| # taz.de -- Kommentar Tarifvertrag der Länder: Festgeschriebene Ungerechtigkeit | |
| > Die höher eingestuften Beschäftigten im öffentlichen Dienst können mit | |
| > dem Tarifabschluss gut leben. Die unteren Lohngruppen aber bleiben | |
| > abgehängt. | |
| Bild: In Kitas wird im Vergleich weiterhin zu wenig bezahlt | |
| Natürlich: Was den Tariffrieden im Öffentlichen Dienst angeht, ist die | |
| Einigung der Länder mit den Gewerkschaften ein Erfolg. Ein paar kurze | |
| Warnstreiks als Nadelstiche, dann setzten sich Arbeitgeber und | |
| Gewerkschaften wieder an einen Tisch, verhandelten und fanden einen | |
| Kompromiss, mit dem beiden Seiten leben können. Verdi-Boss Frank Bsirske | |
| hat für seine Leute wenige Monate vor seinem Abgang einen ordentlichen | |
| Abschluss herausgeholt; den Arbeitgebern gibt die lange Laufzeit von fast | |
| drei Jahren Planungssicherheit. | |
| Und doch ist das Ergebnis unbefriedigend, was die soziale Schieflage | |
| anbelangt. Das Problem ist: Mit jeder prozentualen Erhöhung wird die Kluft | |
| zwischen NiedrigverdienerInnen und gut eingestuften Beschäftigten nicht nur | |
| im Öffentlichen Dienst immer größer: Acht Prozent insgesamt bedeuten für | |
| eine Berliner Kita-ErzieherIn, Einstiegsgehalt 2600 Euro brutto, monatlich | |
| 208 Euro mehr. Für eine angestellte GrundschullehrerIn, Gehalt inzwischen | |
| beachtliche 5.200 Euro, ganze 416 Euro. Da wird ein zweiter Jahresurlaub | |
| sicherlich drin sein. | |
| Verdi wollte diese Unwucht zwar durch eine sozialen Faktor mildern, indem | |
| sie eine feste Summe mehr für die unteren Lohngruppen forderte. Das | |
| Ergebnis ist aber fast nur Kosmetik und ändert nichts an der Schieflage: | |
| Die besagte Erzieherin und alle anderen auf diesem Gehaltsniveau bekommen | |
| über drei Jahre verteilt gerade mal 240 Euro mehr. So werden im | |
| öffentlichen Dienst auch weiterhin in harten, aber wenig anerkannten Jobs – | |
| Strafvollzug, Gesundheit, Kitas – eher kärgliche Löhne gezahlt, während in | |
| den Laufbahnen, in denen ein Uni-Abschluss nötig ist, ordentlich Geld | |
| verdient werden kann. | |
| Der Tarifabschluss ist ein Erfolg für die akademische Mittelschicht, aber | |
| nicht für die blue collars im Staatdienst. Der notorische Vergleich mit der | |
| Privatwirtschaft hinkt: Da wird viel mehr verdient, heißt es – | |
| interessanterweise mehr von Akademikern im Staatsdienst als von Arbeitern. | |
| Allerdings sind Staatsangestellte de facto vor Kündigungen geschützt, und | |
| sie bekommen durch die staatliche Zusatzversorgung eine deutlich bessere | |
| Rente als in der Privatwirtschaft. | |
| Wenn die Gewerkschaften die Ungerechtigkeit zwischen oben und unten im | |
| Tarifgefüge wirklich ändern wollen, braucht es Mut zur Umverteilung. Und | |
| den Mut, den Privilegierten in den eigenen Reihen zu sagen: Dieses Mal | |
| bekommt ihr weniger Lohnplus, damit Eure KollegInnen endlich das erhalten, | |
| was sie verdienen. | |
| 3 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Gunnar Hinck | |
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