließen, für wie nachvollziehbar sie das Urteil ihrer Kollegen
hielten, wurde diese Strafkammer wegen Befangenheit abgelehnt. Nun ist die
32. Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Matthias Schertz am Zug. Im
Februar 2019 könnte das neue Urteil verkündet werden.
19 Nov 2018
## AUTOREN
Uta Eisenhardt
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