# taz.de -- Revisionsprozess gegen Berliner Raser: Verurteilung wegen Mordes wa… | |
> Zwei Berliner überfuhren bei einem illegalen Autorennen einen Rentner und | |
> wurden zu „lebenslang“ verurteilt. Der Bundesgerichtshof ist skeptisch. | |
Bild: Der Unfallort nach dem Rennen | |
KARLSRUHE taz | Das Mord-Urteil des Landgerichts Berlin gegen zwei Raser | |
wird voraussichtlich aufgehoben. Das zeichnete sich nach der Verhandlung | |
des Bundesgerichtshofs (BGH) am Donnerstag ab. Die Entscheidung wird am 1. | |
März verkündet. | |
Im Februar 2016 kam ein unbeteiligter 69-jähriger Rentner in Berlin bei | |
einem illegalen Auto-Wettrennen von zwei jungen Männern ums Leben. Hamdi H. | |
(damals 26) und Marvin N. (24) hielten nachts um halb eins zufällig an | |
einer Ku’damm-Ampel nebeneinander. Per Handzeichen verabredeten sie ein | |
Rennen bis zum Kaufhaus KaDeWe. Auf der 3,5 Kilometer langen Strecke | |
passierten sie elf Ampeln, manche zeigten Rot, wurden aber ignoriert. An | |
der letzten Kreuzung lag N. knapp vorn, deshalb beschleunigte H. auf über | |
160 Stundenkilometer. Dabei erfasste er jedoch den Rentner, der gerade mit | |
seinem Jeep auf die Kreuzung fuhr. Der Jeep wurde durch die Luft gewirbelt, | |
der Mann starb noch am Unfallort. | |
Bisher waren solche Unfälle bei illegalen Wettrennen als „fahrlässige | |
Tötung“ bestraft worden. Das Landgericht Berlin [1][verurteilte] Hamdi H. | |
und Marvin N. jedoch wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger | |
Freiheitsstrafe. Sie hätten den Tod von Passanten billigend in Kauf | |
genommen. „Spätestens“ als sie auf die letzte Kreuzung fuhren, sei ihnen | |
bewusst gewesen, dass andere Verkehrsteilnehmer bei einem Unfall tödlich | |
verletzt würden. Das sei ihnen aber „gleichgültig“ gewesen. Sie hätten es | |
dem Zufall überlassen, ob jemand zu Schaden komme oder nicht. | |
## Die „Achillesferse“ des Urteils | |
Dagegen erhoben H. und N. Revision zum BGH. „Es geht nicht darum, die | |
Angeklagten vor einer Strafe zu bewahren“, sagte Verteidiger Ali Norouzi. | |
„Die Verurteilung wegen Mordes ist aber rechtsfehlerhaft.“ Der | |
Tötungsvorsatz sei vom Ergebnis her gedacht. Das Gericht nehme an, dass | |
dieser erst entstand, als die Männer auf die letzte Kreuzung fuhren. „Laut | |
Landgericht konnten sie in diesem Moment aber einen Unfall gar nicht mehr | |
verhindern.“ Das sei ein „nachträglicher Vorsatz“, der strafrechtlich | |
irrelevant ist. | |
BGH-Richterin Beate Sost-Scheible erläuterte das Problem des nachträglichen | |
Vorsatzes an einem Beispiel. „Jemand stößt aus Übermut einen Felsbrocken | |
von einem Berg hinab und erkennt erst anschließend, dass unten sein Feind | |
steht. Dann denkt er: ‚Das trifft sich gut.‘ Dieser nachträgliche Gedanke | |
ist aber unerheblich, weil die eigentliche Tathandlung – das Hinabstoßen | |
des Felsstücks – noch ohne diesen Vorsatz erfolgte.“ | |
Der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Hannes Meyer-Wieck, räumte ein, dass | |
hier die „Achillesferse“ des Berliner Urteils liegt. Man könne das Wort | |
„spätestens“ aber so auslegen, dass auch vorher schon ein Vorsatz bestand. | |
„Man tut sich aber schwer, dazu etwas im Urteil zu finden“, entgegnete | |
Sost-Scheible. Der BGH sei nun mal an die Feststellungen des Landgerichts | |
gebunden und könne nichts in das Urteil hineinlesen. | |
Der BGH wird also kein Grundsatzurteil sprechen, sondern das Berliner | |
Urteil vermutlich wegen Rechtsfehlern aufheben. Vermutlich muss das | |
Landgericht den Prozess bald neu aufrollen. | |
1 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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