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# taz.de -- Uraufführung an der Komischen Oper: Der Mörder ist wieder unter u…
> Fritz Langs Kindsmördergeschichte wieder aufgefrischt als
> Gegenwartsdiagnose. Am Sonntag kommt „M – Eine Stadt sucht einen Mörder�…
> auf die Bühne.
Bild: Langs Filmstoff in die bissige Gegenwart gebracht: „M – Eine Stadt su…
Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ von 1931 ist einer der
großen Klassiker der Filmgeschichte. Ikonisch ist das Bild des
Schauspielers Peter Lorre geworden, der mit gehetztem Blick nach hinten
über seine Schulter schaut, auf der ein weißer Buchstabe ihn verrät: „M“.
Lorre spielt einen Kindesmörder, der in einer deutschen Großstadt (der Film
legt Berlin nahe) sein Unwesen treibt. Da die verstärkte Aktivität der
Polizei das Treiben der Berufskriminellen stört, schließen diese sich
zusammen, um den Mörder selbst zu fassen. Als ihnen das gelungen ist,
kommen sie zu einem Lynchgericht zusammen, um ihn in Abwesenheit der
Staatsgewalt zum Tode zu verurteilen. Gustaf Gründgens brillierte dabei –
im Ledermantel-Look – in der Rolle des charismatischen moralfreien
Oberganoven, und vielleicht lag es vor allem an seiner Darstellungskunst,
dass Joseph Goebbels, nachdem er „M“ im Kino gesehen hatte, ins Tagebuch
notierte: „Fabelhaft! Gegen die Humanitätsduselei. Für Todesstrafe! Gut
gemacht. Lang wird einmal unser Regisseur.“
Tatsächlich hatte Lang genau das Gegenteil im Sinn gehabt, nämlich seinen
Film als Plädoyer gegen die Todesstrafe intendiert. Unter den
ZeitgenossInnen aber war Goebbels nicht der einzige, der den beim Publikum
sehr populären Film frei nach eigener Anschauung auslegte. Aus der Presse
kamen von politisch entgegengesetzen Seiten kritische Einwände. Von links
wurde dem Regisseur vorgeworfen, Stimmung für die Todesstrafe zu machen,
während die Rechten fanden, der Mörder sei zu menschlich gezeichnet.
Wie auch immer man es sah, „M“ schien den Nerv der Zeit zu treffen. Im
Nachhinein ist der Film denn auch stets als prophetisch mahnendes oder
zumindest genial ahnungsvolles Werk interpretiert worden, mit dem der
Regisseur und seine Co-Autorin Thea von Harbou die angespannte
gesellschaftliche Atmosphäre der späten zwanziger Jahre, in denen die
staatliche Autorität zunehmend angegriffen wurde, in brillanter Weise
trafen.
## Zum einen eine neue Serie
Und sicherlich ist es kein reiner Zufall, dass, nachdem „M“ zwischendurch
schon in die ewigen Jagdgründe der großen und zunehmend weniger rezipierten
Klassiker eingegangen schien, in diesem Jahr gleich zwei aufwendige Remakes
beziehungsweise Neuinterpretationen des Stoffs an die Öffentlichkeit
kommen. Vor wenigen Monaten erst wurde auf der Berlinale eine sechsteilige
österreichische Fernsehserie vorgestellt, die den Titel des Originals trägt
und in der unter anderem Lars Eidinger, Sophie Rois und Moritz Bleibtreu
spielen. Die Handlung wurde vom Berlin der Zwischenkriegszeit ins heutige
Wien verlegt, und aus dem leitenden Ermittler ist eine Ermittlerin
geworden. Im ORF lief die Serie bereits, deutschlandbasierte
Serieninteressierte können sie in DVD-Form rezipieren.
Die zweite „M“-Großproduktion findet nun sozusagen am Originalschauplatz
statt, wenn an diesem Sonntag die Oper „M – Eine Stadt sucht einen Mörder�…
in der Behrenstraße Premiere feiert. Allerdings sei die Handlung, so
erklärt Komponist Moritz Eggert beim Vorabgespräch in der Komischen Oper,
ins Überzeitliche verlegt worden beziehungsweise noch weiter: ins
Surrealistisch-Albtraumartige, David-Lynch-Mäßige.
Das Projekt ist dabei alles andere als ein Schnellschuss, sondern von sehr
langer Hand geplant worden. Seit acht Jahren waren Eggert,
Komische-Oper-Intendant Barrie Kosky und der Dramaturg Ulrich Lenz (die
beiden Letzteren haben gemeinsam das Libretto verfasst) im Gespräch über
ein gemeinsames Projekt.
Warum es gerade „M“ wurde? „Vielleicht hängt es damit zusammen“, versu…
Eggert sich an einer Erklärung, „dass wir es mit dem Phänomen zu tun haben,
dass Menschen auf eine Weise handeln, die wir anscheinend nicht mehr
verstehen.“ Er selbst diskutiere zum Beispiel manchmal auf Facebook mit
Leuten, die in Endlosschleife „kranke Scheiße“ von sich gäben. „Aber wir
müssen diese Krankheit, die unsere Gesellschaft anscheinend hat, was
Rassismus und Fremdenangst angeht, irgendwie versuchen zu verstehen. Langs
Film hat damals im Grunde das Thema Nationalsozialismus vorweggenommen –
mit der Umleitung über das Thema des Kindsmörders. Aber es geht darin eben
auch um die subkutane Gewalt, die in der Gesellschaft herrschte, und Fritz
Lang hat das gespürt.“ Ihnen dreien sei es mit dem Stoff, bezogen auf die
heutige Zeit, letztlich ähnlich gegangen.
Einiges wird in der Oper anders sein als im Film. Die Handlung etwa wird
ganz aus der Perspektive des Mörders erzählt, der daher auch die gesamte
Zeit – verkörpert von dem amerikanischen Bariton Scott Hendricks – auf der
Bühne ist: „Eine Monsterpartie.“ Und auch der Kinderchor sei fast
durchgehend beschäftigt, betont Eggert: „Es ist, das kann ich ohne
Übertreibung sagen, die größte Kinderchorpartie, die je in der Geschichte
der Oper komponiert wurde.“
Außerdem gibt es einen weiteren Chor, der aus dem Orchestergraben singt und
fast durchgehend elektronisch verfremdet wird. Eletronische Klänge werden
überhaupt sehr prägend sein. Und noch etwas ist sehr anders: Klanglich
wolle man nach Möglichkeit das Guckkastenprinzip aufbrechen und „mit den
bescheidenen Mitteln, die wir haben, eine Art Surround-Sound schaffen“.
4 May 2019
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Komische Oper Berlin
Filmgeschichte
Weimarer Republik
Lars Eidinger
Schwerpunkt Nationalsozialismus
TV-Krimi
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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