| # taz.de -- Trainer Pal Dardai über Hertha BSC: „Ich spüre keinen Druck“ | |
| > Bundesligatrainer Pal Dardai über seinen Ehrgeiz, die Möglichkeiten von | |
| > Hertha BSC und darüber, warum er sich ein Leben ohne die Kabine nicht | |
| > vorstellen kann. | |
| Bild: „Es wäre schwierig für mich, ohne den grünen Rasen zu leben“ – P… | |
| taz: Herr Dardai, Sie haben einmal gesagt, Jugendtrainer zu sein, ist das | |
| Beste. Sie haben sogar ein Rückkehrrecht in den Jugendbereich. | |
| Pal Dardai: Ich habe ein perfektes Leben gehabt. Als U15-Trainer bei Hertha | |
| habe ich mit dem Team alles gewonnen, hatte Spaß auf dem Platz, musste aber | |
| keine Zeit mit Journalisten investieren (lacht). Mein Auftrag war Kinder | |
| weiterzubilden und dafür zu begeistern, Herthaner zu sein. Ein | |
| wunderschönes Leben. | |
| Hört sich toll an. Warum haben Sie das aufgegeben? | |
| Ich wurde ja bereits parallel zu meiner Jugendarbeit ungarischer | |
| Nationaltrainer. Ich hatte da die Showbühne, das Adrenalin bei den Männern. | |
| Ein Rennpferd auf der Wiese fühlt sich nicht wohl. Aber ich bin nicht der | |
| Typ, der sich vordrängt. Ich bin als Jugendtrainer bei Hertha nie zum | |
| Manager gegangen, um nach größeren Aufgaben zu fragen. Bei der ungarischen | |
| Nationalmannschaft ging ich davon aus, Huub Stevens übernimmt den Posten. | |
| Als sie gesagt haben, du musst das machen, war ich überrascht. Weil ich | |
| davor aber immer eine große Klappe hatte, wollte ich dann nicht Nein sagen. | |
| Auch bei Hertha, haben Sie erzählt, mussten Sie von der Beförderung | |
| überzeugt werden. Sie wirken immer so zufrieden. Wollen Sie [1][nicht | |
| einmal den FC Bayern trainieren]? | |
| Solange mich ein anderer Verein nicht konkret fragt, brauchen wir nicht | |
| darüber reden. Das wäre doch Quatsch, oder? Es schadet auch nicht, im | |
| Profigeschäft vielleicht mal eine Pause einzulegen, wenn man irgendwann | |
| müde ist. Wenn dann später wieder eine Bundesliga-Anfrage kommt, kann man | |
| ja wieder zurück. | |
| Ist dieses Gefühl der Unabhängigkeit ein Vorteil für Sie im Vergleich zu | |
| anderen Trainern? | |
| Ich spüre keinen Druck und habe eine positive Grundeinstellung. Ich mag | |
| nicht diese Fragen nach den Spielen: „Hast du mit der Mannschaft | |
| geschimpft?“ Wozu soll das gut sein? Ob wir gewinnen oder verlieren, wenn | |
| ich in die Kabine gehe, bin ich der gleiche Mann. | |
| Verspüren Sie nicht einen besonderen Erwartungsdruck bei Hertha, gerade | |
| weil Sie schon so lange in diesem Verein sind? | |
| Nein, die Erwartung zum meinem Start hier war: eine neue Spielphilosophie, | |
| in den Nachwuchs investieren und nicht absteigen. Wir haben jetzt eine gute | |
| Stabilität und können den nächsten Schritt machen. Natürlich gibt es | |
| vielleicht einige, die damit nicht zufrieden sind. Es ist wie in dem | |
| Märchen mit dem Opa, dem Enkelkind und dem Esel. | |
| Verraten Sie uns das. | |
| Opa geht mit dem Kleinen in die Hauptstadt. Beide reiten auf einem Esel und | |
| die Leute sagen: Guck mal, wie fies die beiden sind. Sie sitzen auf dem | |
| armen Esel. Die beiden nehmen sich das zu Herzen. Nur der Kleine setzt sich | |
| auf den Esel. Dann heißt es: Guck mal, wie fies: der Kleine lässt den Opa | |
| zu Fuß laufen. Da machen sie es umgekehrt, und die Leute schimpfen, dass | |
| der Junge zu Fuß gehen muss. Zum Schluss nehmen sie den Esel auf den | |
| Rücken. Da sagen die Leute: Guck mal, die sind bescheuert. Ich lasse mich | |
| nicht von negativem Gerede beeinflussen. | |
| Sie haben kürzlich sehr schön die Entwicklung der Hertha unter Ihnen | |
| skizziert. In der ersten Phase gebunkert und gekontert.... | |
| Und gebetet. | |
| In der zweiten Phase ein gutes Mittelfelddreieck, in der dritten Phase ein | |
| gutes Umschaltspiel. [2][Hatten Sie diesen Plan von Anfang an]? Kann man so | |
| langfristig in der Bundesliga planen? | |
| Wenn ich damals versucht hätte, ein Umschaltspiel einzuführen, wären wir | |
| abgestiegen. Ich musste meinen Arsch retten. Und den von Hertha BSC. Wir | |
| haben aber natürlich schon überlegt, was wir entwickeln wollen. Ich glaube, | |
| jetzt sind wir da, wo wir hin wollten. Wenn die Spieler jetzt noch zwei | |
| Jahre älter sind, hat Berlin schon eine Mannschaft, die nach Berlin | |
| aussieht. | |
| Michael Preetz hat als Ziel ausgegeben, den Abstand auf die ersten sechs zu | |
| verkürzen. | |
| Wir haben dieses Jahr das Ziel einstelliger Tabellenplatz. Das ist schwer | |
| genug. In der Bundesliga gibt es jedes Jahr vier, fünf Mannschaften, die | |
| eine eigene Liga spielen. Der sechste Platz ist eine Art Meisterschaft für | |
| uns. Als Sechster wären wir quasi Meister, als Siebter Zweiter. | |
| Kaum eine Chance zu haben, unter die ersten fünf zu kommen – das muss doch | |
| eine frustrierende Erkenntnis sein. | |
| Nein. Denn es gibt immer einen Überraschungseffekt. Wenn du beispielsweise | |
| in dieser Saison zehn Punkte mehr hättest durch Fortuna, dann bist du | |
| Vierter. Und das Glück musst du dir erarbeiten. | |
| Was können Sie von Teams wie Gladbach lernen? | |
| Von Gladbach können wir eine Menge lernen. Die haben ein eigenes Stadion, | |
| ein eigenes Leistungszentrum, und fast immer volles Haus. Umso stärker der | |
| Verein, umso mehr kannst du investieren und hast automatisch bessere | |
| Bedingungen. | |
| Was ist mit Eintracht Frankfurt, letztes Jahr Pokalsieger? | |
| In Frankfurt waren vergangene Saison viele ausgeliehene Spieler. Wir leben | |
| von unseren Eigengewächsen, wir haben eine andere Philosophie. Wir wollen | |
| in Berlin ein Mini-Ajax sein, und unsere systematische Arbeit wird sich | |
| lohnen. | |
| Sind Sie denn zufrieden damit, Spieler immer abgeben zu müssen, nur | |
| Ausbildungsstelle zu sein? | |
| Wenn wir John Anthony Brooks für knapp 20 Millionen Euro an den VfL | |
| Wolfsburg verkaufen und den Verlust mit der Verpflichtung von Karim Rekik | |
| für drei Millionen Euro kompensieren, dann haben wir doch ein gutes | |
| Geschäft gemacht. Von dem Überschuss haben wir noch Valentino Lazaro und | |
| weitere Spieler geholt. Und damit unsere Mannschaft insgesamt weiter | |
| verstärkt. | |
| Die deutsche Nachwuchsausbildung ist aktuell stark in der Kritik. Michael | |
| Zorc hat gesagt: Auf jeden interessanten Deutschen kommen zwei interessante | |
| Engländer, zwei interessante Franzosen und Spanier sowieso. Stimmen Sie zu? | |
| Ich will das nur für Hertha BSC beurteilen. Mit Herthas U17 bin ich | |
| deutscher Meister geworden, mit der U15 war ich überall in der Welt | |
| unterwegs. Wir haben alle fertig gemacht. Das spricht dafür, dass der | |
| Nachwuchs nicht schlecht ist. Ich sehe das anders. Ich sehe die Probleme | |
| eher im Bereich der ganz Kleinen. | |
| Was für Probleme sehen Sie da? | |
| Bei der U9, U10, U11 spielen die Kinder zu Hause nicht mehr so viel Fußball | |
| wie früher. Nur zum Training zu kommen, reicht nicht. Die anderen Länder | |
| haben vielleicht auch mehr gute Fußballer, weil sie mehr Straßenfußballer | |
| haben. Wenn ich hier in Berlin nach Hause fahre, sehe ich zwei oder drei | |
| gute Käfige und Bolzplätze. Ich sehe da aber kaum Kinder spielen. Wenn du | |
| das nicht machst, kriegst du nicht ausreichend Zeit am Ball. Aber diese | |
| Zeit mit Ball ist enorm wichtig. | |
| Viele deutschen Vereine schauen sich derzeit [3][im Ausland nach | |
| 18-Jährigen um]. | |
| Man muss auch zwischen biologischem und kalendarischem Alter unterscheiden. | |
| Das kann man in den Büchern von Johan Cruyff lesen: Es gibt Spieler, die | |
| mit 20 Jahren bereits reif sind, bei anderen dauert es, bis sie 23 Jahre | |
| alt sind. Ribéry oder Reus sind mit 20 Jahren auch noch keine großen | |
| Fußballer gewesen. Bei Hertha haben wir eine gute Mischung. | |
| Erzählen Sie. | |
| Bei Hertha ist es uns gelungen, gute junge Spieler auszubilden. Arne Maier | |
| etwa ist ein guter, fleißiger Typ. Maximilian Mittelstädt, Jordan | |
| Torunarigha sind beide vielversprechend. In zwei, drei Jahren reden wir | |
| dann eventuell wieder von zwei, drei Spielern mit Perspektive, die jetzt | |
| noch in der U17 spielen. | |
| Wie viel taktische Mitsprache räumen Sie Ihren Spielern ein? | |
| Ich finde es gut, auf Argumente der Spieler einzugehen, und versuche das | |
| auch mit meiner Mannschaft. Zu Fabian Lustenberger zum Beispiel habe ich | |
| immer gesagt: Jetzt hast du schon so viel Erfahrung, du kannst sofort eine | |
| eigene Lösung finden auf dem Platz; du kannst auch ab und zu allein | |
| entscheiden. Das schadet nicht, denn ich bin draußen und die Spieler haben | |
| ein besseres Gespür auf dem Platz. | |
| Sie sind auf dem Fußballplatz aufgewachsen und ununterbrochen im Geschäft. | |
| Gibt es einen Punkt, wo Sie sagen würden, Sie würden gern etwas Abstand | |
| haben wollen vom Fußball? | |
| Schwierig. Mein Vater war in Ungarn ein großer Fußballheld. Mit drei Jahren | |
| bin ich nicht in die Kita gegangen, sondern mein Vater hat mich mitgenommen | |
| zum Fußballplatz. Ich habe mit verletzten Spielern Fußball gespielt oder in | |
| der Kabine zugehört. Ich habe als Kind schon mitbekommen, wie Spieler sauer | |
| auf ihren Trainer waren, was die da geschimpft haben, und taktische | |
| Besprechungen. Deshalb wäre es schwierig für mich, ohne den grünen Rasen zu | |
| leben. Ohne die Kabine wäre mein Leben komisch. Aber die wenigen Tage Pause | |
| im Winter und die vier Wochen im Sommer komme ich sehr gut klar ohne | |
| Fußball. Das muss auch so sein. | |
| Ohne den Fernseher einzuschalten? | |
| Mache ich auch nicht. Bei der WM 2018 bin ich erst am letzten | |
| Gruppenspieltag eingestiegen. Ein paar Wochen ohne Fußball tun mir gut. | |
| 2 Mar 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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