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# taz.de -- Ein Pionier in der kurdischen Musik: Einmal ins Universum schreien
> Kurdische Musik, volkstümliche Erinnerung, queere Texte: Dem Berliner
> Musiker Adir Jan ist die Liebe ein Anliegen. Er legt seine erste Platte
> vor.
Bild: Adir Jan pflegt mit der Langhalslaute die Tradition und betritt mit seine…
Queerer kurdischer Psychedelic Rock aus Berlin-Kreuzberg: Die Musik von
Adir Jan, der nun seine Debütplatte „Leyla“ veröffentlicht hat, ist
sicherlich nicht alltäglich. Von einem „Schmelztiegel aus Sounds und
Rhythmen aus dem Mittleren Osten sowie dem mediterranen Raum, Progressive
Rock, Pop, Psychedelic und einer kurdischen Seele“, spricht er selbst, von
einer „kosmopolitischen, kurdisch angehauchten Musik“. Die wiederum als
„Statement für eine universelle Liebe“ zu verstehen sei.
Man trifft Adir Jan im Südblock in Kreuzberg. Hier hatte er eine Zeit lang
seine Veranstaltungsreihe „Zembîl“, bei der regelmäßig er mit seiner Band
und diverse weitere Musiker als Gäste auftraten, bevor das Ganze in eine
Party überging. Inzwischen findet „Zembîl“ im SO36 statt, „die
Veranstaltung ist einfach zu groß geworden für den Südblock“, so Adir Jan.
Der 35-Jährige spielt mit einer festen Band, einem Schlagzeuger, einem
Gitarristen und Bassisten und mit einem Perkussionisten. Auf seiner Platte
hört man dazu noch diverse Gastmusiker, die unter anderem Violine,
Klarinette und Saxofon beisteuern. Zweieinhalb Jahre habe er gebraucht, um
die Platte einzuspielen, sagt er. In Deutschland erscheint sie bei dem
Label Trikont, für die Türkei übernimmt eine kleinere türkische
Plattenfirma. Noch stehe nichts an, aber er hoffe doch sehr darauf,
endlich auch einmal außerhalb Deutschlands Konzerte geben zu können, sagt
er. Gerne auch in der Türkei.
## Elektrifizierte Volksweisen
„Leyla“ heißt seine Platte. Die meisten Lieder darauf hat Adir Jan selbst
geschrieben, er interpretiert aber auch kurdische Volksweisen neu,
elektrifiziert sie gar, macht sie rockiger. Für den Plattentitel – immerhin
gibt es von ihm keinen Song, der „Leyla“ heißt – gibt es zwei Gründe. �…
finde den Namen einfach sehr schön. Hätte ich eine Tochter, sie würde ihn
tragen“, so Adir Jan. Außerdem heißt seine Mutter Leyla.
Sein Hauptinstrument ist der Tambur, die kurdische Langhalslaute. Mal
erklingt er bei ihm akustisch, mal elektrisch verstärkt. Das Spiel auf dem
Tambur habe er sich selbst beigebracht, erzählt er. Dazu singt er in den
kurdischen Sprachen Zaza und Kurmandschi.
Als Sohn von sogenannten Gastarbeitern ist er in Berlin Kreuzberg
aufgewachsen. „Kassetten mit kurdischer und türkischer Musik habe ich schon
als Kind gehört“, erzählt er, und außerdem sei er immer wieder nach
Kurdistan gereist: „Ich bin kurdisch und türkisch sozialisiert.“ Aber
kurdische Sprache, Kultur und Musik sind nur die Basis seines Schaffens. Er
will mehr, als eine ethnische Musik für eine bestimmte Ethnie zu machen.
„Auf der Bühne singe ich in vielen verschiedenen Sprachen, auch in
Griechisch, Persisch oder Arabisch“, sagt er, „damit spricht meine Musik
nicht nur konkret eine kurdische Hörerschaft an und ist wirklich
kosmopolitisch.“
## Spirituelle Kraft und queere Liebe
Wichtigstes Thema ist für ihn die Liebe, besagte „universelle Liebe“. In
seinen Texten geht es auch um Themen wie Schmerz, Trauer und Verlust, aber
das oft im Zusammenhang mit der Liebe. „Universelle Liebe“ definiert er so:
„Ich meine damit nicht unbedingt nur die Paarliebe, sondern die Liebe an
sich. Daran glaube ich, an die Kraft und heilsame Wirkung von Liebe. Mit
Religion hat das nichts zu tun, aber mit Spiritualität.“
Die Suche nach der spirituellen Kraft der Liebe kann dann so weit gehen wie
in dem Ritual, das sich auf Konzerten bei seinem Lied „Aşq û Evîn“ – w…
übersetzt „Liebe“ heißt – entwickelt hat. „Wenn ich das Lied live spi…
bitte ich das Publikum immer, einmal gemeinsam ins Universum ‚Liebe‘ zu
schreien – die Liebe kommt dann nämlich zurück. Und es funktioniert immer,
alle machen mit.“
Sosehr es ihm um die Liebe an sich gehen mag, so sehr ist aber auch
speziell die queere Liebe Thema bei ihm. Etwa in den Liedern „Aşq û Evîn“
und „Keskesor“. „Was ist schon dabei, wenn ein Mädchen ein Mädchen lieb…
Oder ein Junge einen Jungen?“, fragt er in dem einen Lied, „lasst die
Männer doch Männer lieben und Frauen Frauen“, fordert er in dem anderen.
Kurdische Musik, die zwar poppig und rockig klingt, ihre Volkstümlichkeit
aber auch nicht verleugnet, und dazu queere Texte: Gab es dagegen nie
Einwände von konservativer Seite? „Ich dachte anfangs schon, dass es
schwierig werden könnte, solche Themen in meiner Musik zu verhandeln“, sagt
Adir Jan, „ich hatte sogar Angst davor, von irgendwelchen Leuten
angegriffen zu werden. Aber das Gegenteil ist passiert. Wenn du mit deiner
Musik Menschen erreichst, dann öffnen sie ihr Herz.“
Wie politisch ist das letztendlich, was er da macht? Er ist ja schließlich
ein Pionier, vor ihm gab es im Bereich der kurdischen Musik keine offen
queeren Künstler. „Natürlich ist das schon eine Message, die ich verbreite,
das ist mir schon klar“, sagt Adir Jan, „aber wenn es mein Ziel wäre, ein
politischer Künstler zu sein, dann würde ich weniger Songs covern, die
nicht politisch sind.“ Letztlich, fügt er hinzu, „mache ich einfach nur
das, was ich schön, richtig und wichtig finde.“
21 Mar 2019
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Berlin-Kreuzberg
Queer
Trikont
Rave
Kunst
Daniel Haaksmann
Planningtorock
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