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# taz.de -- Kindesmissbrauch auf Campingplatz: Totales Versagen der Polizei
> Der tausendfache sexuelle Missbrauch in Lügde hätte wohl verhindert
> werden können. Einen ersten Verdacht gab es schon vor über 17 Jahren.
Bild: Auf dem Campingplatz fanden die Ermittler hunderte Datenträger mit kinde…
Düsseldorf taz | Neue, bisher nicht vorstellbare Fehler der Polizei hat
NRW-Innenminister Herbert Reul im [1][Skandal um den tausendfachen
sexuellen Missbrauch] an mindestens 31 Kindern und Jugendlichen auf einem
Campingplatz in Ostwestfalen-Lippe eingeräumt. Schon „vor mehr als 17
Jahren“, also 2002, sei Ermittlern im Kreis Lippe der Verdacht bekannt
gewesen, der Hauptbeschuldigte Andreas V. könnte ein achtjähriges Mädchen
missbraucht haben, sagte Christdemokrat Reul am Dienstagnachmittag in einer
Innenausschuss-Sondersitzung im Düsseldorfer Landtag.
Weitere Hinweise auf Sexualstraftaten gab es auch in den Jahren 2008 und
2016. Dennoch hatte das Jugendamt im niedersächsischen Hameln-Pyrmont noch
Anfang 2017 ein damals sechsjähriges Mädchen dem heute 56-Jährigen als
Pflegekind zugeteilt.
Festgenommen wurde der Hauptbeschuldigte, der dauerhaft auf dem
Campingplatz „Eichwald“ in der Nähe des 9.500 Einwohner zählenden Ortes
Lügde im Teutoburger Wald an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen lebte, erst am 6. Dezember 2018: Eine Mutter hatte den
sexuellen Missbrauch ihrer neunjährigen Tochter angezeigt, die mit dem
Pflegekind von Andreas V. befreundet war.
Im Wohnwagen des Hauptverdächtigen und in angrenzenden Holzhütten fanden
Ermittler hunderte Datenträger mit kinderpornografischem Material. Zusammen
mit seinem 33-jährigen Komplizen Mario S. soll Andreas V. den Missbrauch
gefilmt haben. In dem Campingwagen soll ein Kamerastativ auf das Sofa
ausgerichtet gewesen sein. Auch eine Mitarbeiterin des Jobcenters im
lippischen Blomberg soll vor Andreas V. gewarnt haben. Der Arbeitslose soll
seiner Beraterin gesagt haben, seine Pflegetochter mache ihn „erst heiß,
will dann kuscheln und dann doch nicht“.
## Alukoffer und 155 DVDs verschwunden
Schon am vergangenen Donnerstag hatte Nordrhein-Westfalens Innenminister
einräumen müssen, dass in den Räumen der Polizei Lippe Beweismittel spurlos
verschwunden sind. Es fehlen ein Alukoffer und eine Mappe mit 155 DVDs.
Reul hatte daraufhin Sonderermittler des Landeskriminalamts nach Lippe
geschickt.
Deren Chef, Kriminaldirektor Ingo Wünsch, offenbarte im
Landtags-Innenausschuss weitere Schlampereien: Zur Untersuchung der
verschwundenen Beweismittel sei kein erfahrener Fachmann, sondern ein
Kommissaranwärter in Ausbildung eingesetzt worden. Wer dies in Auftrag
gegeben habe – daran will sich in Lippe kein Polizist erinnern. Dafür
versichert der Kriminalistik-Student, er habe die 155 DVDs vor ihrem
Verschwinden innerhalb von nur fünf Stunden „gesichtet“.
Auch die ersten vier Durchsuchungen der Campingplatz-Parzelle von Andreas
V. liefen offenbar extrem oberflächlich ab. Bei einer vom LKA veranlassten
fünften Durchsuchung seien 131 weitere DVDs, ein Computer und eine
Festplatte sichergestellt worden. Diese Beweismittel hätten „teils offen
auf einem Trockner, teils in Hängeschränken“ herumgelegen, sagte
Kriminaldirektor Wünsch: „Im Ergebnis gab es schwere handwerkliche Fehler,
die sich potenziert haben“, erklärte er den Abgeordneten. „Verantwortliche
Führung ist nicht erkennbar.“
Entsprechend kleinlaut gibt sich Innenminister Reul, der schon in der
vergangenen Woche von „Polizei- und Behördenversagen“ gesprochen hatte: �…
wie es aussieht, ist es noch schlimmer, als ich selbst befürchtet habe.“
Auch als „Vater dreier Töchter“ verspreche er, den Skandal mit „absolutem
Hochdruck“ aufzuklären. In Lippe wurde der kurz vor dem Ruhestand stehende
Leiter der Direktion Kriminalität suspendiert. Der Polizeidirektor wiederum
wurde an das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und
Personalangelegenheiten versetzt.
## Bisher sind sieben Verdächtige identifiziert
Aktuell arbeiteten rund 60 Ermittler an dem Fall. Identifiziert haben sie
bisher insgesamt sieben Verdächtige. Darunter ist auch ein 16-Jähriger, der
möglicherweise auf dem Campingplatz hergestelltes kinderpornographisches
Material besessen haben soll. Gegen einen Polizisten und eine Polizistin
wird wegen Strafvereitelung im Amt, gegen zwölf weitere Beschuldigte wegen
Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt.
Die Lippische Landeszeitung berichtete außerdem, dass ein weiterer
Dauercamper eine 15-Jährige im April 2018 vergewaltigt haben soll.
Ermittlungen dazu seien aber eingestellt worden. Der Mann soll eng mit dem
Verdächtigen Mario S. befreundet sein.
Für Innenminister Reul, der sich mit der Räumung des Hambacher Walds und
massivem Polizeieinsatz gegen „Clan-Kriminalität“ als Hardliner inszenieren
wollte, bleibt der Skandal deshalb gefährlich. Im Innenausschuss musste
Reul einräumen, von den verschwundenen 155 DVDs nicht wie bisher verkündet
am 18., sondern „informell“ bereits am 15. Februar erfahren zu haben –
allerdings sei ihm da versichert worden, die Beweismittel würden schon
wieder auftauchen.
„Herr Reul trägt die politische Verantwortung für die katastrophalen
Ermittlungsfehler der Polizei. Er muss jetzt für lückenlose Aufklärung
sorgen“, fordert deshalb die innenpolitische Sprecherin der grünen
Landtagsfraktion, Verena Schäffer. „Selbstverständlich können wir als Grü…
die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu diesem
Zeitpunkt nicht ausschließen.“ Schon heute gebe es „genug Material für
einen Untersuchungsausschuss“, findet auch der innenpolitische Sprecher der
SPD-Opposition, Hartmut Ganzke.
27 Feb 2019
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## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
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Datenskandal
Polizei NRW
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Kinderpornografie
sexueller Missbrauch
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