| # taz.de -- Neuverfilmung von Fritz-Lang-Klassiker: Propaganda mit dem Mörder | |
| > Der österreichische Regisseur David Schalko verlegt die Handlung von „M – | |
| > Eine Stadt sucht einen Mörder“ nach Wien: Das hat politische Folgen. | |
| Bild: In der Neuverfilmung stehen Institutionen und Milieus wie Polizeiapparat,… | |
| Dass die serielle [1][Neuauflage] des Fritz Lang-Filmklassikers „M – Eine | |
| Stadt sucht einen Mörder“ explizit politisch verstanden werden will, wird | |
| von der ersten Sekunde an offenbar, wenn Begriffe fallen wie | |
| „Flüchtlingsmädchen“ und „Asylantragstelle“. | |
| Im direkten Anschluss an die Nachrichtenmeldung über eine verschwundene | |
| acht-jährige Afghanin, hetzt gleich ein Innenminister gegen die europäische | |
| Grenzpolitik und „kriminelle Elemente“, die man sich ins Land hole und | |
| redet von einem überstrapazierten „Maß der Erträglichkeit.“ | |
| Dass diese Tirade nicht das Geringste mit der ursprünglichen Meldung zu tun | |
| hat, sondern vielmehr dazu dient, seine scharfe Forderung nach einem | |
| Heimatschutzministerium zu untermauern, legt die Mechanismen offen, nach | |
| denen die Welt funktioniert, die Autor und Regisseur David Schalko mit | |
| seiner Adaption des Stoffes von 1931 erschaffen hat. Der schreckliche Fall | |
| des umgehenden Hauptstadt-Kindermörders und die um sich greifende Angst und | |
| Panik in der Bevölkerung, werden von Politik und Medien gnadenlos | |
| instrumentalisiert und dienen lediglich als Futter für die eigene | |
| populistische Machtagenda. | |
| Für die sechsteilige Ko-Produktion von ORF und RTL hat Schalko zusammen mit | |
| seiner Frau und Mitautorin Evi Romen die Handlung aus dem Berlin der | |
| Weimarer Republik ins Wien der Gegenwart verlegt. Ansonsten halten sie sich | |
| erstaunlich nah an die Originalversion Fritz Langs und Thea von Harbous, | |
| die den Organismus Stadt ins Zentrum ihres Werkes stellten. | |
| ## In der Halle des Bergkönigs | |
| Auch in der Neuverfilmung gibt es keine Hauptfiguren sondern ein großes | |
| Ensemble, das Institutionen und Milieus wie Polizeiapparat, Regierung, | |
| Medien, Schule, Unterwelt und Bürger repräsentiert, darunter Stars wie | |
| Moritz Bleibtreu, Udo Kier und Bela B sowie Theatergrößen wie Lars | |
| Eidinger, Sarah Viktoria Frick, Christian Dolezal, Dominik Maringer oder | |
| Sophie Rois. | |
| Schalko verdichtet und abstrahiert die Thrillerhandlung dabei stark, setzt | |
| auf eine poetische Bildästhetik und natürlich auf zahlreiche Variationen | |
| des musikalischen Themas „In der Halle des Bergkönigs“ nach Edvard Grieg, | |
| der markanten Erkennungsmelodie des Täters. | |
| Schalko ist einer der erfolgreichsten Autoren, Regisseure und TV-Macher | |
| Österreichs. 2010 verklagte ihn der ehemalige Generalsekretär der | |
| rechtspopulistischen Haider-Partei BZÖ, Stefan Petzner, wegen angeblicher | |
| Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte in seinem satirischem Roman „Weiße | |
| Nacht“. Auch die Figuren in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ inszen… | |
| Schalko nahe an der Karikatur. Das kennt man aus seinen gefeierten | |
| Vorgängerserien wie „Braunschlag“ und „Altes Geld“ zwar bereits so äh… | |
| dennoch dürfte das im Kontext eines solch düsteren Kriminal- und | |
| Gesellschaftsdramas viele Zuschauer irritieren, vor allem wenn der | |
| Regisseur Szenen immer wieder bis ins schmerzhaft Absurde steigert, in dem | |
| er beispielsweise eine Prostituierte von ihrer Zuhälterin zur Strafe dazu | |
| gezwungen wird, Fellatio an einem Kaktus zu vollziehen. | |
| Doch genau diese hochartifizielle Welt funktioniert deshalb als Spiegel der | |
| tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse besonders gut, weil sie die | |
| verzerrte Logik der Argumentationen und Triebkräfte offenlegt. Das trifft | |
| im Speziellen auf die Figur des narzisstisch-eitlen | |
| Rechtsaußen-Innenministers zu, der als Vorbilder sowie Bundeskanzler | |
| Sebastian Kurz als auch seinen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl in sich zu | |
| vereinen scheint. | |
| Ursprünglich war die Serienversion von „M“ in Deutschland für den | |
| Pay-TV-Kanal RTL Crime geplant gewesen. Nach dem Relaunch des hauseigenen | |
| Streamingportals TV Now hatte der Kölner Sender jedoch die exklusive | |
| Veröffentlichung der Produktion für die kostenpflichtige Premiumvariante | |
| angekündigt. Neben den populären eigenproduzierten Formaten wie „Der | |
| Bachelor“, „GZSZ“, „Berlin – Tag & Nacht“ oder „Der Lehrer“, bi… | |
| dort zwar auch eine Reihe internationaler Serien an, inwieweit sich die | |
| eigentliche Zielgruppe hier jedoch für eine eigenwillige Serie wie „M“ | |
| begeistern kann, ist durchaus fraglich. | |
| Ob diese eine Produktion wiederum dazu ausreicht, um eine neue Kundschaft | |
| zum Angebot zu locken und man sich mit der großen Konkurrenz von Netflix | |
| über amazon bis zu Sky messen kann, wird sich nun zeigen. | |
| 22 Feb 2019 | |
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| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/M_(1931) | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Mayer | |
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