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# taz.de -- Verteidigungsministerium vs. „Welt“: Zur NSU-Aufklärung verdon…
> Das Verteidigungsministerium weigerte sich über Jahre, Bundeswehrakten zu
> Uwe Mundlos offenzulegen. Nun entschied ein Gericht: So geht das nicht.
Bild: Der „Welt“-Journalist Uwe Müller (r) und sein Anwalt Christoph Parts…
Berlin taz | Das Bundesverteidigungsministerium wird zur Aufklärung
verdonnert: Am Donnerstag entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass das
Ministerium Akten über die Bundeswehr-Zeit des späteren NSU-Terroristen Uwe
Mundlos herausgeben muss. Geklagt hatte die Tageszeitung Welt – und das
schon vor Jahren.
Mundlos hatte von April 1994 bis März 1995 Wehrdienst in Bad Frankenhausen
(Thüringen) geleistet, war danach noch einige Monate bei den
Panzergrenadieren. Zu der Zeit war der Jenaer bereits einer der Aktivposten
der Thüringer Neonazi-Szene. Und obwohl er auch in der Bundeswehr als
Rechtsextremist auffiel, blieb das folgenlos.
Schon im September 2012 hatte die Welt auf Herausgabe der Bundeswehrakten
zu Mundlos geklagt, mittels des Informationsfreiheitsgesetzes – bis zuletzt
ohne Erfolg. Zunächst wies das Verwaltungsgericht Köln die Klage ab. Vor
dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bekam die Welt dagegen in
Teilen Recht – 70 Personalakten, gut 5.000 Seiten stark, mit möglichem
Bezug zu Mundlos müssten herausgegeben werden, nicht aber Akten des
[1][Militärischen Abschirmdienstes (MAD)].
Das Verteidigungsministerium legte indes umgehend Revision ein. Nun
verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das
Verteidigungsministerium final, die Akten herauszugeben – wieder aber nur
in Teilen. Das Ministerium muss die strittigen 70 Personalakten nun nicht
komplett freigeben, diese aber auf Bezüge zu Mundlos durchforsten und die
Fundstellen allesamt der Welt übermitteln. Der Springer-Verlag hatte sich
in der Verhandlung am Donnerstag auf diesen Kompromiss eingelassen.
„Die erforderliche Abwägung zwischen dem postmortalen Persönlichkeitsschutz
von Uwe Mundlos als Person der Zeitgeschichte und dem Informationsinteresse
der Presse fällt zugunsten der Presse aus“, entschieden die Richter.
## Dienst „zur vollen Zufriedenheit erfüllt“
Bei weiteren angeforderten Akten – zu Munitionsdiebstählen bei der
Bundeswehr Anfang der Neunziger und dem Einheitsaktenplan des
Verteidigungsministeriums zur Arbeit des MAD – wurde die Klage zurück ans
Oberverwaltungsgericht NRW verwiesen. Hier hatte das
Verteidigungsministerium die Freigabe verweigert, da die Unterlagen als
vertrauliche Verschlusssachen eingestuft seien und ihre Veröffentlichung
die Arbeit des MAD gefährde.
Das aber müsse das Oberverwaltungsgericht erst überprüfen, befanden nun die
Leipziger Richter. Geschehen könne dies in einem „in-camera-Verfahren“, bei
dem spezielle Fachrichter die Unterlagen sichten und entscheiden, ob diese
zu Recht als geheim eingestuft wurden.
Der frühere NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag hatte die Mundlos-Akten
indes bereits vor Jahren erhalten. In seinem Abschlussbericht kritisierte
er: Der Grundsatz, Rechtsextremisten von der Bundeswehr fernzuhalten, sei
in den Neunzigern „nicht mit der nötigen Konsequenz umgesetzt“ worden. Der
Fall Uwe Mundlos sei dafür „symptomatisch“.
Tatsächlich blieb das rechtsextreme Auftreten von Mundlos in der Bundeswehr
ohne Konsequenzen. Dabei wurde er noch während seiner Wehrdienstzeit von
der Polizei festgenommen, im August 1994: Mundlos war mit Rechtsextremen am
Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß aufmarschiert, bei ihm
zuhause fanden Polizisten NPD-Flugblätter und Rechtsrock-Kassetten. Die
Bundeswehr aber lehnte disziplinarische Schritte ab: Mundlos erfülle seinen
„Dienst bisher zur vollen Zufriedenheit und fiel bisher nicht negativ auf“.
## Neonazi-Musik in der Kaserne
Später hörte Mundlos mit anderen Soldaten Neonazi-Musik in der Kaserne,
grölte rechte Parolen. Der Militärische Abschirmdienst befrage ihn
daraufhin, aber auch das blieb folgenlos. Mundlos durfte weiter an
Schießübungen teilnehmen, wurde zum Obergefreiten befördert.
Und seine Radikalisierung nahm ihren Lauf. Im Januar 1998 tauchte Mundlos
schließlich mit seiner Jenaer Kameradschaftsfreunden Beate Zschäpe und Uwe
Böhnhardt unter, bildete den [2][„Nationalsozialistischen Untergrund“].
Zehn Menschen erschossen die Terroristen, verübten drei Anschläge und 15
Raubüberfälle. Es war die schlimmste Rechtsterrorserie der Nachkriegszeit.
Erst 2011, nach einem gescheiterten Bankraub, flog das Trio auf.
Bei der Bundeswehr war Uwe Mundlos im NSU-Komplex indes nicht der einzige
problematische Fall. Auch einer der engsten Helfer des Trios, der Sachse
André Eminger, leistete dort seinen Wehrdienst, in Gotha – und machte aus
seiner Gesinnung keinen Hehl. „Ich denke nationalsozialistisch“, sagte er
offen dem MAD. Er bewundere „die militärische Leistung der SS“. Die
Bundeswehr schritt nicht ein: Sie beließ Eminger im Dienst.
28 Feb 2019
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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Verteidigungsministerium
Schwerpunkt Rechter Terror
Die Welt
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Uwe Mundlos
Seda Basay-Yildiz
Rechtsextremismus
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