# taz.de -- Allgäuer Kässpatzen selbst machen: Schmeckt auch weit weg vom Berg | |
> Es geht nicht mit der Presse, nur mit dem Hobel. Max und Moritz kochen | |
> Allgäuer Kässpatzen – und erklären, was sie von schwäbischen | |
> unterscheidet. | |
Bild: Je käsiger, desto besser! | |
Bei Kässpatzen kann man viel falsch machen. „Sie müssen genauso schmecken | |
wie daheim im Allgäu“, sagt Max Duchardt. Genau wie die, die er kennt, „von | |
Papa“. Und die er in Berlin manchmal vermisst. Wie den Bergblick. Und den | |
Schnee. | |
Max, 28, Designer, lange Locken, große Brille, Rauschebart, steht in | |
Birkenstocks in der Küche seiner Neuköllner Wohnung, über der Schulter ein | |
Geschirrhandtuch. Er schneidet große Frühlingszwiebeln in feine Scheiben. | |
Allgäuer Kässpatzen will er heute zubereiten. | |
Im Januar war er noch zu Besuch bei seiner Familie in Kempten. Fuhr auch | |
einen Tag mit seiner Freundin nach Oberstdorf. „Nur um ihr die | |
Skisprungschanze zu zeigen“, sagt er und lacht. Gegessen wurde dort nicht. | |
Zu touristisch sei es. „Zu teuer.“ | |
Dieses Jahr war das Allgäu besonders weiß. „Das letzte Mal lag dort vor | |
zehn Jahren so viel Schnee“, erinnert sich Max. „Man sagt eigentlich: Es | |
gibt sieben gute Winter und sieben schlechte.“ Gut heißt: viel Schnee. | |
Auch Kempten liegt im Oberallgäu, aber nördlicher. Dort ist es nicht ganz | |
so touristisch und im Winter nicht ganz so weiß. Und die Käsespätzle sind | |
andere. Oberstdorfer Kässpatzen seien zu „buttrig“, sagt Max. Er gibt statt | |
Butter Rapsöl in die Pfanne. | |
## Süß sollen die Zwiebeln werden, wie Chutney | |
„Punkt eins beim Kässpatzenmachen: erst die Zwiebeln braten.“ Mindestens | |
eine Stunde bei niedriger Temperatur. Dass die Zwiebeln gut geraten, sei | |
wichtig. Süß sollen sie werden, „wie Chutney“. „Schmelzzwiebeln“, sag… | |
im Allgäu aber dazu. Manche lassen die Zwiebeln mit Zucker karamellisieren, | |
wenn sie nicht so lange warten wollen. | |
Als sich die Zwiebeln färben, klingelt Moritz Jehle an der Tür. Auch ein | |
Neuköllner Allgäuer mit noch mehr Rauschebart. Er will mitessen. Mit Moritz | |
stand Max früher auf der Piste. „Bei mir gibt’s jedes Mal Kässpatzen, wenn | |
ich nach Hause ins Allgäu komme“, sagt er, während Max die Zwiebeln wendet. | |
Die beiden listen andere Allgäuer Mehlspeisen auf: Flädlesuppe, | |
Krautkrapfen, Schupfnudeln mit Kraut und: „Leberspätzle – da wird das | |
Fleisch mit Mehl gemischt“. | |
Die Region um Kempten ist Alpenvorland. Das Allgäu reicht noch bis nach | |
Vorarlberg in Österreich. „Die sagen, dass wir gar keine Allgäuer sind“, | |
sagt Moritz. „Es heißt: Je dichter man am Berg wohnt, desto mehr Allgäuer | |
ist man“, sagt Max. „Das sagen zumindest die, die am Berg wohnen“, ergän… | |
Moritz lächelnd. | |
## Niemand will hören, dass er Schwabe sei | |
Kempten liegt außerdem im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben. „Aber kein | |
Allgäuer will hören, dass wir Schwaben sind.“ Warum? Die seien immer schon | |
so früh am Skilift, um die guten Parkplätze zu bekommen. Und damit sie „die | |
Tageskarte ausnutzen können“, sagt Max. „Das mit dem Lift ist wie in Berlin | |
mit den Eigentumswohnungen“, sagt Moritz selbstironisch. „Wir teilen das | |
gleiche Leid.“ | |
Was die Allgäuer Käsespätzle eigentlich von den schwäbischen unterscheidet? | |
„Der Käse und die Form“, sagt Moritz. Die Schwaben würden keinen Hobel | |
benutzen, den Teig stattdessen von einem Holzbrett in den Topf schaben – | |
mit einem speziellen Gerät, das einem Spachtel gleicht. Oder sie geben den | |
Teig in eine Spätzlepresse. „Aber da werden die Spätzle zu lang“, sagt Ma… | |
Er benutzt einen Spätzlehobel. Den gibt es im Allgäu überall zu kaufen. Er | |
sieht aus wie eine Käsereibe mit etwas größeren Löchern, obendrauf eine | |
Plastikvorrichtung, in die der Teig hineinkommt. | |
Für den Teig gibt Max das Mehl in eine Schüssel. Später kommt genauso viel | |
Käse dazu. Er schlägt Eier auf. Dann kommt eine Prise Salz. Die Mischung | |
rührt er mit einem Holzlöffel um. „Das hab ich von Papa gelernt“, dem | |
„selbst ernannten Kässpatzenkönig“. | |
Die Masse wird durch die Eier cremig, gelblich. „Golden.“ Die Farbe sei ein | |
Zeichen dafür, dass die Spätzle gut sind, also viele Eier drin sind. Manche | |
würden noch Kurkuma in den Teig geben, „um zu faken“. | |
Das Allgäu sei früher eine arme Region gewesen. „Nur mit Flachsfeldern als | |
Einnahmequelle“, sagt Max. Mitte des 19. Jahrhunderts kam die | |
Milchwirtschaft mit ihren Wiesen. Man spricht davon, dass das blaue Allgäu | |
zum grünen wurde. Heute würden die Kühe oft gut gehalten. Viele Bauern | |
haben mittlerweile auf Bio umgestellt, sehen darin eine Chance, gegen große | |
Milchkonzerne anzukommen. | |
## Drei Sorten Käse müssen es sein | |
„Das mit dem Käse macht bei den Spatzen jeder ein bisschen anders“, sagt | |
Moritz. „Aber man braucht mindestens zwei, drei Sorten.“ Max sagt: „In | |
traditionellen Rezepten verwendet man Weißlacker, den gibt’s wirklich nur | |
im Allgäu. Wir nehmen Romadur. Manche nehmen Limburger.“ | |
Weil es in Neukölln nicht den richtigen Käse gibt, hat Max ihn im Internet | |
bestellt, direkt von einer Käse-Alp. Einen alten Bergkäse, „zwanzig Monate | |
gereift“. Dazu kommt ein milderer Bergwiesenkäse, „ein Schnittkäse, der | |
Fäden zieht, wenn er schmilzt“. Und als Drittes ein Stinkeweichkäse „für | |
die „spezielle Note“. Den Schnitt- und den Hartkäse reibt Max, den weichen | |
schneidet er in Scheiben, dann stellt er Wasser auf. | |
Als es kocht, träufelt Max etwas kaltes Wasser auf den Spätzlehobel, „damit | |
nichts kleben bleibt“. Dann hobelt er einen Teil des Teigs über dem Topf. | |
„Er muss ins Wasser plumpsen“, sagt Max und dass die Spätzle auf keinen | |
Fall zu lang werden dürfen. Darum müsse man besonders schnell hobeln. | |
Die Spätzle müssen kurz aufkochen, dann schwimmen sie nach oben. Max nimmt | |
einen Schopflöffel, um sie aus dem Wasser zu fischen, dann hobelt er die | |
nächste Portion. Die Spätzle schichtet er abwechselnd mit dem Käse in einen | |
Topf. Den hat er im Ofen schon vorgewärmt. Im Allgäu gibt es dafür | |
spezielle Kässpatzenkeramik – da steht auch „Allgäuer Kässpatzen“ drau… | |
## Essig und Öl sollen in die Spatzen laufen | |
Ein strenger Geruch macht sich in der Küche breit. Der Käse schmilzt auf | |
den Spätzle. Die Zwiebeln sind inzwischen zusammengefallen und braun, haben | |
an Wasser verloren. Beim Servieren kommen sie obendrauf. „Eine streng | |
süßliche Mischung“. Dazu kommt Salat mit auf den Teller. Essig und Öl | |
sollen in die Spatzen laufen. | |
Apfelschorle wird aufgetischt. Eigentlich Bier, aber das sei jetzt „zu viel | |
Klischee“. „A gschaidts Weizen“, allgäuert Max und fügt hinzu: „Kein | |
Weißbier. Das sagen die in Ober- und Niederbayern.“ | |
Wenn Spätzle übrig bleiben, umso besser: Sie schmecken auch am nächsten Tag | |
noch gut, gebraten. Und: „Man kann Kässpatzen-Pattys machen“, sagt Max. | |
„Die Spatzen zusammendrücken und braten wie Burger.“ So jedenfalls mache | |
das die „new generation“, sagt er. In Berlin, weit weg vom Berg. | |
10 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Lea De Gregorio | |
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