# taz.de -- „Fridays For Future“-Demo in Berlin: „Größer als die 68er“ | |
> Diesen Freitag kommt Greta Thunberg zum Klimastreik nach Berlin. Zwei | |
> AktivistInnen über die Bedeutung der Bewegung. | |
Bild: Zum weltweiten Klimastreik am 15. März kamen in Berlin mehr als 20.000 K… | |
Franziska: „Ich befasse mich schon länger mit Klimapolitik. Wir haben 2017 | |
im Ethikunterricht unseren CO2-Fußabdruck ausgerechnet. Der war relativ | |
hoch: 11 Tonnen. Meine Eltern, die waren immer schon öko, hat das ganz | |
schön bestürzt. Wir haben dann als Familie ein Jahr lang versucht, | |
möglichst CO2-neutral zu leben – und meine Eltern haben darüber ein Buch | |
geschrieben. | |
Dass ich jetzt bei FFF mitmache, macht meinen Vater, glaube ich, ziemlich | |
stolz. Meine Eltern unterstützen mich voll, schreiben mir jeden Freitag | |
eine Entschuldigung. Die wird zwar von der Schule nicht angenommen, aber | |
das ist ja was anderes. | |
Ich habe inzwischen sehr, sehr wenig Zeit für Schule, muss ich gestehen. | |
Aber ich hab Glück, ich bin halt gut. Dadurch können die Lehrer nicht so | |
viel sagen – wenn ich Einsen habe oder mich mündlich beteilige. Wenn mein | |
Schnitt dadurch ein bisschen runtergeht, ist das nicht so schlimm. Die | |
Schule hat extra vor zwei Wochen meine MSA-Präsentation verschoben, weil | |
ich da in Straßburg war bei EU-Politikern. Diesen Freitag habe ich auch | |
eine Prüfung, die wurde auf 8 Uhr morgens vorverlegt, damit ich zur Demo | |
kann. Das finde ich voll krass, denn eigentlich ist meine Schule eher gegen | |
die Streiks. | |
Dass das Thema jetzt so abgeht, liegt vor allem an Greta. Wenn eine Person | |
anfängt und zeigt, hey, das geht, dann machen viel, viel mehr Leute mit. | |
Außerdem hat die Politik uns ganz lange alles verschwiegen und uns belogen. | |
Eigentlich macht sie das immer noch. Die deutsche Regierung macht 120 | |
Prozent zu wenig, um den Klimawandel zu stoppen. Dazu gibt es eine neue | |
Studie, die das ausgerechnet hat. Aber das weiß keiner! Ich weiß das, weil | |
ich mich mehr damit beschäftige, aber drei Viertel der Gesellschaft | |
beschäftigt sich damit nicht. | |
Das Ding ist, dass der Klimawandel für uns in Deutschland noch ziemlich | |
weit weg ist. In anderen Ländern ist der viel weiter, es gibt schon mehrere | |
Millionen Klimaflüchtlinge auf dieser Welt. Da haben wir in Deutschland ein | |
krasses Privileg, und deswegen erreicht das Thema viele hier noch nicht so. | |
Ich glaube, dass sich das ändern muss – und dass dann bei ganz vielen | |
Menschen die Angst kommen wird. Die Angst ist auch bei mir manchmal schon | |
da: Wenn man weiß, so und so schlimm kann das wirklich werden. | |
Manche sagen ja jetzt, dass wir radikaler werden müssen, damit sich die | |
Bewegung nicht totläuft. Ich fände das falsch: Ganz viele junge Menschen | |
setzen sich gerade zum ersten Mal für etwas ein. Wir haben Drittklässler | |
da, für die das schon krass ist, wenn sie freitags streiken gehen. Wenn wir | |
noch extremere Positionen vertreten, schließen wir gleich wieder ganz viele | |
Leute aus! | |
Manche sagen auch, es wird Zeit, dass wir konkrete Forderungen formulieren. | |
Wir haben eine konkrete Forderung: das 1,5-Grad-Ziel vom Pariser | |
Klimaabkommen einhalten – das ist konkret genug! Es ist nicht mein Job zu | |
sagen, um diese Klimaziele einzuhalten, müsst ihr bis 2030 so und so viel | |
Prozent Emissionen da und dort einsparen. | |
Von den Politikern kriegen wir jetzt oft zu hören: Ja, es wird was | |
passieren, es wird sich was ändern. Trotzdem kommt bei mir auch Frust auf, | |
weil man weiß, was der jetzt erzählt, klingt schön und gut, aber es wird | |
trotzdem nicht umgesetzt. Wir waren zum Beispiel beim Bundestagsausschuss | |
für Klimapolitik, hatten auch Gespräche mit Frau Schulze | |
[Bundesumweltministerin, Anm. d. Red.], und ich glaube, die sind alle | |
superfroh, dass sie uns haben. Weil sie jetzt sagen können, wir haben eine | |
Menge junger Leute, die das wirklich mitträgt. Aber ehrlich gesagt, denke | |
ich mir, hey, ich will nicht noch die nächsten drei Jahre auf die Straße | |
gehen müssen, damit ihr was gebacken kriegt.“ | |
Tommy: „Die Beschäftigung mit Klimapolitik hat bei mir so richtig | |
angefangen mit dem Hambacher Forst. Mein Bruder und viele Freunde von mir | |
sind da auch hingefahren. Ich war da leider nicht, habe damals eine Prüfung | |
geschrieben – aber seitdem habe ich mir mehr Gedanken gemacht, wie wir mit | |
unserer Umwelt umgehen. Es gibt dazu auch total interessante Filme, zum | |
Beispiel „The Tipping Point“, wo erklärt wird, dass es einen Punkt gibt, ab | |
dem es kein Zurück mehr gibt und wir auf die Erderwärmung keinen Einfluss | |
mehr nehmen können.“ | |
Meine Eltern finden es, glaub ich, nicht so prickelnd, dass ich in den | |
letzten zwei Monaten nicht mehr freitags zur Schule gegangen bin, | |
besonders, wo ich jetzt Abitur mache. Aber sie haben nie groß versucht, mir | |
das zu verbieten. | |
Die Klimastreiks sind für mich das aktivistische Erwachen unserer | |
Generation! Alle anderen Generationen hatten ihre Protestwelle – das ist | |
unsere, und wir sind erst am Anfang! Ich habe großen Respekt vor der | |
68er-Bewegung – aber FridaysForFuture ist weitaus größer. Die 68er waren | |
bis zu 10.000 StudentInnen in Westberlin – bei FFF sind alleine | |
deutschlandweit schon über 300.000 Menschen gewesen, weltweit waren es am | |
15. März 1,6 Millionen. Und bei den 68ern gab es keinen richtigen | |
Handlungszwang. Aber wir müssen etwas verändern. Wenn wir nichts verändern, | |
werden wir in ein paar Jahren riesige Probleme haben. | |
Angst macht mir das aber nicht, dafür denke ich viel zu pragmatisch. Ich | |
denke nicht, was könnte passieren, sondern was kann ich machen, damit es | |
nicht passiert. Angst ist etwas, das mich davon abhalten würde und auch | |
andere Menschen abhalten würde. Also wenn das irgendjemand liest: Hört | |
nicht auf diese Ängste! Sitzt nicht apathisch in der Ecke und denkt: Oh | |
nein, wir sind alle so am Arsch! Macht was! Nur dadurch können wir dafür | |
sorgen, dass diese Ängste nicht Wahrheit werden. | |
Nur denke ich, es reicht nicht, der Politik das 1,5-Grad-Ziel vom Pariser | |
Abkommen vorzuhalten. Sie haben das bislang ignoriert und sie werden es | |
weiter tun, bis es zu spät ist. Ich denke, wir brauchen strukturelle | |
Änderungen. Es gibt zum Beispiel die Forderung nach einem Wahlrecht für | |
Jüngere oder nach Direktvertretung von Jugendlichen in Parlamenten. Damit | |
es mehr direktdemokratischen Einfluss gibt auf die Politik und weniger | |
Einfluss von VW, RWE und so. | |
Die größte Stärke von FFF ist: Menschen anzusprechen, die sich noch nicht | |
so groß für Klimapolitik interessiert haben. Dass jetzt zum Beispiel viele | |
Eltern mitmachen, ist wichtig: Die ParentsforFuture können bestimmen, ob | |
die nächste Reise mit dem Flugzeug, dem Auto oder mit der Bahn gemacht | |
wird. Sie bestimmen, wie viel Fleisch und ob Fleisch im Hause ist. Sie | |
bestimmen, ob lokale Produkte gekauft werden, ob Plastik benutzt wird, wie | |
geheizt wird – sie bestimmen den ganzen Konsum eines Haushalts. Und sie | |
haben Einfluss auf die Wahlen. Wenn mein Vater sagen würde, wir kaufen kein | |
Fleisch mehr oder schaffen das Auto ab, dann wäre das so – ich kann das nur | |
vorschlagen. Leider ist meine Familie, was Umwelt angeht, noch nicht so | |
weit.“ | |
Protokoll: S. Memarnia | |
28 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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