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# taz.de -- Marokkanische Tajine kochen: Im eigenen Saft
> Das populäre Schmorgericht Tajine findet man überall in Marokko – und
> auch in Wuppertal. Ein Küchenbesuch mit Lehmgefäß und grünem Tee.
Bild: Schmeckt ohne Fleisch genau so gut wie mit: Tajine, gekocht in der Tajine
Wuppertal taz | Wenn Ismail Arid in der Küche steht, darf ihm niemand
helfen. Egal wie sehr man sich darum bemüht, er winkt nur lässig ab. „Das
ist nun mal so. In meiner Kultur soll der Besuch keinen Finger rühren.“
Aufgewachsen ist Ismail in Fez, einer Millionenstadt, der drittgrößten
Marokkos. 2014 kam er für die Liebe nach Deutschland. Nun lebt der
33-Jährige mit seiner Verlobten in Wuppertal.
Manchmal kocht Ismail das Essen seiner Heimat. Besonders gern Tajine, ein
marokkanisches Schmorgericht, das überall im Land serviert wird, meistens
als Mittagessen und in den unterschiedlichsten Ausführungen. Es gibt nicht
„das eine Rezept“, jede*r hat seine eigenen und entwickelt sie auch weiter.
Nur für bestimmte Feste gibt es grob festgelegte Rezepte. Zum Beispiel wird
auf Hochzeiten die Tajine mit Rindfleisch, Pflaumen und Pfirsichen
zubereitet.
Das Kochen beginnt bei Ismail mit dem Auffüllen der Gewürze. Aus
Plastiksäckchen füllt er rotes Paprikapulver in kleine Gläser und ein
beiges Pulver, dessen Name ihm nicht einfällt. Er sagt das arabische Wort
ein paarmal vor sich her und überlegt. Schließlich greift er zu seinem
Handy und sucht ein YouTube-Video. Ismail schaut sich gerne Kochvideos an
und lässt sich davon inspirieren. Er findet den Namen: Ingwerpulver. „Das
machen sie in Fez frisch auf dem Markt. Dort kann man zusehen, wie der
getrocknete Ingwer gemahlen wird.“
Von den Märkten in Fez hat Ismail alle seine Gewürze, er hat sie dort mit
seiner Mutter gekauft. „Die Gewürze aus Marokko schmecken einfach anders,
viel intensiver“, sagt er. Der Pfeffer zum Beispiel ist viel schärfer. Die
Würze ist etwas, was Ismail in deutschen Küchen oft fehlt.
## Man muss es fühlen
Wie genau man eine Tajine würzen soll, kann er aber nicht sagen. „Ich mache
das immer nach Gefühl, man muss das schmecken und fühlen. Da gibt es kein
Rezept für.“ Das Kochen hat Ismail von seiner Mutter gelernt und wenn er
Fragen hat, dann ruft er sie auch an. „Wenn ich weiter koche, dann werde
ich vielleicht mal so gut wie sie“, sagt er. Dann zögert er und lacht.
„Ach, so gut wie meine Mama werde ich niemals kochen.“
Ismail schneidet eine große Zwiebel in Ringe und legt sie in den Teller der
Tajine. Denn Tajine heißt nicht nur das Gericht, sondern auch das
traditionelle Schmorgefäß, in dem es zubereitet wird. Es besteht aus einem
Teller und einem gewölbten oder konisch zulaufenden Deckel. Traditionell
wird die Tajine aus Lehm hergestellt, in ihrem Inneren sammelt sich der
Dampf des Essens, kondensiert und gart so das Essen in seinem eigenen Saft.
Als nächstes gibt Ismail eine großzügige Menge Olivenöl an die Zwiebelringe
und würzt sie mit Paprikapulver, Ingwerpulver, Kurkuma und Pfeffer. Dann
hackt er glatte Petersilie, eigentlich kommt noch frischer Koriander in das
Gericht, aber den gab es heute nicht mehr. In Wuppertal kauft Ismail die
meisten frischen Zutaten in türkischen Läden ein. In Fez gehen fast alle
Menschen auf den Märkten einkaufen, obwohl die Supermärkte gut bestückt
sind.
Nachdem er zwei Knoblauchzehen zerhackt hat, schaltet Ismail schließlich
die Kochplatte ein. Langsam werden die Zwiebelringe und die Gewürze auf
mittlerer Stufe erhitzt, noch ohne Deckel. Der Lehmteller muss erst mal
warm werden. Währenddessen schält Ismail mit einem Küchenmesser zwei
Tomaten.
Die Schale muss nicht unbedingt entfernt werden, erklärt er, aber seine
Mama macht das so, deshalb hält er sich daran. Die Tomate schneidet er in
grobe Würfel, zerlegt Paprika in Streifen, Kartoffeln und Möhren in Stücke.
Danach sind die Zwiebeln weich geworden und Ismail rührt sie in dem von
Gewürzen farbig gewordenen Olivenöl um.
## Zitronensaft verstärkt den Geschmack
Aus dem Kühlschrank holt er eine Zitronenhälfte raus und verteilt ein paar
Spritzer auf den dampfenden Zwiebeln. „Für den Geschmack.“ Mit Zitronensaft
arbeitet man vor allem, wenn man das Gericht mit Fleisch macht, denn wer es
sich in Marokko leisten kann, der isst auch Fleisch. In Deutschland kocht
Ismail aber häufig fleischfrei, da seine Verlobte und viele seiner Freunde
vegetarisch leben.
Der Lehmteller ist dank der Zwiebelringe schon gut gefüllt. Ismail blickt
auf den großen Haufen Zutaten, die irgendwie noch mit dazu sollen. Aber das
klappt, versichert er. Erst legt er die Tomaten zu den Zwiebeln, darauf
verteilt er die gehackten Knoblauchzehen und Petersilie. Dann beginnt er
die Paprika- und Möhrenstreifen abwechselnd mit den Kartoffelspalten
kegelförmig anzuordnen. Darüber kippt er noch etwas Olivenöl und Salz und
setzt vorsichtig den Deckel auf dem Teller ab. Er steht schief, aber durch
das Schmoren fällt das Gemüse bald in sich zusammen, dann ist wieder Platz.
In die Mulde am Deckel füllt Ismail kaltes Wasser. Wenn das Wasser
verdampft ist, soll die Tajine fertig sein, doch so ganz sollte man sich
nicht darauf verlassen. Nun muss das Gericht etwa eine Stunde lang auf
niedriger Kochstufe schmoren. Genügend Zeit, um einen Tee zu trinken. In
einer silbernen Kanne – natürlich aus Marokko – bereitet Ismail grünen Te…
nach dem Aufkochen fügt er frische Minze hinzu und Zucker.
## Neue Kochgewohnheiten in Marokko
Nach etwa zehn Minuten Kochzeit senkt sich der Deckel der Tajine langsam
ab. Nach einer halben Stunde rührt Ismail die (bereits auch zuvor
verwendeten) Gewürze mit etwas Wasser zu einer cremigen Paste an. Er hebt
den Deckel an und verteilt sie über dem schmorenden Gemüse. Die Kochzeit
variiert stark, sie ist abhängig von den verwendeten Lebensmitteln und
natürlich dem Herd.
Früher hat man noch auf Holz und Kohle gekocht, mittlerweile bereiten viele
Marokkaner*innen die Tajine auf einem Gasherd zu. Oder greifen zu
Schnellkochtöpfen, um nicht so lange warten zu müssen. Tajine ist nun mal
ein sehr zeitaufwendiges Gericht. „Aber im traditionellen Topf schmeckt das
Essen einfach besser“, sagt Ismail. Unter dem Deckel hört man es blubbern.
Nach einer Stunde, das Wasser in der Mulde ist bereits verdampft, hebt
Ismail ihn an und sticht in eine Kartoffel. „Noch etwa fünf Minuten.“
Zum Schluss garniert Ismail die Tajine mit grünen Oliven und frischer
Petersilie. Gegessen wird das Gericht mit Brot. Wie eine kleine Schaufel
hält man es in der Hand und nimmt damit das weich gekochte Gemüse auf und
die köstliche Flüssigkeit, die sich am Boden der Tajine gebildet hat. Wenn
man das Essen mit dem Brot nicht schafft, darf man natürlich auch zu
Besteck greifen. Aber ausprobieren muss man es – das ist die Tradition.
26 Jul 2020
## AUTOREN
Denise Klein
## TAGS
Marokko
Kochen
Heimatküche
Armenien
Hessen
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